Salta, Argentinien. Erste Filmeinstellung: ein verlassener Bahnhof, leere, endlos lange Bahnsteige, grasbewachsenes Gleisbett. Im Hintergrund ist eine Ruine von einem einst blauweiß gestrichenem Personenzug zu sehen, dessen erste Waggons, vielleicht auch dessen Lokomotive in einem Lokschuppen, der auch schon bessere Zeiten erlebt hat, verschwinden.
Zweite Einstellung: Von einem der Bahnsteige in Richtung Empfangsgebäude (?) aufgenommen. Mit dem Erklingen eines Bandoneons sieht man über die Gleise hinweg einen Mann vor der Bahnhofsruine stehen, es könnte Dino Saluzzi sein, im Vordergrund der Kameraeinstellung sieht man das Ortsschild SALTA. Dann kommt plötzlich Bewegung in das Standbild, Anja Lechner geht auf Dino Saluzzi zu, beide versuchen dann beim Schienenbalancieren erfolgreich zu sein, dabei erscheint der Filmtitel `El Encuentro – Ein Film für Bandoneon und Cello´.
Während die Kamera das verfallene Bahnhofsgelände zeigt, hört man die Stimme Anja Lechners, sie spricht über Musik. Der Zuschauer sieht weitere Areale des verwunschenen Bahnhofs von SALTA, weitere Eisenbahnwaggons, die nie mehr werden fahren können. Dino Saluzzi erzählt von seiner Musik.
Harter Schnitt. München. Anja Lechner begründet, weshalb ihr das Reisen so wichtig ist: „Die eigene Wahrnehmung von Musik und auch die eigene Art zu spielen verändert sich, wenn man reist. Es ist eine wunderbare Gelegenheit mit Musikern zusammenzuarbeiten, die in anderen Ländern leben, mit ihnen in ihren Ländern zu proben und zu spielen. Da kann ich die Musik ganz anders spüren und begreifen. Es eröffnet sich dann eine neue Welt, man ist dann umgeben von dieser Art Musik …“
Schnitt. Yerevan, Armenien. Anja Lechner bekennt, dass Armenien neben Argentinien das für sie wichtigste Land sei. In Armenien sei die Begegnung mit Tigran Mansurian die entscheidende Begegnung gewesen. Mit ihm zusammen arbeitet sie an der Aufführung seines Zweiten Cellokonzertes. Zwischendurch erzählt Dino Saluzzi immer wieder von seiner Heimat, seiner Musik und seiner Begegnung mit George Gruntz. Dieser sei als Leiter des Jazzfestivals Berlin 1982 durch Südamerika gereist, um Musiker zu finden, die ihr Land in Berlin musikalisch vertreten könnten. Die Zusammenarbeit zwischen den beiden sollte noch viele Jahre andauern.
In München, führt Anja Lechner aus, habe sie Dino Saluzzi kennengelernt, aber seine Musik erst wirklich verstehen können, nachdem sie mit ihm zusammen Argentinien und insbesondere SALTA und die Plätze seiner Kindheit besucht habe.-
Vielmehr möchte ich von diesem großartigem ECM-Film aus dem Jahre 2012 nicht verraten, nur noch eines. Dino Saluzzi spricht über sein Instrument, das Bandoneon: „Ich lernte das Instrument kennen, als ich sieben Jahre alt war. Wie alt das Instrument war, weiß ich nicht. Es kam von Anfang an zu mir, es ist die Verlängerung meines Körpers. Ein Leben ohne Bandoneon ist für mich nicht vorstellbar. Dieses Instrument spricht mit Bescheidenheit, es erhebt seine Stimme nicht, es spricht mit Ruhe, mit Einfachheit und Direktheit. Hier sind alle Wörter schon enthalten, alle Gedanken sind drin, die schwierigsten Situationen. Man muss sich nur in seinen Dienst stellen, es verstehen, so kann man seine Sprache wahrnehmen.“.
„El Encuentro – Ein Film für Bandoneon und Violoncello“
Regie: Norbert Wiedmer & Enrique Ros; Dokumentarfilm; CH/2012, D/sp, digital hd, 52 Min
P.S. Neu im Plattenschrank: Valentin Silvestrov / Hieroglyphen der Nacht – Anja Lechner & Angnés Vesterman. Eine wunderbare Platte, erschienen bei ECM New Series …