Manafonistas

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2017 4 Mai

Japanese Jewels (3): Through the looking glass

von: Uli Koch Filed under: Blog | TB | 9 Comments

Zur japanischen Woche soll heute eine besondere Spezialität serviert werden. Wir treten durch das Spiegelkabinett in das kleine japanische Restaurant, wo verstörend leise zum Studium der Speisekarte die seltsam perkussive Musik des Mkwaju Ensembles gespielt wird. Ein feiner Senchatee wird serviert und es gibt einen Seetangsalat mit Sesam zur Vorspeise und schon beginnen wir mit Henri Rousseau zu träumen. In früheren Kommentaren hatte ich schon angedeutet, dass wir vielleicht über Fairlights, Mallets and Bamboo sprechen sollten. Leise aber, damit das Träumen nicht gestört wird und vielleicht noch klarer werden kann. Denn da ist etwas versteckt, dass erst kürzlich wieder hinter den Spiegeln aufgewacht ist und langsam mit einem hypnotischen Rhythmus in unser Bewusstsein kreuzt (Crossing). Quasi wie die optische Rhythmik auf einem Sushiteller, der mit Wasabi und Gari eine gewisse Schärfe erreicht, loopend wie die Bänder beim Sushi-Circle und mit Overdubbing, bei dem die genussvoll entstandenen Lücken immer wieder aufgefüllt werden und das Band nie leer zu werden scheint. Aber ist das nicht reine Augenwischerei (Trompe-l’oeil) zu den reduzierten Klängen einer kleinen Holzorgel, Glöckchen und einer leeren Colaflasche? Zeit für eine Udon-Nudelsuppe und zum Nachdenken:

 

When I thought about it in retrospect, all the tracks actually have the same concept. The only subtle difference from track to track were the techniques I experimented with, and yet the main theme of the music on this album was the notion of time and body, of physicality. While approaching this idea in a multitude of variations, I wanted to understand how my physical body would react.

 

Während dessen hat im Hintergrund die Musik angezogen, Fahrt aufgenommen und sich in den Vordergrund gearbeitet, nein sich zur Summe der Katastrophe emporgeschwungen und beginnt heftiger zu oszillieren, dichter zu werden. Multirhythmisch – Steve Reich würde das Herz aufgehen. Das Gespräch ist verstummt und jeder im Raum versteht spätestens an diesem Punkt, warum andere über 600 Euros für dieses kleine Wunderwerk bezahlten bevor es wieder neu aufgelegt wurde. Ein Album, dass 1983 fast keine Beachtung fand bei seiner Veröffentlichung. Das in bloßen zwei Tagen eingespielt wurde und sich aus Mangel an finanziellen Mitteln durch konsequentes Overdubbing auf wenigen Tapes auf seine künstlerische Höhe auffaltete.

Der Ober trat an den Tisch, verneigte sich in vollendeter japanischer Diskretion und Höflichkeit und fragte, nachdem er einen kurzen Vortrag zur mathematischen Präzision und dem damit verbundenen Versuch jeglichen persönlichen Ausdruck hinter dem Klang zum Verschwinden zu bringen gehalten hatte, ob ein Nachtisch gewünscht werde. In die Stille hinein bot er einen japanischen Eisbecher zur Abrundung des Gesamterlebnisses an – bestellt!

In der Porzellanschale kamen drei Kugeln wunderbaren Speiseeises: eine apricotfarbene, eine grüne und zu meinem leichten Befremden eine graue Kugel. Nein, er wolle nichts dazu sagen, um die Geschmackserfahrung nicht durch Vorwegnahmen zu schmälern. Nie hätte ich gedacht, dass apricotfarbenes Misoeis so köstlich, grünes Algeneis so unfassbar esoterisch und graues geröstetes Sesameis so erdend seien könnten. Die Sinne waren nun endgültig überwältigt und wer schließlich wieder mühsam durch die Spiegel zurück in die Welt, aus der er kam gefunden hatte, weiß: es wird nie wieder dieselbe sein wie zuvor. Nie wieder.

 
 
 

 

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9 Comments

  1. Michael Engelbrecht:

    Auf dieses nun als Doppelvinylalbum vorliegende Werk wurde ich vor Wochen aufmerksam, habe es mir besorgt, und spiele es natürlich in den Juni-Horizonten. Bei allen Anklängen sehr eigen. So sammeln sich , mit der Zeit, spezielle Kandidaten für die Zeitreisen, Sussan Deyhim, Alice Coltrane, Midora Takada (Stoffsammlung) …

  2. Olaf:

    Ein unglaubliches Album, eine sehr eigene Musik, eine andere grüne Welt …

    … vielleicht nicht die Musik, die ich in diesem Jahr am häufigsten gehört habe, aber doch die, die den intensivsten Eindruck hinterlassen hat, in die ich am tiefsten eingetaucht bin. Wunderschöne Musik und ein passender Text.

    Ich hoffe auf weitere Veröffentlichungen aus dieser Zeit und diesen Orten. Anscheinend stellt der „Fairlights, Mallets …“ DJ ja gerade eine Kompilation für Lights in the Attic zusammen. &: mal sehen, wie mir die ‚ekstatische Musik‘ von Alice Coltrane gefällt, das Album ist schon bestellt.

  3. Michael Engelbrecht:

    Zum Glück haben wir ja ausser den 325 Lesern pro Tag, oder wie ist der Stand der Statistik, Joey, noch meine halbe Million Zuhörer rundum den Globus alle zwei Monate :) – am liebsten sind mir die, welche ihren Grill anwerfen, während ich Glenn Jones auflege!

    Den engsten Draht habe ich, auch nun als Kaffeesatzleser des Blogs, zu den Stimmen, die sich hier melden, und so versuche ich manches Geheimnis für mich zu behalten, um nachts dann Überraschungen auftischen zu können.

    Ein Sysiphos-Job bei all den Trüffeljägern hier. Aber was soll es, das Sequencing sorgt immer noch für andere Hörwinkel, und auf meine italienische Entdeckung kommt erst mal keiner …

  4. Jochen:

    Aufgrund einer Leserzahlenverfolgungssucht (term of the month) wurde das Statistik-Programm deinstalliert. Meiner eigenen Eínbildung nach bewegen sich die Zahlen nun im unteren sechsstelligen Bereich (joke of the month) und ich kann gut schlafen … ;)

  5. Olaf:

    Genau: die Magie – der andere Hörwinkel – entsteht doch in der Zusammenstellung und dem neuen Umfeld. Dann überraschen doch oft gehörte Lieder wieder von neuem …

    Italienische Entdeckung?! Hört sich interessant an!

  6. Michael Engelbrecht:

    Ja, echt ein Knaller, kennt hier keiner: Adriano Celentano.

  7. uwe Meilchen:

    Die Älteren unter uns schon; die erinnern auch Rita Pavone und Mina !

  8. Olaf:

    oder rondo veneziano.

  9. Gregor:

    Das ist mal ein ungewöhnlicher Musiktipp. Gefällt mir richtig gut. Ruhe pur!


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