Einer jener rätselhaften Aussprüche des signifikanten Herrn Lacan, seines Zeichens Analytiker mit Bürgerschreck-Attitüde, der bezeichnenderweise mit Surrealisten wie Breton oder Dalí befreundet war, lautete: „Die Angst ist das Einzige, das nicht täuscht.“ In dieser Ausschliesslichkeit („Das Einzige“) mag das nicht stimmen, doch interessant ist´s allemal. Hinweis auch auf den Tatbestand, dass Angst zweckdienlich vor Gefahren warnt, dies wusste schon der Urzeitmensch. Philosophisch nun stellt sich die Frage allgemein: „Was täuscht?“ Die Illusion kommt hier ins Spiel und der Lateiner weiß: mit etwas sein Spiel treiben, das wird vom Verb illudere ja hergeleitet. Das Täuschende ist jedoch nicht immer maliziös und irreführend, oft unterhaltsam auch und spannend: Illusion und Illumination, das hängt zusammen. Was aber täuscht, ist die Ansicht, dass gewisse Dinge unabänderlich seien. Wer beispielsweise Utensilien auf einem Schrein posiert und diese dann andächtig anbetet, muss sich nicht wundern, wenn hier gewaltig was ins Stocken gerät.
Auch im Kulturbetrieb kommt ja dergleichen vor. Man möge sich vor Augen halten, dass fertige Kunstgemälde oder auf Tonträger konservierte Studioaufnahmen kontingente Momentaufnahmen sind, statische Abschlüsse vorangegangener Fliess- und Fleissprozesse. Befremdlich zuweilen, solcherlei Platten dann als Kultobjekt zu sehen. Gone to Earth von David Sylvian und Robert Fripp sei hier genannt. Einem Interview mit ersterem entnahm ich, die Arbeit sei nicht abgeschlossen gewesen, es bestanden wohl auch Dissenzen unter den Mitwirkenden. Aber auf Druck der Plattenfirma hin wurde dann vorzeitig veröffentlicht. Funny enough, wenn hinterher der Fan das Unfertige als etwas Geniales lobpreist. Das Handwerk macht diesem oft zu Fatalismus führenden Unabänderlichkeitsglauben wirksam den Garaus. Denn der Handwerker weiss: man muss sich zu behelfen wissen. Als ich einem Freund erzählte, es sei etwas völlig Anderes, auf einem selbst zusammengebauten Fahrrad zu fahren als auf einem fertig gekauften, entgegnete dieser: „Ja, man steckt da drin.“