Über die vergangenen Jahre fiel mir Eraldo Bernocchi immer wieder als Sideman in den verschiedensten Projekten auf und nun hat er sein erstes Album nur unter seinem Namen produziert, was es dann auch gleich in meine Jahresbestenliste geschafft hat. Like a Fire That Consumes All Before It ist der Soundtrack zu Cy Dear, einer Dokumentation über den amerikanischen Künstler Cy Twombly, der unübersehbar auch einen wichtigen Einfluß auf die ECM-Covergestaltung der frühen Jahre gehabt haben muss. Geschaffen hat er eine ruhige, weite und eigene Ambientmusik, die einem Fundament von langsamen infite delays feine rhythmische Strukturen, ein subtiles Schweben und verhallte Pianotropfen zur Seite stellt, ohne dabei je in Gefahr zu laufen in die Nähe von New Age-Akustikaffronts zu laufen. Ein sehr intimes, leises Werk, das sehr viel Raum hat und den Hörer sanft hineinzieht und zum Abdriften verleitet.
Wer noch tiefer in die Stille heingehen möchte, dem sei Solitary Universe empfohlen, dass Bernocchi im Februar zusammen mit Chihei Hatakayema, einem der produktivsten und konsequentesten japanischen Ambientmusiker, veröffentlicht hat. Hier tanzen die beiden Gitarristen in unendlicher Langsamkeit um das uns auf ewig verborgene Zentrum der absoluten Stille des Universums, schweben in einer Unendlichkeit in dem dimensionslosen Netz, das der indischen Mythologie nach der Gott Indra knüpfte, um die Welt zu umschließen. In jedem der Knotenpunkte befindet sich ein funkelnder Juwel, dessen Licht bei jeder Bewegung Indra’s oszillierend mit allen anderen Knotenpunkten in Verbindung steht und so den Urgrund unserer gigantischen Illusion des Seins darstellt. Vielleicht bleiben in der Schönheit und Ruhe dieser Musik einmal die Gedanken für einen Augenblick stehen und ein Funkeln weist uns zu einem Blinzeln des ewigen Augenblicks. Wer sich das nur eingeschränkt vorstellen kann, dem hilft hier ein kleines Kunstbüchlein, dem die CD beiliegt, das ohne große Worte, aber mit eigenwillig korrespondierenden, dezenten Fotos von Petulia Mattioli und Yasushi Miura Momente in den Fäden Indra’s Netz einfängt.
Unter den vielen Kollaborationen muss aber noch eine erwähnt werden, von der es mich wundert, dass sie bislang ihren Weg noch nicht in diesen Blog gefonden hat: Winter Garden, von Bernocchi zusammen mit Harold Budd (mit dem er schon früher zusammenarbeitete) und Robin Guthrie 2015 veröffentlicht. Ein Ambient-Monument, dass den gemeinsamen Alben Budd’s mit Brian Eno um nichts nachsteht, ein echter Lifer in seiner hypnotischen Tiefe und eigenwilligen Schönheit. Es beginnt mit dem durchaus praktischen Hinweis Don’t go where i can’t find you, wandert über die Trance von Entangled und dem programmatischen Harmony and the play of light auf fast melancholischen Wegen zum Südpol des Himmels und entlässt den Hörer mit der dann eigentlich nicht mehr notwendigen Empfehlung Dream on in das dringende Bedürfnis danach gleich alles wieder von vorne zu hören. Nie hätte ichgedacht, dass ich mich als frostscheuer Mensch in einem Winter Garden so heimelig fühlen könnte …