Manafonistas

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1977, lange bevor Asmus Tietchens seine erste Soloplatte veröffentlichte, ereilte ihn ein Notruf von Hans-Joachim Roedelius. Dieser stand mit Dieter Moebius im Studio und hatte bei Conny Plank für das Album Cluster & Eno 30 Minuten Musik mit Brian Eno eingespielt. Der allerdings musste sich dann nach England verabschieden. Weil aber 30 Minuten zu wenig für ein Album sind, andererseits der Termin fürs Schneiden der Plattenmatritze schon gebucht war, musste flugs noch ein weiteres Stück her. Das spielten dann Asmus Tietchens und Okko Bekker in Okkos Audiplex-Studio ein, sechseinhalb Minuten lang und „One“ betitelt. Zu hören sind Gitarre, präpariertes Klavier und Sitar. Weder Eno noch Roedelius oder Moebius sind an dem Stück beteiligt. Interessanterweise fand Manfred Gillig seinerzeit in seiner Albumrezension in der „Sounds“, mit seinen „orientalisch gefärbten Sitar- und Perkussionsklängen“ beziehe das Stück „schon eher Stellung“ [als der Rest der LP] und erinnere an Enos Another Green World. Kann man so sehen, obwohl es sich nach meinem Dafürhalten sehr gut in den Rest des Albums einfügt, das ich im übrigen bis heute sehr liebe.
 
 
 

 
 
 
Liliental, aufgenommen 1976, veröffentlicht 1978, ist keine Band, sondern eher ein Zufallsprodukt. Tietchens findet die Platte nicht wichtig, aber sie ist seine erste Äußerung als Musiker, die auf einem Tonträger erschienen ist. Eigentlich sollte dies eine Soloplatte von Dieter Moebius werden, der allerdings dann Tietchens und Bekker einlud, daran mitzuwirken. Die Möglichkeit, eine Woche lang umsonst Connys Studio zu nutzen, ließen sich die beiden nicht entgehen, und durch Zufall — wegen einer Kraan-Produktion — fanden sich dort noch Bassgitarrist Hellmut Hattler und Saxophonist Johannes „Alto“ Pappert ein. Conny Plank selbst griff zur Gitarre, und so entstand dieses Album, mehr oder weniger aus Sessionsituationen heraus. Tietchens, Bekker, Moebius und Plank sind auf allen sechs Tracks zu hören, Hattler auf den Stücken der Seite 1, Pappert auf den Stücken der Seite 2.

Das Album schwankt zwischen Experiment und Unterhaltung, ist in jedem Fall angenehm zu hören und gilt heute als eine Art Krautrock-Geheimtipp.
 
 
 

 
 
 
Letzteres kann man von der Cripple Story bei allem guten Willen nicht sagen. Aufgenommen wohl 1967, wurde die Story 1985 als EP mit dem Untertitel „Ein Streichquartett“ als Privatpressung mit einer Auflage von drei Exemplaren veröffentlicht. Zu hören sind E-Bass, E-Gitarre, Geige und Balalaika, sämtlich mit dem Bogen malträtiert. Vier Tracks, der letzte ist eine Veralberung der deutschen Nationalhymne, gewidmet ist das Ganze Rolf Zander, Tietchens‘ und Bekkers Musiklehrer am Kaifu-Gymnasium.

„Kaifu“ steht für „Kaiser-Friedrich-Ufer“, eine Straße in Hamburg-Eimsbüttel, an der sich das gleichnamige Gymnasium befindet. Tietchens und Bekker gingen dort zur Schule. Ich kenne das Gebäude auch gut, ich musste jeden Morgen dort vorbei zum benachbarten Bismarck-Gymnasium. Und wer will, kann das ehrwürdige Bauwerk auch in dem bahnbrechenden Filmdrama „Zur Hölle mit den Paukern“ von 1967 (Teil 1 der Septologie „Die Lümmel von der ersten Bank“) in Augenschein nehmen. Die Cripple Story legt beredtes Zeugnis von der anregenden Atmosphäre dieses Instituts ab und wird neben den Werken György Ligetis und Dieter Bohlens seinen sicheren Platz in der Musikgeschichte finden.
 
 

Cluster & Eno
1977, Sky Records 010

Liliental
1978, Brain Records 0060.117

Cripple Story
1985, Aurecs 001, heute enthalten auf dem Album „Adventures in Sound

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1 Comment

  1. Michael Engelbrecht:

    Diese Hintergrundgeschichte stellt meine Hörerfahrung auf den Kopf, haha. Ich war mir ganz sicher, auf ONE spielt auch ENO, zumal das Wort ein Anagramm seines Namens ist – steht das in der Roedelius-Autobiografie? Erstaunlich. Wird in den Forster Tagen natürlich erzählt werden, es sind bis jetzt 8 Teilnehmer für meine Zeitreise an die Weser („The Big River“ auf BAAS war diesem Fluss gewidmet).


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