Die Psychonauten sind eine besondere Spezies, und wenige von ihnen waren so exzentrisch wie es all die Geschichten aus der alten Zeit, von Ken Kesey bis Timothy Leary, vermuten lassen. Geradezu nüchterne Wissenschaftler, teilweise Angestellte der Regierung in Forschungsprogrammen, erlebten die aufkommende Gegenkultur der „beatniks“ und „hippies“ eher mit Skepsis, hielten die traditionellen Werte für bedroht – und erlebten, was historisch belegt ist, eine Offenbarung nach der andern, als sie erstmals LSD oder einen „magic mushroom“ zu sich nahmen. Ihre Sicht der Dinge geriet ins Wanken und verwandelte sich, und wir reden hier nicht von Kreativmenschen, die Drogen gerne en passant als Horizont erweiternd erlebten.
Ganz schlicht berichteten manche dieser frühen Psychonauten (die sich zu Beginn nie im Leben so genannt hätten) über Erfahrungen von Transzendenz und Gott, von universellem Einssein, und sie hatten kein Seminar bei einem fernöstlichen Guru besucht, oder zuviel Ragamusik gehört. Damals, vor der grossmäuligen Propaganda Learys, war LSD legal und verfügbar, und eine der schillernsten Figuren jener Ära, Al Hubbard, Politiker, Heiler, Geheimagent, Forscher, und was weiss der Kuckuck noch alles, hatte aus Zürich eine unfassbare Menge LSD erhalten, mit der er quer durch die Lande zog, um anderen Forschern und Heilsuchenden, mit geleiteten Sitzungen, neue Welten zu erschliessen. HBO sollte aus dem Leben dieses Mannes eine grosse Serie machen, und Herrn Leary mal links liegen lassen.
Von früh an an war klar, dass man für eine LSD- und Pilzreise einen geschützten Rahmen braucht. Und dass die erschütternden oder seligmachenden Erfahrungen unbedingt im Gespräch, im Austausch mit einem erfahrenen Therapeuten oder Psychonauten, verarbeitet werden sollten. Essentiell ist auch die Einstimmung: dem Probanden wird ein Set an Regeln an sie Hand gegeben, dass er, je nach Notwendigkeit während seines Trips aktivieren sollte, Dinge wie: „du kannst nicht sterben“ / „spreche mit den Gestalten, die dir Angst einflössen“ / „vermeide jede Panik, atme ruhig“. Ein Teil der Leser dieser Zeilen wird an dieser Stelle genug haben, und froh sein, dass die einzige Droge in seinem / ihrem Leben Kaffee oder grüner Tee ist, oder ein Viertel Rotwein am Abend. Tatsächlich offenbaren die Reisen erstklassiges Material, um eigene Konflikte zu entschlüsseln, chronische Muster aufzulösen, lang überfällige Versöhnungen einzuleiten, tiefitzende Ängste zu überwinden. Wenn es gut läuft. Stanislav Grov etwa wusste, dass der verantwortungsbewusste Umgang mit LSD die Behandlungszeit einer klassischen Psychoanalyse drastisch verkürzen konnte. Aber wer ausser einen Handvoll Heilern und Psychotherapeuten konnte diese neuen Potentiale schon klug einsetzen? Wer sich überschätzte und als Einzelperson auf Expedition ging, fand sich rasch auf einem Horrortrip wieder. Wie gesagt, es geht hier nicht allein um Heilung und Therapie, es geht auch für den gesunden „Normalneurotiker“ und die Zeitgenossen, die sich einfach rundum wohlfühlen in ihrer Haut und ihrem Leben, um die Kunst, die eigene Welt zu bereichern. Immens zu bereichern.
In seinem Buch zur Psychedelika-Forschung geht Michael Pollan in keinem Moment ein auf die Welt der Klarträume, der luziden Träume, warum sollte er auch? Das ist nun mein liebstes Terrain der Traumforschung, und ich kann Ihnen versichern, dass die regelmässige und klug eingesetzte Technik, im Traum das Bewusstsein „anzuknipsen“, und zu erkennen, dass man träumt, nicht minder weitreichende Erfahrungen ermöglichen kann, was Therapie, Selbstentwicklung, Aha-Erlebnisse und alltagsrelevante philosophische Erkenntnisse etc. angeht. Pures Abenteuer, auch das!
Man kann im luziden Traum die surrealsten Erscheinungen und Erlebnisse viel besser lenken, wie gesagt, bei vollem Bewusstsein, dass man sich im Traumzustand befindet, und auch hier empfiehlt es sich, einen Begleiter an der Seite zu haben, der einem die Praxis der Klarträume lehrt, Verhaltensregeln für die Traumreisen ausspricht, und die Erfahrungen im nachinein mit aufarbeitet.
Neulich fragte mich ein Freund, wozu denn luzide Träume gut seien. Wer einmal durch eine fremde Stadt geht, aus der Ferne dunpfe Beats hört, ihnen folgt, bis er, an der Kasse vorbei, einen riesigen Raum voller Menschen betritt, und vorne Wayne Coyne und The Flaming Lips erlebt – und dann plötzlich merkt, dass er in einem Traum ist – wird diese Frage nicht mehr stellen.
Und alle kleinen Tricks anwenden, damit dieses Konzert noch länger dauert. Als der Träumer dieses Klartraums dann innig wünschte, Wayne Coyne würde mal wieder den berühmten Bowie-Song zum Besten geben, schossen dem Träumenden alsbald ganz reale Tränen des Glücks durch die (Traum-)Augen, er schwebte über die Bühne, Minuten lang, und landete sanft in der Nähe des Mischpults. Von hinten legten sich zwei Hände auf seine Schultern, und sein Herz klopfte, als er sich umdrehte. Ich hatte für diesen luziden Traum keinen Auftrag, ich entschied spontan, es war ja nur einer aus der Abteilung „fun & adventure“ – und doch war die Erfahrung überwältigend. Ich hätte aber jederzeit auch die Szenerie verwandeln können – das ist viel leichter als bei einer von Psychedelika induzierten Erfahrung. Bald wird hier zu lesen sein, wie es dem Pilzforscher erging, als er auf einen Baum kletterte.
EMPFOHLENE LITERATUR:
Thomas Yuschak – Advanced Lucid Dreaming – The Power of Supplements (für Fortgeschrittene)
Dylan Tucillo, Jared Zeizel, Thomas Peisel – Klarträumen (für Anfänger)
Clare R. Johnson: Llewelyn‘s Complete Book of Lucid Dreaming – A comprehensive guide to promote creativity, overcome sleep disturbances & enhance health and wellness (für Anfänger und Fortgeschrittene)