Manafonistas

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2018 21 Jul

Kleines Gespräch

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Was hat dich in den letzten Tagen besonders gefreut? Dass es einen Band mit „selected lyrics“ geben wird von Robert Wyatt und Alfie Benge. Sicher mit vielen Bildern von Alfie. Noch andere Helden von einst, die sich gemeldet haben? Green Gartside. Green ist Scritti Politti. Und nach so vielen Jahren ist sein erstes Lebenszeichen eine Single mit englischem Folk. Zwei Coverversionen. Ein Eremit. Welche Schallplatte hast du zuletzt aufgelegt? „Hether Blether“ von Erland Cooper. Wenn ich das Album höre, weiss ich seltsamerweise, warum mir amerikanischer Hip-Hop gestohlen bleiben kann. Du redest bislang nur von Engländern. Wohl, weil mir die Themenstunde der nächsten Radionacht durch den Kopf geht. Über die Dörfer im alten Britannien. The Unthanks. Darren Hayman. Hannah Peel. Will Burns. Richard Skelton. Und, bingo, Erland Cooper. Richard Skelton? Er spielt Cello, aber auf seiner letzten Arbeit gibt es nur Klänge tief aus der Erde. Gesteinsschichten, hunderttausend Jahre alt. No cello. Du liest gerade „Utopia Avenue“? Ja. Und wer taucht gerade auf in London, so um 1968 herum? Nina Simone. Elf war schwer beeindruckt. Die linke Hand spielte Blues, die rechte Bach. Und ich spiele in der nächsten  Nacht einen Song von ihr, der so absolut grossartig und ergreifend ist. Von der Stimmung hat er mich an Robert Wyatts Album „Rock Bottom“ erinnert. Und das fand ich wirklich seltsam. Und doch, es gibt ein gemeinsames Thema, zwischen dem Song und dem Album. Gebrochene Flügel.

Ich habe ja schon einiges von dem am 21. Februar 1962 in Ithaca, New York geborenen David Foster Wallace († 12. September 2008 in Claremont, Kalifornien) gelesen, selten aber hatte ich so viel Freude wie bei der Lektüre des kleinen Büchleins “Schrecklich Amüsant – Aber in Zukunft ohne mich“. Bereits 1996 veröffentlichte Wallace diesen Bericht über eine siebentägige Karibik-Kreuzfahrt in Harper´s Magazine, 1997 dann als Buch unter dem Titel “Shipping Out“. In Deutschland konnte man das Buch erstmals 2002 in der marebibliothek lesen. Und nun, 2018, publiziert die Büchergilde das Werk wunderschön illustriert von Chrigel Farner.

 

 

 

 

 

Das Buch habe ich mir gekauft, weil ich dieses kleine Werk von Wallace noch nicht kannte und habe es gelesen, als sei es erst 2018 als Erstausgabe, quasi posthum, erschienen. Inzwischen gibt es ja, was Kreuzfahrten angeht, einen regelrechten Hype, für mich vollkommen unverständlich, nie würde ich mich auf derartiges einlassen. Anyway, die 1996 erstmals in einer Zeitschrift veröffentlichte Reportage liest sich jedenfalls wie ein aktuelle Bericht aus dieser Szene. Und da kommt man als Unwissender aus dem Staunen nicht heraus, man hält das, was man hier erfährt, für unfassbar, alles wird sehr realistisch beschrieben, aber eben in einer höchst originellen Sprache – vor allem sollte man die zahlreichen Fußnoten keinesfalls auslassen, man bringt sich um mindestens 50% des Lesevergnügens. Denn Wallace wäre nicht David Foster Wallace, wenn diese Geschichte nicht unglaublich unterhaltsam geschrieben wäre und dennoch bitterernst gemeint ist; seine Erzählungen enthalten nämlich auch beißende Kritik. Ein paar Zitate mögen den Leser dazu bewegen, sich das Buch noch heute zuzulegen.

D.F. Wallace befindet sich also im Frühjahr 1995 auf einem 47255-Tonnen-Schiff der Celebrity Cruises Inc. namens Zenith, wobei sich unser Autor nicht verkneifen kann, den Kahn in Zukunft Nadir zu nennen. 1,2 Crewmitglieder, die ständig strahlen müssen und die Wünsche ihrer Passagiere schon zu erfüllen haben, bevor sie überhaupt geäußert wurden, betreuen zwei Passagiere.

Eine Fußnote sei zitiert: „In unbeobachteten Momenten hatten die Service-Mitarbeiter diesen geschundenen, übermüdeten Ausdruck im Gesicht, wie man ihn auch aus anderen Niedriglohnjobs kennt. Dazu die ständige Angst, wie mir schien, schon für die kleinste Nachlässigkeit gefeuert zu werden, was nicht nur einen hochglanzpolierten griechischen Offiziersfußtritt beinhalten mochte, sondern auch die Gelegenheit, in karibischen Gewässern den Fahrtenschwimmer nachzuholen.“

Eine weitere Fußnote beschäftigt sich mit dem geschäftsmäßigem Dauerlächeln von Mitarbeitern nicht nur auf Kreuzfahrtschiffen: „Bin ich eigentlich der Einzige, der diesen Dauerbeschuss der guten Laune allmählich in die Verzweiflung treibt? Ist außer mir noch nie jemand auf die Idee gekommen, dass die zunehmende Zahl von vorher völlig unauffälligen Leuten, die in Shoppingmalls, Versicherungsbüros, Medizinzentren und McDonald`s-Filialen mit automatischen Waffen plötzlich um sich ballern, irgendwie mit der Tatsache zusammenhängt, dass dies die Hochburgen des Service-Lächelns sind?“

Einmal erzählt Wallace von einem Vortrag “Hinter den Kulissen: Lassen Sie sich von Cruise Director Scott Peterson auf den Arbeitsplatz Kreuzfahrtschiff entführen!“ und schreibt: „Scott Peterson, ein 39-jähriger Dauerlächler mit spröde abstehenden Haaren, kleinem Schnurrbart und dicker Rolex, Scott Peterson zählt zu jenen Menschen, für die weiße Turnschuhe (ohne Socken) und mintgrüne Lacoste-Shirts einst erfunden wurden. Für mich zählt er zu den unsympathischsten Nadir-Mitarbeitern überhaupt. … Ich schwöre, ich übertreibe nicht. Ein Sultan der Selbstdarstellung und so oberpeinlich, dass man schreiend hinauslaufen möchte.“

In den Werbetexten für diese Kreuzfahrt wird damit geworben endlich einmal DIE SEELE BAUMELN ZU LASSEN oder versprochen ENTSPANNUNG WIRD IHNEN ZUR ZWEITEN NATUR. Wenn man in die Suchmaschine seines Vertrauens diesen Satz, der in mir maßloses Grauen verursacht, eingibt, nämlich „Die Seele baumeln lassen“ plus das Stichwort „Kreuzfahrt“ nimmt man staunend zur Kenntnis, dass noch heute, vielleicht auch heute noch viel mehr als früher mit diesem furchtbaren Satz geworben wird. Die Zusammenhänge, in die dieser Satz gestellt wird, sind dann noch ganz speziell. Mit einem guten Glas Whisky lassen sich die Ergebnisse dieser Suchanfrage aber durchaus lesen.

Abschließend noch ein Zitat aus dieser köstlichen Wallace-Reportage, unser Autor beschreibt eine Toilette der Luxusklasse: „Sie haben übrigens richtig gehört: ein Unterdruck-Lokus. Aber wie schon bei der Lüftungsanlage in der Decke handelt es sich nicht um irgendwelchen Kinderkram, sondern sozusagen um die Vollversion, die große Lösung. Schon die Spülung verursacht ein kurzes, aber traumatisierendes Geräusch, ein Gurgeln in Höhe des dreigestrichenen C, wie ein gastrischer Tumult im kosmischen Maßstab, begleitend von knatternden Sauglauten, die angsteinflößend und tröstlich zugleich sind. Die eigenen Rückstände werden, so wird einem vermittelt, nicht nur einfach entfernt, sondern geradezu hinweg katapultiert, und das so vehement, dass sie buchstäblich wesenlos werden … Schon beinahe eine existenzielle Entsorgungsmethode.“

Großvater wir danken dir! So versuchte jedenfalls Loriot den Familiensegen bei den Hoppenstedts wieder in die Bahnen bürgerlicher Ordnung zu bringen. Wobei ich gerne und unumwunden zugeben will, dass auch mein Großvater mit einer sehr großzügigen Beteiligung einen zentralen Beitrag für die Anschaffung meines Klaviers leistete bzw. dies überhaupt erst möglich machte. Jetzt steht es mattschwarz und schon seit Jahren abbezahlt mir, während ich dies schreibe, gegenüber und läßt seine Basssaiten leise angesichts des heutigen Themas mitschwingen. Und natürlich kennt es die beiden Alben ganz genau von den kläglichen Anfängen bis hin zu dem Wohlklang, den mir günstigstenfalls zu erzeugen vergönnt war…

Als ich zum ersten Mal Sacred Hymns hörte, traf mich diese Musik in ihrer subtilen hypnotischen Wucht ungeheuerlich tief. Diese Auswahl von Stücken von Georges I. Gurdjieff, von Thomas De Hartmann für Klavier parallel in Echtzeit aus dem konzertanten Vorspiel Gurdjieffs selbst notiert und für Piano transkribiert, stellen eine ganz selbstverständlich klingende Melange aus orientalischen, asiatischen und rituellen Stücken mit europäischer Klassik dar, die in der asketischen und präzisen Interpretation Keith Jarretts mit großer Leichtigkeit innere Räume aufziehen. Räume, die neben ihrer melancholischen Dimension seelische Entwicklungsräume entfalten, was wahrscheinlich sogar Gurdjieffs hauptsächlichste Absicht darstellte, denn er spielte seine legendären Abendkonzerte im Schloss Prieuré des Basses Loges bei Paris seinen Zuhörern gewiss nicht zur bloßen Unterhaltung vor. Sein Ziel war vielmehr die harmonische Entwicklung des Menschen, was er zumindest mit seiner Musik bei mir, fast wie eine kleine Initiation, auch nach Jahrzehnten des Hörens noch bewirkt. Keine Frage, dass ich diese Stücke also auf dem Klavier spielen musste. Aber woher nehmen? Die Noten waren schon seit Jahrzehnten vergriffen und unbezahlbare Sammlerstücke. Und sich mit Keith Jarrett messen? Vermessen! So vergingen fast zwei Jahrzehnte bis sich endlich der Schott Verlag erbarmte und sämtliche von De Hartmann niedergeschriebenen Klavierstücke in vier Bänden wieder auflegte. Erlösung und Herausforderung zugleich über der aber bis heute eine ungeheure Faszination schwebt dieser frühen Weltmusik aus dem eigenen Urgrund etwas Leben einhauchen zu können. Keith Jarrett aber bleibt unerreicht, auch unter all den anderen Interpreten Gurdjieff’scher Musik, mit Ausnahme vielleicht von Elan Sicroff, der sich dieser Faszination auch vollständig ergeben hat.

Das Pendant dazu erschien nur wenige Jahre später: Children’s Songs von Chick Corea. Pendant, weil diese Musik leicht, fröhlich und ganz und gar nicht so schwermütig auf mich wirkte. Und einfach nicht so abgenutzt klassisch klang, da hier Jazzelemente und die ungeheure Improvisationserfahrung Corea’s in einfachen, aber sehr archaisch klingenden Pianostücken, daherkamen. Sie laden mich ein ihren inneren Weg zu erkunden, die Stimmungen, die Klarheit und die lichte Weite. Auch musste ich hier gar nicht lange auf die Noten warten, die sich aber erst mal als nicht so einfach herausstellten. Chick Corea ist halt schlichtweg ein wesentlich versierterer Pianist als es Gurdjieff als Autodidakt auf seinem Harmonium je war, was sich aber zum Glück nicht als unbewältigbar herausstellte: es sind ja schließlich Children’s Songs. 

Seitdem sind viele, viele Jahre vergangen. Beide Alben gehören immer noch zu meinen Lieblingspianoalben, beide berühren mich immer noch aufs Neue. Und es waren die letzten Stücke, die mich verführen konnten, sie nach Noten auf dem Klavier zu spielen. Danach zog es mich auf das offene Meer improvisierter Musik, weg von den Bastionen des Reproduzierbaren immer weiter hinaus mit der bis heute unstillbaren Sehnsucht Strukturen und Patterns zu zerschlagen, um mich einer vielleicht nicht selten verstörenden Schönheit des Augenblickes immer tiefer anzunähern. Aber so blieben Sacred Hymns und Children’s Songs das letzte Stückchen Festland vor den Aufbruch, Finisterre.

 
 
 
       
 

2018 18 Jul

Stuart Staples on „Rock Bottom“

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„What can I say about this album? Probably my number one Desert Island Disc. As it soothes and comforts, it challenges and turns my ideas about music upside down. It offers a unique vision and singular sense of melody that is always left to run wherever it wants to go, always unexpected. This was Wyatt’s first music after his accident, his partner Alfie was working in Venice on the Nick Roeg classic Don’t Look Now and they were staying together on the Amalfi coast. He was writing with a little keyboard for the first time. Robert’s writing on this album has taught me much about the humbleness of loving one person. Without the influence of this album I could not have written ‚Memories Of Love‘.“

 

 

 

 

Call me. Right foot starts, left foot follows. I walk and I walk. Genau genommen fahre ich. Auf der Autobahn nach Süden. Die Sonne brennt, halt richtig Sommer. Und aus den Lautsprechern kommt der relaxte, funkige Sound von Home Boy/Sister Out. Nach über 30 Jahren endlich wieder zu bekommen und das auch noch mit einigen feinen Extratracks. Paris 1985, Schmelzpunkt verschiedenster Kulturen und einer, der als der Weltmusiker schlechthin das schon immer alles zusammengeführt hat. Jazzig, funkig, voller Zitate und doch ganz eigenwillig. Vielleicht das im Unkonventionellen gefälligste Album von Don Cherry, in dem er clever Störungen des Jazz, Rhythmen von Afrika bis New York, Funk und ein bisschen Rap zusammenführt und dies mit der ihm eigenen sensiblen, sehr liebevollen Haltung und einem entspannten Spass am Spielen mit seinen Mitmusikern umsetzt. Und der ganz nebenbei mit Songs wie Treat your lady right der #MeToo-Debatte um Jahrzehnte voraus war. Wunderbare Musik für den Sommer, die Hitze flimmert auf der Straße vor mir, eine kleine Fata Morgana und auf einmal sitzt Don Cherry neben mir auf dem Beifahrersitz, fingert an seiner Pocket trumpet, die einst Boris Vian gehörte, herum, zwinkert mir zu und steigt ganz losgelöst in den ethnofuturistischen Groove ein.

I’m feeling good the way I should … für mich definitiv der Reissue des Monats!

2018 15 Jul

„That‘s me on guitar …“

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„That’s me on guitar, Steve Howe-style

I’m in the seventh grade, listening to The Yes Album

I love you, Steve Howe, you inspired me

Like how hopefully I’ll inspire others

I got a Gibson ES-175 Sunburst just like yours, down to the very year

Actually that’s not true, it’s a ’66, I wish it was a ’64

One day, I hope it will be hanging in the Mark Kozelek Museum

And maybe that crystal that I took from Jim Morrisson’s chandelier

Maybe postcards sent to my father from around the globe

I just gotta find a spot near my home

Or my other homes far away from home

Maybe Sweden, cause I believe I lived there in another life

Maybe further up northern California

Because my happiest memories were fishing up the coast

Maybe my birthplace, Massillon, Ohio, because that’s where it all began

I don’t know, but my guess is right here in San Francisco

If my legacy can afford it“

 

(excerpt from the lyrics of „The Mark Kozelek Museum“,

taken from the double album „Mark Kozelek“ by Mark Kozelek)

 

Gestern Abend stand sie auf der Bühne des Weltkunstzimmer, die schönste Übertreibung von Düsseldorf und meinte: „The only bad thing here is, that I can’t be in London while Trump is there.“ Dabei hob sie ein Bein und kickte mit ihrem white boot ins Publikum. Ich dachte kurz, oh no, nicht schon wieder diese Personalisierung, dann schaute ich auf ihre Plateaus und wurde neugierig, ob sie vielleicht „Emily’s list“ entsprungen ist und sich mit diesen Schuhen auf dem „Million Women March“ bewegt hat.

Diese kleine Sängerin aus London weiß sich geschickt zu präsentieren. Wo in Soho, an welcher Stange hat sie diese Körperbeherrschung geübt? Sie versteht alle Muskeln parallel zu den Tönen und Takten ihrer drei Bandmitglieder spielen zu lassen. Faszinierend wie sie auf den hohen Keilabsätzen festen Halt findet für ihre Schlangenwendungen und Michael Jackson Schritte. Singen kann sie alles. Beeindruckend wie sie Nina Hagen, Lene Lovich oder Janis Joplin covered. Sie hat eine Bluesstimme, kann Jazzmusikerin sein und Opernsängerin. Was ist Ihr Markenzeichen? Sie findet sich selbst im Tanz. Umwerfend, dass sie nicht umfällt :) Ihre Tanzperformance ist das beste, was ich auf einem Rock? Pop? Punk? Folk? Jazz? Konzert gesehen habe. Wie die Band heisst? Sie hat einen blöden Namen, erinnern sollte man sich an Barbarella.

 
 
 

 

 

Als Lajla neulich rundschrieb, es gäbe ein Porträt von Brian Eno, zur besten Sendezeit im DLF, lauschte ich also der, aus ca. zwanzig Begegnungen, altvertrauten Stimme, und dachte, dass, wenn Dinge sich im Kreis drehen, nicht immer Spannendes herauskommt. Brian ist sicher einer der intelligentesten Menschen, die ich je getroffen habe, aber (und da spinne ich Gedanken weiter, die in der Stunde gar nicht vorkamen), seine Vorträge kreisen seit 1988, und dem öffentlich geführten Essay über Parfüm, Haarfrisuren und andere Marginalien, die „cultural issues“ ins Visier nehmen, bevorzugt um dasgleiche (natürlich voller Variationen und ‚sidesteps’): wozu Kultur da ist, obwohl sie ja etwas sei, dass ein Luxusfeld jenseits des Notwendigen sei, wie wichtig das freie Spiel sei (und eigentlich landet man da bei jenen alten Hüten, die schon der Dichter Schiller in seinen Aufsätzen ins weite Feld der kulturellen Reflexion führte). Dann doch lieber jene Kreisläufe und Wandlungen, die Brians „Music for Installations“ zu einer wahren Schatztruhe machen. Dass solch systemische, funktionale Musik ihren eigenen Algorhythmen entkommt, und tiefe emotionale Schichten in Schwingung setzen kann, ist das feine Rätsel.

 

Einmal sagte der Autor, und da greife ich gerne korrigierend ein, Brian Enos frühe Werke seien gefloppt, sie hätten sich zu stark an tradierten Rockformaten orientiert – das ist natürlich Unsinn. Kommerziell waren „Here Come The Warm Jets“ und „Taking Tiger Mountain (By Strategy)“ sicher zu ihrer Zeit (der Fluch der Avantgarde) keine Reisser, aber sie gingen radikal und subversiv und extrem vielseitig mit der Formensprache der Rockmusik um – Klassiker, die von Generation zu Generation neue Hörer finden.

 

A propos „Zukunftssicherung“: manche Künstler, erzählte Brian Eno Marcel Anders, seien wegen des Geldes unterwegs, andere wegen den Ruhmes, und letzteres sei sein Motiv: er wolle in die Geschichtsbücher. Tja, als überzeugter Atheist wird Eno nicht die Fantasie haben, seiner Wirkungsgeschichte aus dem Jenseits entspannt zuzuschauen. So wohltuend Anerkennung zu Lebzeiten ist, scheint mir diese Sehnsucht nach anhaltender Berühmtheit seltsam kurz gegriffen, und auch flüchtig, trotz all der schon existierenden und noch folgenden Publikationen, Ehrungen, Jubiläen (hunderster Todestag etc.).

 

 

 

 

Hat er da weit genug gedacht, tief genug empfunden: geht es nicht letztlich in der Kunst darum, Verbundenheiten aufzuspüren mit dem „Ganz Anderen“, „Unbekannten“, vielleicht gar vergessenen Ursprüngen, statt einen Olymp zu besteigen, und den Applaus einer amorphen Menge zu empfangen; geht es nicht vor allem darum,  Menschen zu beglücken, zu bereichern, zu trösten,  ihnen neue Horizonte zu erschliessen, sie aus lang bewohnten Dachkammern zu locken?! Man könnte diese Liste der Wirkungsweisen von Kunst noch poetisch und sachdienlich verlängern – Ruhm und Anerkennung sind doch arg verkürzte Triebfedern. Und „Unsterblichkeit“, na ja. (Lassen Sie dazu kurz das Foto auf sich wirken – es stammt aus einer Installation des Meisters, den ich nur im Spass Meister nenne.) Die Verbundenheit von Allen mit Allen (eine Art  „archetypisches“ Kraftfeld) ist schon ein anderes Kaliber, und nicht  allein mystisches Gedankengut. Jeder ist „bedeutend“, jeder „Anonymus“. Lassen wir mal offen, ob das hinduistische Weisheit, Hobbymystik oder Post-Existenzialismus ist. So wie Brian das Ego in seiner Ambient Music zur Auflösung treibt, und zwar ziemlich radikal, so ist das Ego ohnehin eine Konstruktion des Geistes, und stete Quelle zahlloser kleiner Irrtümer. Sternenstaub trägt keine Signaturen.

 

2018 12 Jul

Jeff Bridges

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… der Manafonisten auf Sylt kam es zu einem heiteren Disput über den Philosophen Nietzsche. Dass er als Jugendbuchlektüre was hermacht, und angenehme Strandlektüre sein kann, belegt zumindest die folgende Anmerkung des Singer / Songwriters Mark Kozelek – wir erinnern gerne an eines seiner besten Alben, „Benji“, und freuen uns, dass sich auch ein berüchtigter Boxer Nietzsche in die Birne gehauen hat.

 

„I’ve been travelling over the last month and I’ve been bouncing back and forth between books during my travels. The first is called Iron Ambition: My Life With Cus D’Amato (Sphere) by Mike Tyson and Larry Sloman. I’m a fan of Cus D’Amato, who also trained world champions Floyd Patterson and José Torres. I’m also reading Nietzsche for the first time, partly because Cus had Mike reading Nietzsche at 15 years old. I’m halfway through Thus Spake Zarathustra (Wordsworth, translated by Thomas Common) and will admit I can’t make head or tail of some of it. I think the book is telling me to believe in myself, to think at a higher-than-average level, and to not get bogged down with petty things. Ideal holiday reading.“ (Mark Kozelek)

 


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