Manafonistas

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Archives: November 2018

2018 24 Nov

Yokohama Flowers

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Der wahlaustralische Pianist Erik Griswold hat sein aktuelles Werk nach Yokohama Flowers, einem Super-8-Film der experimentellen Filmemacherin Louise Curham benannt und bezieht sich dabei auf das subtile und komplexe Aufeinanderschichten von Klängen und Klangebenen, die er überwiegend mit präpariertem Piano aufgenommen hat. Schon 2015 hat er mit Pain Avoidance Machine in sehr beeindruckender Weise gezeigt, dass das Erbe John Cage’s sehr vielseitig verwaltet werden kann. Klaviere zu präparieren hat mich schon früh angefangen zu interessieren, weil da aus diesem wunderbaren bildungsbürgerlichen Instrument mit wenigen Handgriffen etwas ganz exotisches, vielleicht ein Gamelan-Orchester, ein entgleistes Bar-Piano, ein surreales Percussionisten-Ensemble oder ein bizarr schnarrendes Basswerk entstehen kann. Was John Cage für die Musik des 20. Jahrhunderts einigermaßen hoffähig gemacht hat, hat unzählige Pianisten inspiriert diese Stücke nicht nur nachzuspielen, sondern ganz eigene Wege und Stile mit Klavierpräparationen zu entwickeln. Stavros Gasparatos und Hauschka seien hier als wunderbare und hörenswerte Beispiele genannt. Erik Griswold beschreibt seine Grundhaltung so:

 

„My works focus on layering of rhythms, textures and ideas. I’m interested in hybrid sound combinations and unusual intersections at the margins of music and sound making – the places where one discipline, genre, or resonance merges into another. These notions manifest themselves in musical structures (polyrhythm), altered or re-purposed sound sources (prepared piano), unexpected convergences of musical styles, or experimental hybrids of improvised and notated music.“

 
Dabei arbeitet er für jedes Stück eine spezielle Präparation heraus und setzt sie trennscharf ein, wobei es ihm fast spielerisch gelingt dabei dennoch ein homogenes Album daraus zu schaffen. Mit jedem Stück wartet eine kleine Überraschung auf, tritt eine Steigerung des tranceartigen Bogens ein, der das ganze Album überspannt.
 

„There’s a mystical aura surrounding my old piano. I imagine the 19th century workshop in which it was hand-crafted and the German parlours in which it played Bach, Beethoven, Debussy, Satie, or Joplin. I imagine its journey from Stuttgart, by ship to Sydney harbour, and overland to the semi-tropical heat of Brisbane. Playing it I feel connected to its 131 years of history – the people, places and music that have come before.

The beautiful, hand treated super 8 films of Louise Curham are a perfect visual counterpoint to my music. In her Yokohama Flowers, a sense of fragility, intimacy and nostalgia emerges from the superposition of location footage with delicately hand-drawn and painted layers. Her method closely mirrors my own, which combines tactile exploration at the piano keyboard with layering of foreign materials (preparations) onto the strings. By altering and repurposing old technologies in this way, it is as if we are squeezing the last drops of nectar out of these fading flowers.“

 
 


 

Auf falk.de klicke ich auf den Routenplaner, ich tippe bei A) ein: München, und bei B) Paris. Dann klicke ich das Symbol für „zu Fuß“ an. Es sind 774 Kilometer. Die Reisedauer beträgt 6 Tage, 15 Stunden und 50 Minuten. Es sind also rund 160 Stunden Fußweg und dabei wird, ich rechnete es mit dem Taschenrechner aus, eine zurückzulegende Strecke von 4,8375 km pro Stunde angenommen. Ich klicke auf die Details zur Route, und wie erwartet erhalte ich genaue Informationen, mit Minuten- und Streckenangaben, Ortsnamen, Straßennamen und Himmelsrichtungen. Mit einem Smartphone (und einer Powerbox zur Stromversorgung) wird das Abenteuer berechenbar. Exakt heute vor 44 Jahren brach Werner Herzog von München nach Paris auf, zu Fuß. Er trug einen Anorak, neue Stiefel, einen Matchsack und den Kompass, den er bei den Dreharbeiten zu seinem Film Fata Morgana in der Sahara dabeihatte. Die Landkarte München konnte er nur zwei Tage lang verwenden, dann ging er einfach immer Richtung Westen, möglichst eine gerade Linie. München und Paris liegen auf dem gleichen Breitengrad, dem achtundvierzigsten. Die Reise hatte ein spirituelles Ziel. Lotte Eisner, Filmhistorikerin, Filmkritikerin und Mentorin junger deutscher Filmemacher in den 60er Jahren, war damals 78 Jahre alt und schwer erkrankt und Herzog war davon überzeugt: Wenn er den Weg nach Paris schaffen würde, wäre sie noch am Leben. Werner Herzog wanderte querfeldein, Erdbrocken klebten schwer an seinen Sohlen, meist schlief er in leerstehenden Behausungen, deren Türen er aufbrach, er trank aus Bächen, litt  Hunger und Durst, seine Füße schmerzten, er hatte weder Taschenlampe noch Heftpflaster dabei, da war der Niesel, der Schnee, ständig Regen, es gab Krähen, Kraniche, überall Mäuse und einmal einen irre gewordener Fasan, und oft liefen Menschen vor dem Wanderer, der bald nicht mehr wusste, wie er denn aussah, davon. Einmal schrieb er, der Gedanke ans Skispringen gäbe ihm Kraft zum Weitergehen und ich erinnerte mich an die Dokumentation über den Bildschnitzer und Skispringer Steiner auf der DVD mit dem Film Fata Morgana. Sehr stark sind die surrealen Passagen, in denen Herzog die Kontrolle über den Text völlig aufzugeben scheint und die Vielschichtigkeit einer Landschaft spürbar wird, deren Geschichte immer noch präsent sind, wenn man nur innehält und schaut und hinhört. An jedem Tag seiner Wanderung schrieb Herzog einige Seiten in ein Notizbuch, das vier Jahre später unter dem Titel „Vom Gehen im Eis. München – Paris 23.11. bis 14.12.1974“ publiziert wurde. Starke Details und Bilder, poetisch geschrieben, existenziell. Ein tief beeindruckendes Dokument einer Landschaftserfahrung und einer Grenzerfahrung der Einsamkeit, der Verzweiflung und Hoffnung.

2018 22 Nov

Favoriten 2018

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  1. Thom Yorke: Suspiria – Music For The Lucca Guadagnino Film
  2. Max Richter: Werk Ohne Autor (Never Look Away)
  3. Paul McCartney: Egypt Station
  4. Bill Frisell: Music IS
  5. Jean Michel Jarre: Equinoxe Infinity
  6. Herbert Grönemeyer: Tumult
  7. Charles Lloyd & The Marvels w/ Lucinda Williams: Vanished Gardens
  8. Clueso: Handgepäck I
  9. Klaus Hoffmann: Aquamarin
  10. Ry Cooder: The Prodigal Son

 

Und nun noch eine Liste, die über die Schallplatten Auskunft gibt, die in den Jukeboxen meiner Kneipiers im Jahr 2018 am häufigsten gedrückt wurden. Wie ich an dieser Stelle schon mehrfach erläutert habe, bin ich auf die Aussagen meiner Jukeboxpächter angewiesen. Es gibt deshalb auch keine Platzierungen, sondern nur mehr oder weniger gleichwertige Nennungen. Interessant dieses Jahr: Neil Young ist schon wieder vertreten, auch Ray Davis ist ein weiteres Mal anzutreffen, ebenso Father John Misty und Willie Nelson. Nach dem neuen Album von Van Morrison The Prophet Speaks wird schon heftig nachgefragt, erscheint aber erst am 7. Dezember, ebenso wartet man ungeduldig auf Warm von Jeff Tweedy (VÖ: 30.11.18.) Die ersten fünf Platten, die ich hier nennen möchte, sind gleich mit jeweils zwei Auskoppelungen vertreten. In der folgenden Auflistung wird/werden zunächst der/die Musiker genannt, dann der Schallplattentitel und am Schluss das Musikstück.

 
 

Ray Davies – Our Country: Americana Act 2 – „Empty Room / The Big Guy“

EelsDeconstruction – „Premonition / Today Is The Day“

Graham Nash – Over The Years – „Marrakesh Express / Chicago-We Can Change The World“ (Die Mehrzahl der auf dieser Doppel-CD/LP enthaltenen Stücke sind remastered, sonst wäre diese Platte aber ganz sicher in den Top Twenty)

Paul McCartney Egypt Station – „Come on to me / Fuh You“

Neil Young Roxy: Tonight’s The Night Live – „Tonight’s The Night / Mellow My Mind“

BombinoDeran – „Imajghane (The Tuareg People)“

Anna BurchQuit the Curse – „Tea-Soaked Letter“

David Byrne – American Utopia – „I Dance Like This“

Yo La Tengo – Here’s A Riot Going On – „Shades Of Blue“

Dead Horses – My Mother The Moon – „Turntable“

 
 
 

 
 
 

Cat PowerWanderer – „Robbin Hood“

Special ExplosionTo Infinity – „Fire“

SYMLWhere´s my love – „Where´s my love“

Bob DylanMore Blood, More Tracks – The Bootleg Series Vol.14 – „Tangled up in Blue“

Say Sue MeWhere We Were Togehter „Old Town“ (Radio Edit)

The Voidz – Virtue – „Leave it in my dreams“

LulucSculptor – „Heist“

MattielMattiel – „Bye, bye“

The Good The Bad & The QueenMerrie Land – „Merrie Land“

Father John MistyGod´s Favorite Custumer – „God´s Favorite Customer“

Willie NelsonMy Way – „My Way“

Brandi CarlileBy The Way, I Forgive You – „The Mother“

KhruangbinCon Todo El Mundo – „A Hymn“

 

2018 22 Nov

The Legendary Master Drummers Of Burundi

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Bereits in den 90er Jahren zeigte sich Peter Gabriel tief beeindruckt von der legendären Trommlertruppe aus Makebuko in Burundi und produzierte ihr bislang einzigstes Album. Grund genug mir die 12-köpfige Gruppe einmal live anzuschauen. Ein Ereignis, dass allerdings schnell alle möglichen Vorstellungen vorab ad absurdum führen sollte, da eine solch aussergewöhnliche Performance nicht in Klangkonserven eingefangen werden kann.

Aber ganz von vorne: wahrscheinlich konnte sich der Veranstalter auch nicht recht vorstellen, was da auf die Zuhörer (was nur sehr eingeschränkt den Erfahrungsweg wiedergibt) zukommen würde und hat die Halle einfühlsam bestuhlt. Ok, dann halt hinsetzen. Zunächst kommt eine kleine Vorgruppe mit dem tansanischen Percussionisten Mohamad Twaba und dem Jazzgitarristen Tilmann Höhn, die bereits bei dem ersten Stück die Grenzen zwischen afrikanischer Folklore und fast Steve Reich-artiger Minimal Music ekstatisch verschwimmen lassen und einen wirklich furiosen Einstieg liefern. Auch die folgenden Improvisationen sind von großer atmosphärischer Dichte und Sensibilität geprägt und liefern einen wunderbaren Einstieg in das folgende Spektakel.

Die Bühne ist leer und aus dem Off kommen die ersten mächtigen Schläge, die sich schnell zu einem treibenden Grundrhythmus verdichten. Dann kommen zehn Musiker mit riesigen Holztrommeln auf dem Kopf auf die Bühne, zwei tanzen theatralisch um sie herum. Dann werden die Trommeln abgesetzt und ein wahrhaftiges Rhythmusinferno bricht los. Auf einen simplen Grundrhythmus kommen brachiale Impulse, die jeweils einer der wechselnden Vortrommler anstößt und die dann schnell eine komplexe rhythmische Struktur entwickeln, die mit einer unfassbaren Wucht wie ein akustischer Tsunami über die Zuschauer, Zuhörer, humanoide Resonanzkörper hinwegfegt. Eine unkontrollierbare Naturgewalt. Can you feel the music in your pelvis? Music? Nein, rituelle Schlagfolgen aus einer ganz archaischen Welt, in die immer wieder unglaubliche Soli nach ganz alten, festgelegten Mustern hereinbrechen. Und Kondition haben die Batimbos, die bevor sie zu schwächeln anfangen, von einem der gerade Tanzenden abgelöst werden, um sich sogleich zu neuen Höhen hinaufzutreiben. Ekstatisch und brachial. Dagegen wirkt alles, was ich bisher an Percussionensembles gesehen habe wie ein Auftritt einer musikalischen Frühförderungsgruppe. Und immer wieder neue heftigste synkopische Vertracktheiten, die direkt den Unterleib aufwühlen und den Kopf einfach aussen vor lassen und instantan wie ein gigantischer Strudel eine Trance erzeugen, die die Urgewalten aus der Zeit und der Region, in der die Menschheit wohl ihren Ursprung hat wie in einen einzigen Augenblick in das Bewusstsein katapultiert. Sensationell.

2018 19 Nov

Drive

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Ich mag Geschichten, die zu Entdeckungen von Büchern, Filmen, Schallplatten etc. führen, und deshalb erzähle ich diese: Irgendwann fiel mir auf, wie faszinierend Los Angeles als Filmkulisse ist – erwähnen möchte ich hier nur zwei Filme mit starken Hauptdarstellerinnen: Mulholland Drive (von David Lynch) und Starlet (von Sean Baker), und während ich daran dachte, gezielt nach Filmen zu suchen, die in L.A. spielen und ein bisschen recherchierte, entdeckte ich das Buch „Orte des Kinos. Los Angeles. Eine Stadt als Filmkulisse“ von Wolf Jahnke und Michael Scholten. In der etwas reißerisch verfassten Kurzbiographie von Wolf Jahnke wurde u.a. der Film „Drive“ als einer erwähnt, mit dem Jahnke sich gern nach L.A. versetzt. Ich recherchierte dann nur so viel, bis ich folgende Informationen hatte: 1. Driver, die Hauptfigur, arbeitet in einer Autowerkstatt, und außerdem als Stuntman. 2. Die Musik ist cool. 3. Fantastische Aufnahmen von L.A. und 4. Es handelt sich um einen harten, unterkühlten Gangsterthriller. Nr. 4 überlesend bestellte ich den Film und habe ihn innerhalb weniger Tage zwei Mal gesehen.

Selbstverständlich gibt es hier keine Nacherzählung des plots. Ich möchte nur den Blick auf wenige innere Mechanismen lenken. Driver, die Hauptfigur, hat noch einen weiteren Nebenjob: als Fluchtwagenfahrer (get-away-driver). Es gibt drei Autoverfolgungsjagden, und jede ist auf andere Art mit der Psychologie des Fahrers verknüpft, und dies macht sie interessant. Der Regisseur, Nicolas Winding Refn, hat keinen Führerschein, was ihn vielleicht zu einem anderen Blick auf Automobile befähigt. Ich habe mir die Interviews mit Cast & Crew angehört, alle erzählten etwas über den Charakter, den sie spielten, nur Ryan Gosling, der den Driver spielt, wollte die Hintergrundgeschichte, die er zu seiner Figur entwickelt hat, lieber für sich behalten. Der Charakter des Fahrers ist der spannendste Aspekt in dem Film. Und, ungewöhnlich für einen Gangsterthriller, ein gelegentliches Abgleiten in Traumlogik. Die Bildübergänge (cuts) sind fantastisch gelungen. Übrigens spielt auch die rothaarige Chefsekretärin aus Mad Men mit. Man sollte sich hier allerdings auf einen klassischen boyz flick einstellen, in dem Frauen entweder heilig, naiv oder nackt sind. Es gibt nur eine Lady, die einen coolen Auftritt hinlegen darf, und der dauert nur ein paar Sekunden.

Immer wieder blitzt feiner Humor in den Dialogen auf. Da wird Driver nach einer atemberaubenden Vorführfahrt mit einem potenziellen Geschäftspartner bekannt gemacht und er zögert, ihm die Hand zu reichen. My hands are dirty, sagt er. Und der andere entgegnet: So are mine.

 
 

 
 

 

01. Joni Mitchell – Both sides now

02. Neil Young – Roxy tonite is the night

03. John Lennon -Julia 

04. Cat Power – Wanderer

05. Sly & Robbie meet Nils Petter Molvær – Nordub

06. Hilde Marie Holsen – Lazuli

07. Brian Eno – Installations

08. Muthspiel – Where the river goes

09. Trygve Seim – Helsinki songs

10. Mikko Innanen / Daniel Sommer – Duets

11. Art Ensemble of Chicago

12. Trilok Gurtu Solo

13. Peter Treichler –  Campane tibetane

14. Luigi Battisti –  Hegel

15. Nuova Campagna – Di Canto Popolare

16. Sergio Cammamiere – Mano Nella Mano

17. David Byrne – American Utopia

18. Funny van Dannen – Uruguay

19. Veli Kujala – Paganini Variationen

20. and forever Anton Bruckner Symphony Nr.9

 

 

 
 

Dick Francis, „Forfeit“

Originalausgabe, 1968 (Michael Joseph Ltd.)

deutsche Erstausgabe: 1979 (Ullstein)
„Jede Wette auf Mord“

Gelesene Ausgabe: 1994 (Diogenes)
„Hilflos“

 

zu 1) Schnellblätterig

Nun ist es doch das Buch „Hilflos“ geworden, das Ich zur Manafonistas-Parallellese-Rennbahn führe. Dabei ist der Titel der deutschen Ausgabe nicht ganz treffend übersetzt. Immerhin hält der Diogenes-Verlag aber die Eigenart des Autors bei, jeden seiner Kriminalromane mit nur einem Wort zu betiteln. Dass dies hier ausgerechnet „hilflos“ ist, bestätigt meine These, dass es sich um ein archetypisches Geschehen handelt. Manch eine*r meiner drei Leser*innen wird sich an das fortwährende Auftauchen von „hilflos“ in Zürich erinnern. Hier ist es vermutlich bezogen auf die Hilflosigkeit der lungenkranken Ehefrau des Protagonisten, die er vor den Bösen in Sicherheit bringt, und auf seine eigene Befindlichkeit, nachdem er von ihnen mit Whisky abgefüllt worden war. Diese Szenen sowie eine Cobra-taugliche Autoverfolgungsjagd mit einem Pferdeanhänger machen diese Seiten zu den schnellstgeblätterten des ganzen Buches.

 

zu 2) Verfilmt

Regie: John Cassavates (er kennt sich mit Buchmachern, Gangstern und kranken Ehefrauen aus)

Hauptdarsteller (Sportreporter, Ich-Erzähler): Jürgen Vogel (dem ein Hollywood-Erfolg zu wünschen ist).

Filmmusik: an leisen Stellen das Quatuor Ebene (was vielleicht etwas zu snobby ist auf der Rennstrecke). Bei der kranken Ehefrau fällt mir gemeinerweise Dennis Hopper und Blue Velvet ein… Und als Titelmusik ist wegen der 2 gallopierenden Schlagzeuger „Shake Stew“ bestens geeignet; die Band des österreichischen Bassisten Lukas Kranzelbinder steht auch schon auf meiner diesjährigen Novemberliste.

 

zu 3) Hingeguckt

Das Buch ist unkompliziert und kann eigentlich überall gelesen werden. Da es klar geschrieben ist und immer schön chronologisch bleibt, kann man rasch zwischen Buchwelt und Blick über die Zugestiegenen in der U-Bahn hin und her zappen. An den Strand würde ich es nicht mitnehmen. Die anorektischen Gäule auf den nahezu 40 Buchtitelseiten wirken eher abschreckend als kontaktfördernd.

 

zu 4) Serienreif

Man könnte auch sagen, Francis habe die Eigenart, aus jedem bestimmten Sachgebiet eine Pferdegeschichte zu machen, den Ponyhofserien und Wendyromanen nicht unähnlich. Die Kritik ist allerdings unpassend: wer einen Tony-Hillerman-Krimi kauft, darf sich auch nicht beklagen, wenn Indianer darin vorkommen.

 

zu 5) Verwurstet

Lasagne auf der Speisekarte kommt bei Pferdefreunden nicht so gut an. Ich belasse es bei ein paar Käsecrackern mit den letzten Flaschen englischen Weines und wende mich der Tafelmusik zu. Was wir am Essen gespart haben, kommt der Musik zugute. Zugesagt hat die britischte aller britischten Sängerinnen: Anne Clark! Die Pferde fliehen in die umliegenden Wälder.

 

zu 6) Experte

Zwischen der amerikanischen Wettmafia und den englischen Kleinkriminellen liegen Welten. Aber es verändert sich viel hinter dem Rücken der Pferde; statt dem Glück der Erde findet man immer mehr und immer schlimmere Intrigen und Verbrechen. Als Experte der aktuellen Equikriminalistik habe ich den kalifornischen Journalisten und Cassavetes-Biographen Michael Ventura eingeladen, der sich im Buchmacher-Milieu ebenso auskennt wie in der Arbeitswelt der (Sport-)Journalisten.

Literatur-Hinweis: „If I was a Highway – Essays“.

 

zu 7) Klassisch

Der Roman ist altmodisch und deshalb zeitlos. Die Geschichte ist schon 100 x erzählt worden: ein Journalist deckt einen Wettskandal auf (in die TV-Tagesschau gelangt war diese Woche der SC Brügge wegen des Verdachts auf Wettbetrug) und bringt damit seine Familie in Gefahr. Das ist nett und solide erzählt. Nur der Pferde sind es mir zu viele, vor allem wenn ihr Lebenszweck darin besteht, jedes Wochenende im Kreis um die Wette zu laufen. Mit einem richtigen Pferd galoppiert man fast and furyous dem Abenteuer oder wenigstens der Sonne entgegen!

 

zu 8) Leseplan

Hier wartet schon etwas länger (dt. 2005) ein Taschenbuch mit den Maßen eines Ziegelsteines: „Ich bin Charlotte Simmons“ von Tom Wolfe. Sich auf Charlotte einzulassen heißt, auf absehbare Zeit nicht 5 andere Bücher mit zusammen rund 1000 Seiten zu lesen. Gelohnt hat sich das bei Tom Wolfe immer. Er ist ein Meister mit leiser Ironie erzählter, sich anschleichender Katastrophen. Für Sherman fängt das Fegefeuer der Eitelkeiten mit einer Panne beim Telefonieren an – zu spät merkt er, dass er am Telefon seine Freundin mit seiner Ehefrau verwechselt hat. Im Kuba-Exilanten-Miami (Back to Blood, 2012) erlebt ein junger Polizist, wie er vom Helden zum geächteten Verräter und von der Familie verstoßen wird, ohne dass er weiß, wie ihm geschieht. Es gibt Gemeinsames zwischen Francis und Wolfe: beide haben auch als Journalisten gearbeitet und das Pressemilieu beschrieben. Tom Wolfe’s erstes Buch hieß „The Kandy-Kolored Tangerine-Flaked Streamline Baby“. Das wäre ein schöner Name für ein Rennpferd.

 

 

 


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