Manafonistas

on life, music etc beyond mainstream

2018 6 Mrz.

Überblick über die „JazzFacts“ vom 8. März um 21.05 Uhr

von: Michael Engelbrecht Filed under: Blog | TB | 11 Comments

 

 
 
 

Mathias Eicks Familienforschung „Ravensburg“  / „Diese besonderen Szenen in alten Filmen“ – Norma Winstone erzählt (Thomas Loewner) / Die Askese und das Rohe von Jakob Bros „Returnings“ (VÖ: 23. März) / „Like Flowing Water“ – das Album „Romaria“ des Andy Sheppard Quartet / Querdenker, Pianist und Jazzverführer – Michael Naura und seine grosse Anthologie (Bert Noglik) / Rückkehr nach dunkler Zeit: Keith Jarrett und seine Trioaufnahme „After The Fall“ von 1998 / „Unbändiger High-Energy-Jazz“: „In House Science“ – Im Gespräch mit Arild Andersen (Michael Kuhlmann) (VÖ: 23. März) / Der Kreis schliesst sich: Mathias Eicks „Ravensburg“

 

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11 Comments

  1. Michael Engelbrecht:

    Sie waren alte Gefährten, Michael Naura am Klavier, und Peter Rühmkorf, der an den Wörtern schmiedete. Naura hörte ich erstmals, und sehr oft, als Teenager, auf den Nordseeinseln, auf Langeoog (wo ich ein Buch von Rühmkorf erstand in der Buchhandlung Krebs, „Haltbar bis Ende 1999“), auf Borkum, auf Wangerogge, wo die grossen Ferien dann grosse Jazztage waren.

    Später, in den Neunziger Jahren, fuhr ich regelmässig mit dicken Tonbändern zur Rothenbaumchaussee, er liess mir freie Hand, vertraute meinen Themen fürs Jazzlaboratorium: beim Spätwerk von Talk Talk fragte er dann doch mal nach („was ist das denn??!“), aber als ich ihm versicherte, Ellington und Coltrane, Davis und Evans hätten ihre Auftritte da, war er beruhigt. Konrad Heidkamp lief in den Hallen umher und suchte Rares von Nina Simone.

    Einmal schickte mich die Jazzredaktion, in der immer auch die wohltuenden Wesen Tobias Hartmann und Hannelore Raukuttis ihr Werk verrichteten, eine Woche in den strömenden Londoner Regen, um die Experimentierstuben der Metropole aufzusuchen, ich traf Max Eastley, David Toop und andere, ich hörte Free Jazz im Polar Bear Club.

    Zu selten hörte ich spät abends Nauras bärbeissige Tiraden am Mikrofon, wenn er nachharkte, und desillusionierte, wo sich falscher Zauber ausbreitete. Wenn er sich begeisterte, war er in seinem Element. Ein bisschen NDR konnte ich immer mit nach Dortmund nehmen, und mir rare Jazzschallplatten aus dem Archiv leihen. Naura habe ich viel zu verdanken, als 1990 etliche Türen für mich aufgingen, unter anderem das Jazzmekka meiner Jugendzeit.

    Im Deutschlandfunk schlummert irgendwo mein 45-Minuten-Portrait. Onkel Pö kommt da nur am Rande vor, die Reisen mit alten Weggefährten durch das Ende der DDR schon mehr. Ich liess ihn einfach erzählen. Als er sich zurückzog, Ende 99, waren die grossen Jazzzeiten im hohen Norden Geschichte, Jazzbeamte übernahmen das Zepter. Die alte Bundesrepublik ging permanent zuende.

    Naura, ein kauziges Original, nie aufs Maul gefallen – seine „blue notes“ und Blockakkorde trieben Rühmkorfs Texte an, während Wolfgang Schlüter dem Vibraphon reines Schweben entlockte und Eberhard Weber luftigste Erdungen besorgte – zwei gute, weitgehend vergriffene ECM-Platten dokumentieren Jazz & Lyrik in bewegten Hamburger Zeiten.

  2. Harald Rehmann:

    Klasse Senung, Michael … vielen Dank! Vielfältig gestaltet, informativ, atmosphärisch – und mit toller Musik!!

    Liebe Grüße –
    Harald

  3. Michael Engelbrecht:

    Diese Sendung ist mir wichtig. Darin schliessen sich auch für mich viele Kreise. In der Sendung selber ist das Schliessen und Öffnen von Kreisen geradezu Thema. Und es gäbe einiges ums Drumherum zu erzählen, etwa, dass etliche Langspielplatten erwähnt werden, ohne dass sie anszuspielen. Innerlich werden sie bei einigen Hörern etwas zum Anklingen bringen. Da wären wir auch wieder bei Michael Naura. Hier die Reprise einer weiteren „alten Story“…

    Ich fuhr mit einem Studienkumpel nach Hamburg, die Siebziger Jahre zeigten sich von ihrer besten Seite, ECM veröffentlichte reihenweise Meilensteine, und als wir die Landesgrenze zu Schleswig-Holstein hinter uns hatten, hörte ich das beste Jazzprogramm, das es in der alten Bundesrepublik je gab. Michael Naura hatte Narrenfreiheit, holte alle möglichen Stars zum NDR, der Jazz boomte, ich war verliebt in Katrin E., und hatte vor, ihr Herz und ihren Körper zu erobern. Immerhin hatte ich die Einladung ins elterliche Herrenhaus “An der Glinder Au” in der Tasche.

    Ich war noch ein Teenager, und hatte Katrin auf einer Nordseeinsel kennengelernt, wir spielten in den Dünen, verschlangen ganze Backbleche Pflaumenkuchen, ohne ein Pfund anzusetzen, und jeden Tag hörte ich grandiose Jazzmusik im NDR: der junge Jan Garbarek, Art Lande, Chris Hinze, Gary Burton, Bill Connors, Volker Kriegel, Dave Liebman, Chick Corea. Und plötzlich, die Tore Hamburgs waren noch ein Stück entfernt, verkündete Michael Naura im Autoradio, dass der “Meister”, also Keith Jarrett, just an diesem vorweihnachtlichen Abend im Congresszentrum der Hansestadt auftrete. Solo. Ahh! Ich hatte ihn zuvor nie live erlebt, und seit 1972 jedes seiner ECM-Alben rauf- und runtergespielt.

    Als ich dann in 2 Hamburg 74 oder 14 eintraf, der Nachmittagstee aufgetischt wurde, machte ich den Vorschlag, die ganze Bande, Katrin, ihr Bruder, die Clique, solle heute Abend aufbrechen, um den Magier am Klavier zu erleben. Die Reaktion war reserviert. Hanseatisch unterkühlt. Stattdessen nahm das Grauen seinen Lauf.

    Ich war damals noch etwas schüchtern, sonst wäre mir das nicht passiert. Mit der angehimmelten Katrin und den anderen trottete ich in eine Old Jazz-Kneipe namens Rempter oder so, wo doofer Stimmungsdixie gespielt wurde, und sich eine biergetränkte Fröhlichkeit breitmachte. Die Nacht durfte ich im Zimmer des Bruders verbringen, der den Aufpasser spielte. Am nächsten Morgen, mit dem Katrin- und Jarrett-Blues in den Knochen, stellte ich mich noch überaus ungeschickt an beim Köpfen des Frühstückseis.

    In dieser Story war die Vorfreude alles: wie ich in meiner Studentenbude, Wochen zuvor, Gato Barbieri hörte, das erste Kapitel seiner grandiosen Latin-Jazz-Platten (auf Impulse), und auch Fort Yawuh vom Keith Jarrett Quartet. „Facing You“, Jarretts 5-Sterne-Soloalbum kreiste unentwegt.

    Ich träumte von Katrin, und wie immer, wenn das Verliebtsein sich in mir ausbreitete, fuhr mir wiederholt ein Schmerz in die Fingerknöchel, ein Stechen, ein Ziehen. Ein paar Jahre später war ich nicht mehr schüchtern. Gut so.

    Und in den Neunziger Jahren arbeitete ich zehn Jahre mit dem grossartigen Jazz-Macho und -Magus Michael Naura zusammen. Manchmal spielte er in seinem Büro Evergreens auf dem Klavier, und, als er einmal einen Jarrett-Akkord erwischte, fiel mir kurz jener Abend ein, in weihnachtlich geschmückten Einkaufsstrassen – und die unerträglichste Dixieland-Kapelle aller Zeiten!

  4. Rosato:

    Diese Geschichte lese ich gerne wieder. Dem kann ich nichts gleichermaßen Atmosphärisches hinzufügen. Dass im Norden der BRD der Neue Klang des Jazz wie in einem Reservat hauste, war mir damals schon klar. Ich versuchte, ein paar Brosamen aufzufangen, denn der BR versorgte mich völlig unzulänglich in Sachen Jazz. Mit einer UKW-Rotorantenne peilte ich den NDR-Sender auf dem Brocken im Harz an. Der ist weit entfernt von meiner Wohnstatt, etwa 175 km Luftlinie. Nicht immer tauchten Töne aus dem Grundrauschen auf.

    Einigermaßen gute Bedingungen, den NDR zu empfangen, herrschten am 23. Oktober 1982. Da spielte Keith Jarrett solo in der Staatsoper Hamburg. Der NDR übertrug live, und ich habe mitgeschnitten. Aus irgendwelchen Gründen verzögerte sich der Beginn des Recitals, ich glaube, es begann kurz vor Mitternacht. Die Wartezeit wurde gefüllt mit Ausschnitten eines Auftritts des Jarrett-Garbarek-Quartets (in Hannover ?), unterbrochen von einer Verkehrsdurchsage – wegen eines Geisterfahrers.

    Michael Naura war auch zu hören mit einem „Plädoyer für einen Pianisten

  5. Michael Engelbrecht:

    Herausragend, Rosato, Nauras Plädoyer für den Pianisten zu hören.

    Man möchte die Zeit zurückdrehen, nach vorne dreht sie sich einfach zu schnell:)

    Könnte ich nur an jenen Abend zurückreisen, wo Jarrett Solo in Hamburg spielte Mitte der Siebziger, und ich mich unendlich langweilte am falschen Ort zur falschen Zeit…:)

  6. Lajla nizinski:

    Super Sendung, alles hat mir sehr gefallen.

  7. Michael Engelbrecht:

    Und das passsiert einer Countrylady beim Jazz:)

  8. Lajla nizinski:

    Bin nicht zu kategorisieren, schon garnicht zu reduzieren. Dafür ist die Musikwelt viel zu üppig und hygge einladend:)

  9. Michael Engelbrecht:

    A pripos Kreise schliessen, Kreise öffnen….:

    Manfred Eicher has long championed the combining of visual and audio images, with albums devoted to Greek film soundtrack composers and even a Jean-Luc Godard tribute to the French nouvelle vague era. On this occasion, singer Norma Winstone has devoted the entire album to exploring her favourite film soundtracks from different eras, with an emphasis on Italian composers, and the result is a wonderful evocation of cinema history in musical form. Helping her to create just the right ambiance are pianist Glauco Venier, soprano saxophonist and bass clarinetist Klaus Gesing, with additional layers provided on both cello and percussion. Winstone’s own gifted songwriting talents are deployed, with the occasional instrumental providing variety. [..] The project as a whole is devoted to John Taylor and Kenny Wheeler, both of whom regularly performed with the singer. An album of wider interest to fans of cinema and quality music.

    Tim Stenhouse, UK Vibe

    ‚Descansado‘ reiht nun Klassiker der Filmmusik wie Perlen auf die Schnur […] Es geht um das Ausleuchten kleiner Gesten, um das Einkreisen vorüberhuschender und doch bedeutungstragender Momente […] In wundervollen Arrangements geben Gesing und Venier diesen Momenten Dauer. Während der Studioaufnahmen in Udine wurde spontan ein Thema aus Godards ‚Die Geschichte der Nana S.‘ in einer berückend innigen wortlosen Variante hinzugefügt, das am Ende dieses neben allen Moden angesiedelten zeitlosen Albums als kurzes Pianosolo noch einmal aufscheint: brillante, rare, diskrete Musik.

    Ulrich Steinmetzger, Leipziger Volkszeitung

  10. Michael Engelbrecht:

    @ Lajla: alle Etiketten sind Schwindel!

  11. Michael Engelbrecht:

    Die Sendung ist jetzt auf dem Blog anzuhören… s. 8. März, Eintrag: CLOSING CIRCLES, OPENING CIRCLES … i


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