„Leere ist mehr als nichts. Sie ist ein Zustand, vor dem wir intuitiv fliehen, und den wir erst genießen können, wenn er eintritt.“ Interessant. In Birbaumers & Zitlaus Buch über das überschätzte Denken und diverse Erfahrungsweisen der Leere im Gehirn werden einige Hirnareale erkundet, in einem munteren „crossover“ der Wissenschaften. Des einen horror vacui ist des anderen Mini-Sartori. 256 Seiten kosten 20 Euro.
Ein Weg, Furchtlosigkeit zu entwickeln, bleibt auf ewig, dem grössten Schrecken die Stirn zu bieten, Jon Hassell erzählt davon im Begleittext (oder in Interviews) zu seinem fantastischen Album „Dream Theory in Malay“ – man kann es aber auch so anstellen wie das „erzählende Ich“ von „My Favourite Thing is Monsters“ – unser Thriller des Monats, eine „graphic novel“, ein wahrlich berauschender Genre-Mix. Bei den Manafonisten stehen „graphic novels“, soviel ich weiss, aber was weiss ich schon, nicht gerade ganz oben auf der Begeisterungsskala (ausser bei Martina), aber dieser „Schmöker“ der besonderen Art könnte das ändern.
Ob Patti Smith schon die finale dritte Staffel von „Broadchurch“ gesehen hat, die jüngst auf DVD und BLU RAY erschienen ist? Es würde ihre Wertschätzung britischer Kriminalserien bekräftigen. Die Armseligkeit deutscher Serien-Formate tritt da nur noch krasser ins Blickfeld. Jetzt bin ich mir sicher: „the revolution has been televised“. Man sollte sich von dem Gedanken freimachen, bei diesen Serien der Extraklasse gehe es um gute Unterhaltung und andere Formen des Zeitvertreibs. Ich glaube, dass hellwache Zeitgenossen beim Eintauchen in ausgewählte Serienwelten manche Form von Katharsis durchlaufen, und dermassen aufgerüttelt werden, dass Psychoanalytiker um ihre Kundschaft fürchten könnten. Kleine Übertreibung, klar. In therapeutischen Sitzungen setze ich, zunehmend und begleitend, auf den jeweilgen Klienten „zugeschriebene“ Serien ein. Gerade in der Trauer- und Traumaarbeit können Serien wie „The Leftovers“ oder „Broadchurch“ enorm unterstützend wirken.
Eigentlich hatte ich vor, Midori Takadas „Through The Looking Glass“, das mir eines Morgens von UPS übergeben wurde (ein Hörer der Klanghorizonte aus Truro hatte die Eingebung, es mir für meine Sendung zukommen zu lassen) als Geheimware in die nächste Nachtsendung zu schmuggeln, aber kaum hatte ich das Werk nachts erstmals in aller Ruhe (und mit einer gewissen Portion Leere im Gehirn) gehört, hatte Uli Koch bereits seine Geschichte zum Album erzählt. Das Werk aus dem Jahre 1983 lässt sich diesem flatterhafte Genre von „Fourth World Music“ zurechnen, in dem diverse Erdzonen ein eher abenteuerliches als gepflegtes Verhältnis eingingen, ehe das Gros der „Weltmusik“ sich in einen Groovestadel der Gemütlichkeit verwandelte.
Anzusiedeln zwischen kühner Träumerei, Wissensdurst und einem fortgesetzten Abstreifen eingetrichteter No-Go’s: die Exotica der Midori Takada und das Leben von Susan Sontag (1934-2004) haben einiges gemeinsam, weit über klassisch feministische Themen hinaus. Seit einiger Zeit liegt das lange Gespräch, das Susan Sontag und Jonathan Cott in Paris und New York führten, in Buchform vor. Wie die Manfonisten im Normalfalle, so scherte sich auch die Amerikanerin keinen Deut um fadenscheinige Trennungen von Pop- und Hochkultur. Was für ein spannendes Erinnerungsfundstück!
Und das Album des Monats? Ein Songzyklus aus dem berühmten einen Guss, Vertonungen von Gedichten einer über 90 Jahre alten Lyrikerin, die zwar ihr Leben lang schrieb, aber erst im hohen Alter einen ersten Band an die Öffentlichkeit brachte. Fernab aller Exzentrik tauchte Sam Genders aka Diagrams in diese Gedichte ein, und brachte das Kunststück fertig, diese reimfernen Gebilde in sanft fesselnde Songs zu verwandeln.