Ich schreibe hier selten über neu erschienene Alben. Meistens sind es Rückblicke auf Klassiker oder Konzerterlebnisse – längst stattgefundene oder frisch erlebte. Aus diesem Grunde sind meine Jahreslisten kurz und enthalten oft weit zurückblickende Reviews. Man gestatte diesen holprigen Pleonasmus. Manchmal mache ich mir Gedanken, warum das so ist. Ein paar persönliche, nur auf mich zutreffende Antworten habe ich. Diese zum Beispiel.
In meinen ganz jungen und den noch jungen Jahren war die Welt ein Buch mit unendlich vielen ungeöffneten Seiten. Das ist es auch heute noch, obgleich es weniger unendlich viele Seiten zu sein scheinen als vor sechs Jahrzehnten.
Ich erinnere mich an eine meiner ersten Geigenstunden. Ich war damals 9 Jahre alt. Nach dem Schrubben auf leeren Saiten und den ersten Griffübungen kam endlich eine vollständige Tonleiter zur Aufführung, G-Dur – grifftechnisch simpel und nur ein Saitenwechsel. Kantor Arthur Orth begleitete mit ein paar Harmonien und meine Knie wurden weich von diesem unerhörten Eindruck. Zu Hause erzählte ich – noch ganz ergriffen – meiner Mama von diesem Erlebnis. Die Wirkung heute? Sie wäre gleich Null …
Olompen
Die ersten Seiten im Buch der Welt machen einen ungeheuren Eindruck, wenn man sie zum ersten Mal aufschlägt. Seit 2 Jahren und 3 Monaten habe ich Julius, meinen ersten Enkel. Es ist ein Riesenvergnügen mit ihm. Zwar flippt er nicht aus bei einer G-Dur-Tonleiter , aber bei Blasmusik, bei „Uff da daaa“ schon. Bayerische Volksmusik und die Blaskapellen beim Helmbrechster Schützenfest waren ja auch meine ersten musikalischen Vorlieben. Meine banalsten Scherze und Blödeleien verlangt er „nochmaahl, nochmahhl“
Das Gedächtnis in den ersten Lebensjahren ist wahnsinnig leistungsfähig. Julius merkt sich in der Regel ein einmal gehörtes Wort. Und wenn eines schwer auszusprechen ist oder es ihm nicht gefällt – wer weiß das schon -, dann erfindet er ein neues. Beim Kinderarzt bekommt er nach der Untersuchung zur Belohnung *Gummigiechi*. Letzte Woche habe ich in der Wohnung mit ihm Fußball gespielt, nicht mit einem schweren Ball, sondern mit *Olompen*.
Julius gibt mir richtig Aufwind.