Zwei Dinge sollte man sich spätestens 2019 gönnen, den Remix des „White Album“ der Beatles, und dieses Opus eines kritischen Rationalisten, dessen angestammte Vernunft in den letzten Jahren einige Sinn stiftende Erschütterungen erlebt haben dürfte. Wenige Sachbücher haben mich in meinem Leben so fasziniert wie Michael Pollans Buch. Neben Albert Hofmann und Timothy Leary tauchen da historische Figuren auf, aus deren Lebensabschnittsphasen HBO packende Serien schöpfen könnte, eine davon wäre Cary Grant. Der Autor ist Jahrgang 1955, und als Junghippie begegnete er damals der bewusstseinserweiternden Droge LSD mit grosser Vorsicht, und mied jeden Kontakt. In diesem Buch rollt er ein historisch, psychologisch und philosophisch hochinteressantes Feld neu auf, als eine Art teilnehmender Beobachter, berichtend, erzählend, und „aus der Innensicht“. Ich habe dieses Buch Seite für Seite im Original gelesen, und natürlich werde ich mit LSD auf Reise gehen, mit reflektiertem Blick für Set und Setting. Es ist allerdings nicht leicht, ob im Dark Net, Strassenverkauf, oder bei kalifornischen Freunden, die richtige Qualität zu erhalten. Niemand sollte sich naiv auf diesen Weg begeben. Ich wünsche diesem Buch viele aufmerksame Leser. Wer auf andere Art geläufige Ich-Erfahrungen transzendieren möchte, dem lege ich das Gebiet luzider Träume nah, da bin ich wirklich Spezialist und kein Amateur. Und, tja, für den Winter habe ich mir ein feines Taschenbuch zugelegt, ideal auch für Zeitreise-Freaks, die mal ernstmachen, und sich gepflegt „abschiessen“ wollen mit einem Stück Weltliteratur (als solche wird es jedenfalls gehandelt): Tom Wolfe – The Electric Kool-Aid Acid Test. Habe ich nie gelesen, und jetzt einen ganz anderen Blick darauf!
2018 4 Dez
Mein fesselndstes Sachbuch 2019
von: Michael Engelbrecht Filed under: Blog | TB | 6 Comments
6 Comments
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Michael Engelbrecht:
Pressetext:
Verändere dein Bewusstsein ist die faszinierende Erkundung der neuen Forschung zu Psychedelika wie LSD und Psilocybin, in der die ›neurale Korrellation‹ von mystischer und spiritueller Erfahrung und die Mechanismen von weit verbreiteten mentalen Krankheiten wie Depression, Sucht und Obsessionen untersucht werden. Und ein großartiger Reisebericht von der Geschichte und der Wirkung psychedelischer Substanzen.
In den 50er und 60er Jahren wurden psychedelische Substanzen von Psychiatern als Wundermittel betrachtet, mit denen man psychische Erkrankungen beeinflussen und behandeln konnte. Als aber LSD und Psilocybin »aus dem Labor entkamen« und von der Gegenkultur vereinnahmt wurden, lösten sie moralische Panik und einen backlash aus. Das führte Anfang der 70er Jahre dazu, dass Psychedelika verboten wurden und die Forschung eingestellt wurde. Seit zehn Jahren wird dank engagierter Wissenschaftler, Aktivisten und Psychonauten wieder geforscht. Diese Forschung verändert unser Verständnis der Zusammenhänge zwischen dem Gehirn und dem Bewusstsein. Wissenschaftler beginnen, die »neurale Korrelation« von mystischer und spiritueller Erfahrung zu identifizieren und die Mechanismen, die bei so weit verbreiteten mentalen Erkrankungen wie Depressionen, Angstneurosen, Sucht und Obsessionen, aber auch bei ganz gewöhnlichem Unglücklichsein wirksam sind, besser zu verstehen. Michael Pollan erkundet diese aufregende Thematik auf zwei sich überkreuzenden Wegen, zum einen journalistisch und historisch, zum anderen persönlich. Durch das Vertiefen in wissenschaftliche Erkenntnis und in die Erfahrung veränderter Zustände des Bewusstseins gelingt es ihm, unser Verständnis von Geist und Selbst und unserem Platz in der Welt neu auszuloten.
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Michael Engelbrecht:
Das Buch erscheint in deutscher Übersetzung am 13. Februar bei Kunstmann.
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Martina Weber:
Es muss im Jahr 2012 gewesen sein, als ich einen beeindruckenden Dokumentarfilm über Timothy Leary und die LSD-Experimente im Kino sah. Ich habe etwas recherchiert, um den Titel zu finden.
Ich habe diesen Link zu einem Dokumentarfilm gefunden, den ich als Ergänzung zu dem Buch empfehlen kann, Timothy Leary: The Man Who Turned On America …
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Lajla Nizinski:
Ich frage mich, weshalb Menschen, die eh schon ein ziemlich erweitertes Bewusstsein besitzen, zu LSD greifen. Ich bewundere sie aber auch.
Mich würde interessieren, ob in diesem Buch Stanislav Grof erwähnt wird. Er hatte ja, trotz Verbot, weiterhin LSD für Therapiezwecke eingesetzt.
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Michael Engelbrecht:
Herr Grov wird erwähnt. Nicht nur ganz am Rande:)
LSD ist, klug eingesetzt, das weiss ich jetzt, ein enormes Therapeutikum in bestimmten Bereichen, und enthält jede Menge Ressourcen für die Erweiterung des Horizonts, im besten Sinne. Die Dämonisierung von LSD ist Teil einer reaktionären Politik gewesen. Klar ist auch, wenn ein Idiot LSD nimmt, bleibt er ein Idiot. Es geht immer um den intelligenten Einsatz von Potentialen. In Gewohnheiten gefangen zu sein, das passiert zu leicht.
Und wenn etwas wegfällt, out of the blue, or slowly, slowly, heisst es neue Türen zu finden.
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Michael Engelbrecht:
Das Gute ist auch, es ist ja ein Sachbuch, aber … das feine Paradox: man liest hier Geschichten, die glaubt man fast nicht, und doch ahnt, ja, weiss man, sie sind wohl war, und damit meine ich nicht die halluzinierten Welten. That‘s only part of the stories.