Manafonistas

on life, music etc beyond mainstream

2017 27 Aug.

This time is yours

von: Martina Weber Filed under: Blog | TB | Tags:  | Comments off

Ich hätte die Platte im Jahr 1994 entdecken können, als sie veröffentlicht wurde, oder im Jahr 2005, als ich über Michaels Sendung auf Bark Psychosis aufmerksam wurde, aber nun war der Anlass der, dass ich, angeregt durch Michaels Hinweis auf die Wiederveröffentlichung ihres ersten Albums, Hex, eine alte Kassettenaufnahme hörte und zu recherchieren begann. Bei Independency, meiner vermutlich liebsten Platten von Bark Psychosis, handelt es sich genau gesagt nicht um ein Album, sondern um eine Compilation, eine Zusammenstellung von 8 EPs der Jahre 1989 bis 1992. Die ist so dynamisch und das Sequencing so überzeugend wie auf einem durchkomponierten Album. Die Band, die sich im Jahr 1986 im östlichen London formierte, legt großen Wert darauf, sich von Veröffentlichung zu Veröffentlichung musikalisch weiterzuentwickeln, und findet ihren Stil zwischen Post-Rock, Post-Punk, Psychodelik, Minimalismus, introvertiertem Indie-Rock und Cooljazz. Als frühe Einflüsse werden Talk Talk, Sonic Youth und Joy Division erwähnt. Graham Sutton, Jahrgang 1972, ist von solchem Schubladendenken nicht begeistert. „Sometimes people compare us to Pink Floyd, and they are just a muso thing. I´m more interested in feeling, really.“ Die Fotografie der drei Telefonzellen stammt für uns heute wie aus einer fremd gewordenen elektronischen Epoche. Es ist nicht das Coverbild von „Independency“, sondern das Foto hinter dem Cover im Booklet. Ich weiß nicht, warum der Name der Band auf dem Cover in kyrillischer Schrift gedruckt wurde, es handelt sich nicht um eine russische Kopie. Das Cover zeigt die Ecke eines Raumes, der aufgrund der russischen Schriftzeichen in einem Hotel in Moskau verortet sein könnte, ein Wartebereich. (Eine versteckte politische Botschaft?) Die Gardinen reichen weiß bis zum Fußboden, sind zugezogen, draußen ist es hell auf eine unbestimmte Art, die orangefarbenen schlichten Vorhänge sind vor den Fernseher gezogen, der angeschaltet ist. Als ob jemand das Gegenlicht der Sonne dämmen wollte. Das Bild im Fernsehgerät zeigt einen Mann im Halbprofil, der mir aufgrund seiner Statur eher älter zu sein scheint, die Arme in Brusthöhe, steht er an einem Pult und hält eine Rede? Ist es ein Blick von außen durch ein Fenster in einen Raum, der aussieht, als wäre es kein geschlossener Raum, sondern Teil der Öffentlichkeit? Je genauer ich hinschaue, umso unschärfer und interpretierbarer wird die Szenerie. Scum ist der letzte Track der Compilation, mehr als 21 Minuten lang. Diejenigen, die „The Affair“ gesehen haben, werden sich vielleicht an den Song erinnern, der – in der 3. Staffel, meine ich – in einem New Yorker Club nachts ausgelassen von den Gästen gesungen wurde, als verkündet wurde, dass aufgrund des Starkregens alle Straßen gesperrt sind, dass eine Nacht im Club bevorsteht. We are the American Scum. „Scum“ scheint mir hier eine andere Bedeutung zu haben als bei Bark Psychosis. Zwischen Abschaum und Schaum changieren die Übersetzungsvorschläge. Die EP Scum von Bark Psychosis ist ein improvisiertes Ambientwerk, das live in einer Kirche aufgenommen wurde, ein wunderbares Stück mit großer Raumwirkung, da sind die Drums, die noise-guitar, es ist spacig, leicht und von einer inneren Dynamik getragen. Ein paar Sätze werden eingestreut, Gesprächsfetzen, wie dahingesagt, so wie Marc Nelsen es in den großartigen Alben von Labradford zu tun pflegt. „It´s probably the most spontaneous record we´ve put out“, sagte Graham Sutton. It´s all about you. It´s all around you.

 
 
 

 

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