Manafonistas

on life, music etc beyond mainstream

2017 25 Nov

The Visitor

von: Michael Engelbrecht Filed under: Blog | TB | 6 Comments

Dieses Album wird Prügel einstecken, es wird Agit-Prop genannt werden, schnell sich verbrennender Protest, man wird es einreihen in die gesammelten Abgesänge auf die Ära Trumps, die sowieso nur einen Scheiss bewegen, und dass wieder mal die Bekehrten bekehrt werden sollen, aber murmelt da nicht auch der 73-Jährige im letzten Song, das die Welt eine Kirche ohne Prediger sei. Dieses ganze Werk voll hingerissener Verlorenheiten wendet sich nicht an die, die sich gerne entrüsten, und ihre eigene Niedergeschlagenheit mit entsprechender Wallung kompensieren, dieses ganze Album ist komplett zerschossen, zynisch, und vollkommen am Ende. Neil Young spielt nur zu gerne den stumpfesten Blues-Stomper aller Zeiten, in dem er ein Loch gräbt, was er oft genug wiederholt, um in der Zeit wirklich ein Loch zu graben, gleichzeitig denkt er an seine Enkel und den verdammt langen Highway. Wer ganz schlicht im Geiste ist, fühlt sich womöglich aufgerufen, für seine Rechte einzutreten, und er kann auch die Ketten schleifen hören, mit denen sie den Irren wegschließen wollen. Aber das ist zu straightahead. Neil Young hat mit diesem Album, dessen Cover und Skizzenhaftigkeit und Ernüchterung mich entfernt und unmittelbar an Jackson Brownes „Running On Empty“ erinnern (ohne annähernd so einladend zu sein), das grosse rumpelnde Narrenschiff betreten. Mehr Otto Dix als Phil Ochs. Es gibt da, in Fragmenten, den alten Träumer, der die Träume  bloss  rigoros begräbt, den Protest gleich mit, und sowieso jede ach so hehre Botschaft. Hat er schon öfter angezettelt, etwa auf „Time Fades Away“, jedes „Heart of Gold“ ein abgenagtes Lebkuchenherz. Die Tage des Zeitlosen ausgezählt. Und deshalb ist „The Visitor“ eine verdammt gute Platte, mit dem Charme einer Whiskeyflasche, die gegen einen Art Deco-Spiegel geschleudert wird. Mal eine andere Art, wachgerüttelt zu werden, guys! „Out of the blue, and into the black.“

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6 Comments

  1. Joanie Rotten:

    …und girls!

    20,-€ !!

  2. Michael Engelbrecht:

    Learn English with Walter and Connie … and Michael:

    Guys heisst umgangsprachlich auch „Leute“, ist nicht auf das männliche Geschlecht reduziert.

    Aber ich kann ja auch kein bayerisch :)

    Hier noch zum Üben, Joannie:

    https://m.youtube.com/watch?v=XXQthGk10zg

  3. Joanie Rotten:

    Red Dich nur wieder raus!!!

  4. Joanie Rotten:

    The Visitor: eher der müde Blick eines abgebrühten Aliens auf diese Welt, ohne die noch nachglimmende Leidenschaft eines Tom Waits, ohne die hinter bizarrer Attitüde verborgene Romantik eines John Lennon, ohne ein Bein in einer anderen Realität wie Eno … – ich lerne es schon noch, auf meine eigene Hörart.

    Schöne Zeit in Prag und pass auf, wenn Du den Golem triffst.

  5. Brian whistler:

    .
    What a great review – will check it out.

  6. Michael Engelbrecht:

    Your German seems to improve dramatically

    THE VISITOR is my no. 32. Quite disturbing and devastating.


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