Gesucht und gesucht hab´ ich, allein, ich konnte sie nicht finden. Zwischen 1997 und 1998 hat Michael Naura eine Weltmusik-Sendung anmoderiert, also da blieb wirklich kein Auge mehr trocken. Meine unzähligen Kassetten sind natürlich bestens geordnet und ausgezeichnet, aber Pech, die TDK-90 mit dieser Sendung von Naura ist nicht zu finden. Gerne hätte ich ein paar Sätze aus diesem Beitrag hier zum Besten gegeben. Beim Thema Weltmusik konnte der Meister ja richtig garstig werden, da war dann von „Gemischtwarenwahnsinn“ oder „Multi-Kulti-Gepansche“ die Rede. Sprachlich gewaltig war Naura ja wie sein Freund Peter Rühmkorf. Letzterer schrieb einst Haltbar bis Ende 1999 und widmete das Gedicht Michael Naura, dem Krapotkin des Pianos.
2002 veröffentlichte Naura das Buch Cadenza – Ein Jazzpanorama, hierin findet sich besagtes Gedicht quasi gleich zu Anfang, dort heißt es:
Kommkomm, die Haare liegen doch, der Schal sitzt.
Irgendwann muß sich einer vermutlich entscheiden,
ob er Dichter oder Pressereferent werden will:
Andere in deinem Alter
bieten heut schon den Landesvater;
andere lungern noch immer herum, wo´s grad was zu glauben gibt –
Ich aber sage euch, dieses totenwurmhafte Geticke
darf doch nicht alles sein
H i e r i s t e i n r i c h t i g e s H e r z, d a s s c h l ä g t!
N i c h t s d r u m h e r u m.
Und dann bietet Naura Sounds aus dem Blätterwald, Essays zu Monk, Taylor, Wynton Marsalis, Knef, Bill Evans, Jarrett und vielen anderen. Es folgen vier kurze Texte im Flattersatz: zum Beispiel ein Abgesang auf den Jazz, eine Grabrede oder Naura geht der Frage nach: Welchen Jazz hört Gott?
Dann Sieben purpurne Märchen, herrlich, über einen Bluesmusiker, eine Jazzsängerin, eine Jazz-Pianistin, einen Saxophonisten (der träumte, er hätte zwei Köpfe), eine Jazz-Flötistin, eine Jazz-Komponistin und einen Jazz-Trompeter (der ein Freund von Dizzy Gillespie war, aber noch mehr ein Freund der Wolken).- Unsere Neugier wird befriedigt durch den Abdruck von Briefen an Naura, etwa vom Staatsminister beim Bundeskanzler Dr. Michael Naumann, Joachim-Ernst Berendt (sechs gedruckte Seiten lang!), Friedrich Gulda und – wow – Carla Bley: June 26, 1998 Dear Michael – Good to hear your voice! We were just talking about you (Fancy Chamber Music is coming out in Europe this week – with your Commission on it). Here are a few things you might not have. (Wow! A 10 hour program of me?) And a catalog in case you want anything else. Say hi to Christine. Stay well. Carla.
Und es gibt noch viel mehr zu entdecken in diesem Buch.
Aber ich gehe jetzt erst einmal ganz schnell zu meinem Plattenschrank und nehme Carla Bley: Fancy Chamber Music heraus und erfreue mich an dem wunderbaren Wolfgang Tango, dem fast fünfzehnminütigen Eingangstück der Platte …