Sie sei einmal sehr wütend gewesen, erzählt sie, als sie ihr frühes Album „My Sweet Old World“ in einem Schallplattenladen fand, mit dem Etikett „out of print“, und dem Mann an der Kasse mitteilte, das sei ein Irrtum. Lucinda Williams war nie blutjung, nicht mal in ihren Anfängen, ähnlich wie Leonard Cohen. Aber glauben Sie ernsthaft, Leonard Cohen hätte jemals erwogen, gute 25 Jahre nach „Songs of Love and Hate“ „Songs of Love and Hate“ noch einmal aufzunehmen? Never ever.
Wenn Lucinda Williams genau das nun macht, stellt sich die Frage nach dem Warum. Eine Erholungspause nach Jahrzehnten, in denen sie eine Qualitätsarbeit nach der andern ablieferte? Ein Spiel mit dem Trend, Klassiker der eigenen Werkgeschichte live neu auzuführen, und warum dann nicht gleich als Studioaufnahme? Haben nicht sowieso alle Legenden und Sternchen Standards und Lieblingslieder wieder und wieder dargeboten, ein Teil der Aufführungspraxis – die volle Breitseite zwischen nostalgischer Patina (Streicher! Streicher!) und zersetzender Dekonstruktion a la Dylan. Letzterer hat es zuletzt allerdings auch gemütvoll angehen lassen.
Nun hat Lucinda Williams, mit ihrer fantastischen Gruppe (ich hatte das Glück, sie jüngst in Köln zu erleben), dem Frühwerk ihr Spätwerk (64 Lenze, und soviele „beautiful losers“) an die Seite gestellt. Statt die alten Lieder an den Rand der Unkenntlichkeit zu treiben, kommen sie daher, als würde sie jedes einzelne Lied zum ersten Mal vortragen, oder als würde sie schon so lange in ihnen wohnen, dass die sich dort rumtreibenden Schatten einen Perspektivwechsel nach dem andern befeuern. You want it darker? Here it is.