„Leben ist üben. Wer nicht übt, ist tot.“ (P. Sloterdijk)
And though the earth may tremble and our fondations crack
We will all assemble and we will build them back
happy birthday Jackson Browne
Nach der Magical Mystery Tour in Liverpool hatte ich vor, an der Music Tour in Düsseldorf teilzunehmen. Als ich las, dass Rudi Esch der Veranstalter ist, winkte ich ab. Der Electri_City Manager und Buchautor hatte Brian Eno zu seinem Event am kommenden Samstag eingeladen, dann wieder ausgeladen, dann ein Foto mit dem „verständnisvollen“ Brian Eno in London auf seiner Website hochgeladen. Wie dumpfbackig ist das denn!
Ich dachte über die beiden Städte nach. Woher kommt die Innovationsbereitschaft von Liverpool und Düsseldorf, woraus ist der Humus, auf dem musikalische Lokalhelden der Tourismusindustrie zum Wachstum verhelfen?
Aus Liverpool kommend wurde mir mal wieder klar, in welcher clublosen Stadt ich lebe. Wohin gehen, wenn man tanzen, singen, lachen will? Das fröhliche Treiben in den Pubs und Clubs in Liverpool ist für mich soulfood. Ich habe immer eine Clubszene in Düsseldorf vermisst. Das Frische, Freche, Frohe, das Beatles Fans in aller Welt bis zur Ohnmacht trieb, ist in Liverpool auch heutzutage fühlbar. In den alterslosen Clubs wird viel gelacht, geneckt, gejoked. Was für eine soziale Nähe.
Als Brian Epstein 1961 in einem seiner beiden Plattenläden gefragt wurde „Verkaufen Sie auch Beatles Platten?“, war schnell klar, dass er sie managen würde. Sein Wohlstand war natürlich für the poor four attraktiv. Das Geld war auf dem Liverpooler Humus eine karrieretreibende Kraft. Der Cavern das Gewächshaus. Die Freundschaft der Beatles untereinander, die gemeinsamen Themen: Musik, Schalk, Staunen auf das Neue sind aber meiner Ansicht nach ausschlagebend für ihren unvergesslichen Ruhm. Das heutige Liverpool mit seiner rising creative class, seinem Enthusiasmus für Fussball, seinen wieder entdeckten Musikern und seinen neuen macht eine Mischung aus, die das Marketing und die Tourismusindustrie befördern.
Wie gelang es bloß Kraftwerk, die Musikszene in Düsseldorf so zu revolutionieren? Auffallend im Vergleich der beiden Städte ist der hohe Stellenwert der Kunst vor Ort. Düsseldorf hat seit 1945 eine weltberühmte Kunstakademie. Große Architekten (Hentrich) bauten hier in die Höhe. Das freigiebige Mäzenatentum aus der Industrie (Henkel) hat hier Tradition. In den 80er Jahren saßen die besten Innovationsköpfe an der Heinrich Heine Universität (Frank, Hörisch). Die kühle Elektronik von Kraftwerk ist sicher auf diesem heimischen Humus gewachsen. Als der berühmte Galerist Hans Mayer seine neue Galerie am Grabbeplatz einweihte, gab Kraftwerk dort ein zwanzigminütiges Konzert.
Sie treten im elitären exklusiven Dunst auf, und verschwinden nach ihrem kühlen Musikauftritt. Welch Unterschied zu Paul McCartney, der in einen heimischen Club schlendert und den Kontakt zu seinen Fans hält. Oder Ringo, auch wenn er in Liverpool auf einem Dach spielt. Boys, was würde ich dafür geben, sein bubenhaftes Lachen zu sehen. Kraftwerk ist halt doch eine Musikmaschine. Ich glaube nicht, dass Kraftwerk als lokale Identität im neuen Marketing Konzept von Düsseldorf eine effiziente Rolle spielen kann. Auch nicht die Toten Hosen, auch nicht Krautrock. Die Düsseldorfer pilgern nicht zu deren Orten, weil sie nicht mehr lebendig sind. Und die junge Musikszene spielt sich nicht in Düsseldorf ab, sondern in Köln, Lüttich oder Amsterdam. Dort hat der DJ das Sagen.