Das war der erste Streich der vier Songalben von Eno in den Siebzigern, und über keine Platte aus diesem Quartett wurde in den Jahren der Manafonisten weniger gesprochen als über dieses erste Liederalbum nach Brians Weggang von Roxy Music. Völlig zu Unrecht, für mich steht es auf einem Level mit den drei Nachfolgern. Die Songs sind so bizarr und surreal wie das Cover, Eno wandelt seinen Gesang, seine „persona“, von Track zu Track. So war es unmöglich, seiner Stimme ein kommerziell taugliches „branding“ zu verpassen – er entzog sich jeder biederen Vereinnahmung – viele andere Künstler, die „ihre‘ Stimme gefunden hatten, wiederholten diese Rezeptur bis zum Sankt Nimmerleinstag. Und die ständig wiederkehrenden herzerweichenden Melodien? Inmitten all der Songwildnis? Sie konnten nie Hits werden, weil ihr instrumentaler Untergrund zu subversiv war, ihr Text zu erratisch. Proto-Punk. Psychedelic Exotica. Pure Pop. „Weird, very weird, very strange, disturbing and utterly beautiful.“ Am vierten August erscheint also das Quartett jener Dekade in „half speed-masters“. Obwohl ich diese vier Langspielplatten ohne Ermüdung und seit Jahrzehnten von vorne bis hinten höre und höre, lauschend wohlgemerkt, bin ich ein bisschen neugierig auf den möglichen magischen Mehrwert, obwohl mein Wunsch nach 5:1-surround-Abmischungen unerfüllt bleibt.
Archives: Juli 2017
2017 23 Jul
Der erste Streich
Michael Engelbrecht | Filed under: Blog | RSS 2.0 | TB | Tags: Die fünf Streiche | Comments off
2017 23 Jul
Bad news on the doorstep
Wolfram Gekeler | Filed under: Blog | RSS 2.0 | TB | Comments off
Auch wenn die Zeitung noch täglich auf der Türschwelle liegt, so erreichen einen die schlechten Nachrichten meist übers Internet, zum Beispiel über die aufdringlichen Startseiten der Browser, derer man sich kaum erwehren kann. Man liest viel Unnötiges, müllt sich das Kurzreitgedächtnis mit Belanglosem zu, und dann fällt dir eine Überschrift wie diese auf – und dein Leben hat sich verändert.
Am 21. Juli 2017 hieß eine solche Meldung: „Sängerin stirbt während ihres Konzertes.“ Todesursache: Herzstillstand, wahrscheinlich im Zusammenhang mit einem elektrischen Stromschlag, vielleicht wegen der Gewitter in der Gegend, die an diesem Abend mehrfach zu Problemen mit der Stromversorgung führten; vielleicht kam noch dazu, dass die Sängerin barfuß auf ein defektes Kabel trat.
Barbara Weldens aus dem Herault wurde nur 35 Jahre alt. Ihre Karriere als Musikerin hatte erst vor einem Jahr so richtig begonnen, verlief dann aber rasant: sie bekam mehrere bedeutende Chanson-Preise verliehen, veröffentlichte ihre erste und einzige CD „Le grand H de l’homme“ im Februar 2017 und hatte eine große Sommertournee durch Frankreich vor sich.
Eine Station – die ungeahnt letzte – war das mittelalterliche südfranzösische Städtchen Gourdon-en-Quercy, wo jedes Jahr das Festival Léo Ferré in der gotischen Église des Cordeliers stattfindet. Es ist ein ruhiger Ort, der den 100-jährigen Krieg ebenso wie den Einmarsch der deutschen Wehrmacht überstanden hat, auf einem Hügel gebaut, mit weitem Blick in das Land, mit engen Gassen und vielen Kirchen. Ein Ort zum Sterben? Inmitten von Musik? Schnell, ohne nachdenken zu können oder zu müssen, und ohne zu leiden? Und gleich das nächste Klischee: was für eine Verschwendung von Talent und Kreativität! Wie viele glückliche Momente hätte sie ihren Fans, ihren Freunden noch geben können!
Der innige Kontakt zum Publikum ist selbst auf den kleinformatigen YouTube Videos zu spüren. Barbara Weldens war in einem Wanderzirkus groß geworden, jonglierte und arbeitete am Trapez. Später gründete sie mit ein paar Freunden den Circo Solo, den man in einer Besetzung von 1-4 Artisten und 1-3 Hunden für Straßenfeste und Kindergeburtstage engagieren konnte.
Anders als der meist stille Léo Ferré zeigte sich Barbara Weldens extravertiert, emotional offen, lebhaft, extrem ausdrucksfähig, mal leise, mal laut, beheimatet in der Tradition des französischen Chansons und „beyond“, mit einer wandlungsfähigen Stimme und einer Mimik und Gestik, die an Jacques Brel erinnert. Die erwähnte CD ist gelungen; man kann sie ergänzen durch ein paar technisch professionelle Video-Clips.
2 Tage lang lief hier Barbara Weldens Musik. Ich habe meine Zweifel, ob sie wirklich tot ist.
Barbara Weldens – „Purple Room“
K
k
Rosato might be back from Iceland and publish his diaries here, or forget about everything while listening to the forthcoming Alexei Lubimov recordings of C. P. E. Bach on an ancient instrument. Brian, The Whistler, might lead a (hopefully) quiet life on his North Californian ranch – with Weather Report’s newly remixed „Heavy Weather“ high on rotation, forgetting about his trans-atlantic friends. Gregor might cross one of the Seven Seas with a copy of Rodach’s wonderful „Die Zeit Ist Rund“ in his survival kit. We don’t know which part of „everything is magic“ the wild bunch of Manafonistas will experience within the next weeks – it’s adventure time -, but what we know is, that our suspensefully expected, monthly recommendations will materialize during the last days of July. At this moment of time, only the „bingewatch section“ has been decided – the first season of „Glow“ has a lot of qualities – placed in the mid-80’s it also reveals that the music of that decade had been better than people’s memories might actually believe!
„When you walk through an urban environment, you take the strangeness of the architecture for granted.“
“Ecrivez vite sans sujet préconçu, assez vite pour ne pas retenir et ne pas être tenté de vous relire.”
„New York was built at about the same time as Manchester and Liverpool, and they all share the same materials and evolution of architectural style, as if they are all a single city. I feel as though I spend my life walking between them, and at points they all dissolve into each other. Add Paris, Berlin and London as suburbs of that city, as well.“
„But gradually our address was completed, it came, with allotted voices: ‚West,‘ ‚Didsbury,‘ ‚Manchester‘ ‚England.‘ The last word was mine, I wouldn’t give it up, I added ‚Europe.'“
„The lights are coming on in Summer Hill, the railway yard, the flour mills / Walk along familiar streets to put you back together piece by piece“
„Suddenly he couldn’t think what time of year it was. What’s the difference, said the traffic sounds, the sky, the footsteps on the pavement. Winter is always either just ahead or just behind.“
„I was twenty-two, just made Second Navigator. She was twenty-eight, a stage designer. On my next downtime in London we hoppered up to Dundee, got a surface hirecar permit, and drove up through Recreation Reserve 7 to the Moray Firth.“
„I felt feeling a half Scotch and pottage like roung my middle ageing like Bewley in the baste so that I indicate out to myself and I swear my gots how that I’m not meself at all, no jolly fear, when I realise bimiselves how becomingly I to be going to become.“
„Ikkyu held up the pieces of the broken cup, and said: “It was time for your cup to die.”“
„What is this. This is what what is.“
„Everything is repairable. Everything is broken.“
2017 21 Jul
Outsiders „Thinking about today“
Lajla Nizinski | Filed under: Blog | RSS 2.0 | TB | Comments off
well touch
Im Zuge der Nostalgiewelle auf Arte, kramte ich in meinem Piratenschatz und stieß auf die OUTSIDERS. Diese tolle, holländische Band hielt mich nicht nur 1966 fest in ihren Tauen, die Stimme von Wally Tax ließ mich geradezu seekrank werden. Ich war im schönsten Seejungfraualter und Schüchternheit hatte erotische Meerestiefenwirkung:
“ Yeah I touched your hand
By accident
So touch
I didn’t understand to touch you“
Die Outsiders schrien ihre Songs in den Sturm, bei ruhigerem Seegang versanken ihre Stimmen unter der stillen Wasseroberfläche. Ich mochte dieses Hin- und Hergeschaukele sehr. „Lying all the time“ war so ein Wellenbrecher, dem selbst offshore Freaks am Dam in Amsterdam gut Matrosenchören standgehalten hätten.
Warum nannten sie sich „Outsiders“? Was sind Outsiders? Welche Outsiders kennen wir in der Musik? Captain Beefheart, Scott Walker, Bob Dylan. Aus der Literatur fällt mir spontan Thoreau („Walden“) ein, könnte man sicher endlos verlängern. Aus der Philosophie nenne ich mal Nietzsche, der erkenntnisreiche Wege ging, bezahlte aber mit dem Sold der sozialen Isolation.
Folks, wir sind mitten im Sommer:
„Summer is here
There is no need to worry
No need to hesitate
We’re so much alike“
… starb Dieter Moebius. Nun werden pünktlich zu seinem Todestag seine letzten beiden Soloalben wiederveröffentlicht. Ding war nie so mein Ding, zu düster, zu technoid. Dafür bleibt Kram einer meiner All-Time-Favorites. Buntes Plastikspielzeug ziert das Cover und genauso bunt und verspielt ist die Musik. Da gibt es viel Rhythmus und viele Billigsounds, die in den sehr eigenwillig komponierten, eher skizzenhaft wirkenden Stücken auf einmal ganz reif und natürlich wirken. Da ist das konsequente Ignorieren dessen, was sonst so in der Welt der elektronischen Musik gemacht wird und ein unbändiger Spieltrieb, der diesem Opus eine fast unbefangene Leichtigkeit gibt. Und eine Menschlichkeit, eine instantane Gegenwärtigkeit, wie sie sich sonst in elektronischer Musik nur selten findet, was sich auch sehr plakativ in den Titeln ausdrückt:
Start
Kommt
Womit
Dauert
Steigert
Lauert
Rennt
Rast
Schwitzt
Markt
Mr. Santana plays Coltrane runs and anti-nostalgic ray guns, it’s all abstract, metallic, sensual, and this is a „super-group“ deserving the name. Why? Because it risks everything, simple as that. Even „Black Magic Woman“ gets the honky-tonk-fire-treatment. (M.E.)
„Lotus“ has always been the Holy Grail for the hardcore Santana fan, and this super-deluxe version is definitely that, but it’s also a document of a creative peak most bands never get near. (Philip Greeman, Wire)
Als Teenager gab es für mich vier beeindruckende Santana-Alben, und 1974 hatte Carlos in meinem Leben genug Spuren hinterlassen. Irgendwann, denke ich, ist der Deal beendet, die Begeisterung verflogen. Der Rest ist Nostalgiezirkus. Tatsächlich bin ich in den vielen nachfolgenden Jahren nicht mal den alten Faszinationen nachgekommen: das erste Album mit dem schwarzweissen Cover, „Abraxas“ mit Mati Klarweins unvergesslicher Coverkunst, „Caravanserai“ und „Welcome“ blieben wohlbehütet in ihrem Wilde-Zeiten-Schlummer, ich kann mich nicht mal an ein Girl erinnern, mit dem ich zu „Samba Pa Ti“ rumgeknutscht habe. Tatsächlich habe ich nurmehr einen verschlafenen Samstagnachmittag bei Freunden vor Augen, bei denen Mati Klarweins Bild wie ein Joint herumgereicht wurde, und dabei den gleichen magischen Realismus verströmte wie die Lieder ringsum. Mehr durch Zufall las ich vor kurzem einen Lobgesang im „Wire“ auf die Wiederveröffentlichung eines Live-Opus von 1973, also aus der Zeit, als der Zauber noch funktionierte, und, abracabraxas, kam das japanische, opulent aufgemachte Opus in mein Heim gerauscht.
Die leicht ergrauten Erinnerungen wandeln sich nach guter Pop-Art-Sitte in ein knallbuntes Farbenmeer. Der Raum ist abgedunkelt, Santana in der Form seines Lebens, einige Lektionen hat er von Coltrane und dem elektrischen Miles gelernt, um sie in eine überraschend gnadenlose, latineske Parallelwelt zu transportieren. Ich kenne LOTUS überhaupt nicht, und frage mich, ob eine sich um stilistische Grenzen keinen Deut scherende „Rockmusik“ (ist das schon „metal abstract fusion with a bang“?) mehr als ein Dutzend solcher Live-Dokumente abgeliefert hat. Wohl kaum. Schön, dass ich das jetzt auch mitkriege. P.S.: Die Raumakustik ist im Surroundmix eimgefangen, so dass man auf der richtigen Seite des Applauses sitzt, und das Stereobild an Tiefe gewinnt. Also kein klassischer Quad-Sound.
2017 21 Jul
soundtrack for my favourite garden
Michael Engelbrecht | Filed under: Blog | RSS 2.0 | TB | 1 Comment
ansonsten verträgt so ein Garten am ehesten eine dezent im Hintergrund ablaufende Musik, ganze Alben, kein Mix. Es gibt ein knallrotes Schwimmkissen, in das man sich bequem fallen lassen kann. Ohne jeden elektrischen Antrieb entsteht eine ganz leichte Bewegung, der Blick geht himmelwärts, die Baumspitzen treiben in extremer Zeitlupe am sonnenbrillenverdunkelten Blick vorbei. Pures Driften, wozu noch in einen John Lilly-Wassertank steigen. Ein kleine Einbuchtung im „Drifter“ erlaubt das bequeme Abstellen eines eisgekühlten Pils. Wir empfehlen Brinkhoff’s No. 1.
2) Neil Young: Comes A Time
3) Michael Brook w/ Brian Eno and Daniel Lanois: Hybrid
4) Nick Drake: Pink Moon
5) Arve Henriksen: Towards Language