Als Lajla neulich rundschrieb, es gäbe ein Porträt von Brian Eno, zur besten Sendezeit im DLF, lauschte ich also der, aus ca. zwanzig Begegnungen, altvertrauten Stimme, und dachte, dass, wenn Dinge sich im Kreis drehen, nicht immer Spannendes herauskommt. Brian ist sicher einer der intelligentesten Menschen, die ich je getroffen habe, aber (und da spinne ich Gedanken weiter, die in der Stunde gar nicht vorkamen), seine Vorträge kreisen seit 1988, und dem öffentlich geführten Essay über Parfüm, Haarfrisuren und andere Marginalien, die „cultural issues“ ins Visier nehmen, bevorzugt um dasgleiche (natürlich voller Variationen und ‚sidesteps’): wozu Kultur da ist, obwohl sie ja etwas sei, dass ein Luxusfeld jenseits des Notwendigen sei, wie wichtig das freie Spiel sei (und eigentlich landet man da bei jenen alten Hüten, die schon der Dichter Schiller in seinen Aufsätzen ins weite Feld der kulturellen Reflexion führte). Dann doch lieber jene Kreisläufe und Wandlungen, die Brians „Music for Installations“ zu einer wahren Schatztruhe machen. Dass solch systemische, funktionale Musik ihren eigenen Algorhythmen entkommt, und tiefe emotionale Schichten in Schwingung setzen kann, ist das feine Rätsel.
Einmal sagte der Autor, und da greife ich gerne korrigierend ein, Brian Enos frühe Werke seien gefloppt, sie hätten sich zu stark an tradierten Rockformaten orientiert – das ist natürlich Unsinn. Kommerziell waren „Here Come The Warm Jets“ und „Taking Tiger Mountain (By Strategy)“ sicher zu ihrer Zeit (der Fluch der Avantgarde) keine Reisser, aber sie gingen radikal und subversiv und extrem vielseitig mit der Formensprache der Rockmusik um – Klassiker, die von Generation zu Generation neue Hörer finden.
A propos „Zukunftssicherung“: manche Künstler, erzählte Brian Eno Marcel Anders, seien wegen des Geldes unterwegs, andere wegen den Ruhmes, und letzteres sei sein Motiv: er wolle in die Geschichtsbücher. Tja, als überzeugter Atheist wird Eno nicht die Fantasie haben, seiner Wirkungsgeschichte aus dem Jenseits entspannt zuzuschauen. So wohltuend Anerkennung zu Lebzeiten ist, scheint mir diese Sehnsucht nach anhaltender Berühmtheit seltsam kurz gegriffen, und auch flüchtig, trotz all der schon existierenden und noch folgenden Publikationen, Ehrungen, Jubiläen (hunderster Todestag etc.).
Hat er da weit genug gedacht, tief genug empfunden: geht es nicht letztlich in der Kunst darum, Verbundenheiten aufzuspüren mit dem „Ganz Anderen“, „Unbekannten“, vielleicht gar vergessenen Ursprüngen, statt einen Olymp zu besteigen, und den Applaus einer amorphen Menge zu empfangen; geht es nicht vor allem darum, Menschen zu beglücken, zu bereichern, zu trösten, ihnen neue Horizonte zu erschliessen, sie aus lang bewohnten Dachkammern zu locken?! Man könnte diese Liste der Wirkungsweisen von Kunst noch poetisch und sachdienlich verlängern – Ruhm und Anerkennung sind doch arg verkürzte Triebfedern. Und „Unsterblichkeit“, na ja. (Lassen Sie dazu kurz das Foto auf sich wirken – es stammt aus einer Installation des Meisters, den ich nur im Spass Meister nenne.) Die Verbundenheit von Allen mit Allen (eine Art „archetypisches“ Kraftfeld) ist schon ein anderes Kaliber, und nicht allein mystisches Gedankengut. Jeder ist „bedeutend“, jeder „Anonymus“. Lassen wir mal offen, ob das hinduistische Weisheit, Hobbymystik oder Post-Existenzialismus ist. So wie Brian das Ego in seiner Ambient Music zur Auflösung treibt, und zwar ziemlich radikal, so ist das Ego ohnehin eine Konstruktion des Geistes, und stete Quelle zahlloser kleiner Irrtümer. Sternenstaub trägt keine Signaturen.