Manafonistas

on life, music etc beyond mainstream

2017 18 Apr

Das Leben ist kein „Bilderbuch“

von: Lajla Nizinski Filed under: Blog | TB | 4 Comments

Schon als Studentin schlenderte ich gerne über den Kirmesplatz. Mich interessierten weniger die Fahrgeschäfte sondern mehr das fahrende Volk. Unter den Schaustellern gab es Typen, denen ich nicht allein im Wald hätte begegnen wollen. Manche, die an den Boxautos z. B., sahen aus, als ob sie schon aus dem Knast heraus als Schausteller angeheuert hätten. Es gab aber auch immer die hochtoupierten Damen an der heißen Mandeltheke, die ihren unwiderstehlichen Blick auf Ding und Mensch warfen und man niedergedrückt mit Kantschem Gemüt weiterging: was soll ich tun? An den Schiessbuden stand mitunter adrettes Volk, Mann weniger Weib: Ich will ´nen Cowboy als Mann.

Die WILDE MAUS ist ein Fahrgeschäft auf dem Prater in Wien. Dort treibt sich ein renommierter Musikkritiker herum, der sich schämt, zuhause zu sagen, dass er wegrationalisiert wurde. Junge Praktikantengören glauben, dass sie was von Musik verstünden und ziehen an dem geschmacklosen Kaugummi: Anton Bruckner versa The White Stripes. Sie reichen längst nicht an das Können des Kritikerpapstes heran und schon gar nicht an seinen ausserordentlichen Erfindungsreichtum, der ihm einfällt, um seinen Chef platt zu machen. Zuhause geht es eher langweilig zu, seine alternde Gattin will noch den Eisprung wagen. „Das Tun des Einen ist das Tun des Anderen.“ Das haben wir von Helmut Stierlin gelernt! Die beiden leben außerhalb ihrer Beziehung das aus, was im Eheleben nicht stattfindet.

 

Du rufst mich an und du fragst mich wie’s mir geht
Ich ruf dich an und ich frag dich wie’s dir geht
You call me to say you’re running late
And you were already really late
I’m sorry if I don’t get all of it
I’m sorry if I end up going home
Then you hit me up
And just like that you’re candy again

 

So singt die Wiener Band BILDERBUCH in dem Song BUNGALOW. JOSEF HADER, der mit diesem Film Wilde Maus sein Regiedebüt gibt, gelingt es durchaus, die neue Popmusik von BILDERBUCH mit den alten Klassikern (Mozart, Händel, Strawinsky …) zu verbinden, und er ist ganz und gar nicht „krampfhaft junggeblieben“ dabei, sondern tragikomisch wie im richtigen Leben, in dem er bekanntlich Kabarettist ist.

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4 Comments

  1. Jan Reetze:

    Schön, dass ich hier nicht der Einzige mit dieser unheilbaren Kirmesliebe bin …

    Mich interessiert allerdings eher die akustische Sauce, die da über einem ausgegossen wird. Eine frühere Mitstudentin von mir hat immer auf dem Hamburger Dom in einer Geisterbahn als Erschreckerin gejobbt. Es dauerte immer ungefähr eine Stunde, bis sie im Kostüm war. Durch sie habe ich damals auch mal einen kleinen Blick hinter die Kulissen eines solchen Fahrgeschäfts werfen können. Und ich habe auch immer noch die Absicht, ein Drehbuch in dieser Szene anzusiedeln. Inhalt weiß ich noch nicht, aber den Titel: JUNGER MANN ZUM MITREISEN GESUCHT.

  2. Martina Weber:

    Als wären verschiedene Panels eines Comics durcheinandergeraten. Und wir sitzen davor und jeder bastelt sich seine eigene Geschichte.

    Ale Teenie, mit Kaugummi in der Tasche und der frischen Erkenntnis, welche Zutaten für einen Mailstreamsong nötig sind und wie langweilig das auf die Dauer ist, betrat ich auf einem Jahrmarkt ein Gerät, eine Mischung zwischen Riesenrad und Achterbahn.

    Es war Geschwindigkeit hoch zwei und es nannte sich „Waschtrommel“. Ich glaube, ich hab mich hauptsächlich wegen dieser seltsamen Bezeichnung darauf eingelassen und weil ich etwas avantgardistisches machen wollte.

  3. Lajla:

    Ja übernächstes Manatreffen auf der großen Rheinkirmes … :)

    Ich sah den Film Wilde Maus von Josef Hader gestern Abend hier in einem Programmkino. Der Musikkritiker arbeitet in dem Film beim „Wiener Express“. Um peinlichen Fragen nach der Kündigung auszuweichen, sagt er, er schreibe jetzt an einem Buch. Was diesen Film so lustig und zeitgemäß macht, sind die Dialoge des Establishments, das bereits im Käse die Attacke auf die Gesundheit wittert u.a.

    Martina, in welchem Zustand kamst du aus der „Waschtrommel“ raus?

    Jan, ja nirgends sonst als auf dem Rummelplatz hörst du noch echten Twist und Rock’n Roll oder „Weiße Rosen aus Athen“.

  4. Martina Weber:

    Lajla, seit sich die Waschtrommel damals öffnete und mich frei gab, habe ich nie wieder eine Waschtrommel betreten :)


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