Warum hören wir Musik? Warum haben wir unterschiedliche Präferenzen beim Musikhören? Wozu hören wir Musik und wobei? Sagen unsere Vorlieben etwas über unsere Persönlichkeitsstruktur aus oder darüber, wie wir wahrscheinlich mit unseren Mitmenschen umgehen? Was verbindet uns mit der Musik, die wir lieben? Fragen über Fragen. Aber wir würden in einer anderen Welt leben, wenn es nicht jemanden gäbe, der ihnen nachgeht. Und dabei keineswegs uninteressante Ergebnisse findet. So z.B. die University of Cambridge, die mit The Musical Universe eine Seite zur musikpsychologischen Forschung bereitstellt an der jeder teilnehmen kann und zudem gleich danach sein persönliches Testergebnis zu einer der obigen Fragen und noch einigem mehr mitgeteilt bekommt.
Einen etwas anderen Weg geht das Max Planck-Institut (MPI) für empirische Ästhetik in Frankfurt mit seiner Abteilung Musik. Hier werden die Fragen etwas weiter gestellt und versucht den ästhetischen, emotionalen und soziologischen Hintergrund zu erfassen: Worin besteht die Lust am Unvorhersehbaren? Unter welchen Bedingungen erleben wir Musik als schön? Wie kommt es beim Musikhören zu einer völligen Absorption und was genau geht da vor sich? Wie heterogen kann Musikgeschmack sein und wer bevorzugt was? Was sind musikalische Schlüsselerlebnisse und welchen Einfluss haben sie auf die Entwicklung des Musikgeschmacks? Und gibt es Diskrepanzen zwischen geäußertem Musikgeschmack und tatsächlichem Hörverhalten?
Ein lesenswertes und nicht ganz unamüsantes Ergebnis, das ganz nebenbei die Eingangsfrage teilweise beantwortet ist beispielsweise die Arbeit von Paul Elvers: Songs for the Ego: Theorizing Musical Self-Enhancement. Im Abstract sagt er:
I claim that listening to music serves as a resource for actively manipulating affective states so that a positive self-view is maintained and a sense of optimism is provided. Self- enhancement—the process by which individuals modify their self-worth and gain self-esteem—typically takes place in social interactions. I argue that experiencing music may serve as a unique “esthetic surrogate” for interaction, which equally enables self- enhancement.
Life and music etc beyond mainstream: betreiben wir hier also mit einigem Spaß ein nebenwirkungsarmes Self-Enhancement indem wir Neuentdeckungen, Liebgewonnenes, Liegengebliebenes, personal Lifers, Eigenwilliges und Wiederentdecktes auf Resonanzen oder Schnittmengen untersuchen und uns über nette, zustimmende oder weiterführende Kommentare freuen? Wahrscheinlich schon, denn wie schon Hermann Hesse treffend bemerkte: Eigensinn macht Spaß! Aber reiner Hedonismus ist sicherlich nicht alles. Das Trittbrettfahren auf den musikalischen Erfahrungen und den poetischen Skizzen des Nichtalltäglichen der anderen Autoren sind oft wunderbare Reisen hinter die Spiegel, die vielleicht verhindern, dass unsere Phantasiekräfte sich in den monochromen Netzen des täglichen Stumpfsinns verfangen. Zeitreisen und Neulandfahrten scheinen dazu bestens geeignet.
Aber eines gerät dabei bei all der Freude (oder gerade deswegen) mitunter ganz an den Rand: Disliked Music – das Ablehnen bestimmter Musik oder bestimmter Musikstile – ein vernachlässigtes Phämomen. Auch hier ist eine Forschergruppe des MPI daran die psychologischen und soziologischen Zusammenhänge und Funktionen der Abneigung gegen einzelne Musikstücke oder -stile zu erforschen, was mich neugierig macht und mir mindestens so interessant wie die Affinitäten erscheint …