Manafonistas

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2017 7 Apr

In den Zustand eines sendebereiten Radios versetzen (3)

von: Martina Weber Filed under: Blog | TB | Comments off

„Gehen ist das stärkste kreative Werkzeug, das ich kenne,“ schreibt Julia Cameron. Da sind die Bilder, da ist Bild für Bild, in einem Tempo, das wir verarbeiten können, da ist die Atmung, die sich beruhigt, und die bloße Fortbewegung verändert die Stimmung in uns und setzt etwas in Bewegung. Ich bin immer gern abends Fahrrad gefahren, schon als Schülerin und obwohl ich schon 14 Kilometer Strecke für den Schulweg hinter mir hatte, ich setzte manchmal den Walkman auf, hatte meine Lieblingskassetten zurechtgespult, hörte ein paar Songs, ich suchte den Weg durch Feldwege, ich kannte einige, die noch nicht asphaltiert waren, ich fuhr den Fluss entlang, am liebsten zur Zeit der Dämmerung, am liebsten allein. Es ist etwas Sportliches dabei, aber das Gehen hat eine andere Qualität. Auf dem Schulweg war mir fast jeden Tag ein Mann aufgefallen, der den Fluss entlang, unter den Kastanien, zu Fuß ging. Der Mann wirkte so unauffällig, dass ich kaum etwas über ihn sagen könnte, er war groß und schlank und er trug völlig normale Kleidung, ich wüsste nicht einmal mehr, ob er eine schmale braune Aktentasche trug, die wohl zu ihm gepasst hätte, er hatte eine Entscheidung getroffen. Es muss nicht der Jakobsweg sein. Ich war vielleicht sechzehn, als ich an einer Fußwallfahrt teilnahm. Es hatte keinerlei religiöse Gründe, eher soziale, es war eine Gruppe junger Leute und wir wanderten durch den Odenwald, mit einem großen schweren Holzkreuz, das meistens auf den Schultern der älteren Jungen lag, ich hatte es nur ein Mal eine kurze Strecke getragen. An einem Abend stand eine Fußwaschung auf dem Programm. Wir bildeten Zweiergruppen und wuschen einander die von der Wanderung schmutzigen und verschwitzten Füße. Jemandem etwas erlauben, was man sonst kaum jemals so bewusst für sich selbst tut. Ein spiritueller Akt. Beim Gehen entwickeln wir ein Gefühl für eine Landschaft, für einen Ort, für die anderen und für uns selbst.

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