Es kommt nicht oft vor, dass im Bonusmaterial einer DVD ein Interview mit der Kostümbildnerin enthalten ist. Eher finden sich Interviews mit Schauspielern und manchmal habe ich mich darüber gewundert, wie wenig Hintergründiges (oder vermeintlich Tiefsinniges) diese über einen Film zu sagen haben. Erst durch das Buch „Die Kunst der Filmregie“ von David Mamet wurde mir klar, warum Schauspieler eher wenig über einen Film wissen sollten. „Hinzu kommt“, schreibt Mamet in seiner Klage über schlechte Schauspieler, „daß die meisten Schauspieler versuchen, ihre Intellektualität einzusetzen, um die Idee des Films wiederzugeben. Aber das ist nicht ihre Aufgabe. Ihre Aufgabe besteht darin, so einfach wie möglich die spezifische Handlung, die das Drehbuch und der Regisseur von ihnen fordern, Handlungsschritt um Handlungsschritt auszuführen.“
Jaqueline West, Konstümbildnerin bei dem Film „Song to Song“ unter der Regie von Terrence Malick, hat mich mit ihrer Sichtweise auf den Film überrascht. Sie sagte, die Dreiecks-Liebesgeschichte hätte sie an Simone de Beauvoir, Nelson Algren und Jean-Paul Sartre erinnert. Sie sprach von einer Frau, die ihre sexuelle, intellektuelle und künstlerische Freiheit erforscht und dabei Männer auf eine Art benutzt, wie diese es oft mit Frauen tun. Ich holte die Monographie über Simone de Beauvoir von Christiane Zehl Romero aus dem Bücherregal, blätterte darin und las die Passage über ihre Beziehung zu Algren, die im Nachhinein, wen wundert´s?, von beiden Seiten sehr verschieden beurteilt wurde. Jaqueline West hatte sich darüber Gedanken gemacht, wie der Kleidungsstil der jeweiligen Charaktere deren Persönlichkeit spiegelt. Eine schöne Begründung für dunkle düstere Farben: Sie lässt die Seele strahlen, das Gesicht.
Ich war über die Suche nach weiteren Filmen mit Ryan Gosling auf „Song to Song“ aufmerksam geworden, Stichworte wie Musikszene in Austin, Texas / exzentrische Lichtgestalt / explosives Dreiergespann. Ryan Gosling spielt hier ganz den good guy und hat mich in dieser Rolle nicht ganz so begeistert wie in „Stay“ oder „Drive“. Entdeckt habe ich Rooney Mara. Im Covertext wird die von ihr gespielte Figur, Faye, zwar als ambitionierte Musikerin bezeichnet, sie spielt Gitarre, im Film aber wir erleben nie, wie sie völlig in der Musik aufgeht. Sie ist okkupiert von ihrer Identitätssuche und damit, in ein Umfeld zu gelangen, in dem sie bekommt, was sie braucht. „Always been afraid to be myself. Thought there was no one there.“ Over-Voice Passagen sind charakteristisch für das filmische Werk von Terrence Malick, ebenso wie schnelle, harte Schnitte, ein dynamischer Kamerablick, meditative Bilder, Motivwiederholungen (Bäume, Äste, der Blick in den Himmel, Schwärme von Vögeln, Gardinen, Berührungen von Gesichtern, die schmalen Bäuche der Frauen, eine Tanzeinlage in der Stunde, bevor es dunkel wird, und immer wieder in verschiedenen Formen das Wasser, die Berührung mit Wasser, die Weite der Landschaft, das Licht). Plötzlich spricht eine Nebenfigur von ihrem Leben wie in einem Dokumentarfilm. Einmal wurde eine Sequenz aus einem Schwarzweißfilm eingefügt. Patti Smith erklärt Faye in einem Café, dass die alten Gitarren die Songs schon in sich tragen, sie sagt, sie könne stundenlang einen Akkord spielen, und fängt damit an. Das sind Autorenfilme, Filme mit Handschrift. Die Dramaturgie liegt ganz in den Bildern, in der Atmosphäre, die sie erzeugen.
- What do you see?
- A pool.
- It´s a stage.
Die Geschichte ist das, was im Unterbewusstsein zwischen den Schnitten passiert. Faye trägt anfangs verschiedene Perücken, sie spielt mit ihrer Identität, sie sucht sie, ihre Identität ist nicht einfach da, sie muss sie, wie jede Künstlerin, jeder Künstler erschaffen. Die Körper verändern sich, die Gesichter. Es geht nicht darum, dass eine Schauspielerin einfach eine Handlung ausführt. Es geht darum, dass sie durch die Art, wie sie es tut, etwas zeigt. Malick und Mamet leben in verschiedenen Welten. Mamet geht davon aus, dass jeder Film ein Drehbuch hat. Terrence Malick filmt ohne Drehbuch.
Partys am Pool. Live-Konzerte. Drogen, experimenteller Sex. Tell me, what really scares you? You killed my love.
Umherziehen, zu zweit, wie die Vögel. Nur neben dir sitzen. Verzaubert sein.