Je mehr ich über die politische Lage im Norden Malis lese, desto unklarer erscheinen mir die Verhältnisse. Selbst die Stämme der Tuareg scheinen sich uneins in ihren Vorstellungen, Unabhängigkeit zu erlangen. Als Gruppe, die sich westlichen Einflüssen öffnete, galt Tinariwen den zerstörungswütigen Fundamentalisten als „satanische Musik“. 2012 war ein einschneidendes, bitteres Jahr für die Gruppe, die gleichsam ins Exil gezwungen wurde. Ich fand die Musik der Band faszinierend, ohne dass sie mich je wirklich packte. Einmal interviewte ich einen der Musiker in Köln, während nebenan ein Gebetsteppich ausgerollt wurde, ich kam mir wie ein Touristendepp vor mit meinem Schulfranzösisch. Die Religion ist mir fremd, das Land ist mir fremd, die Musiker sind mir fremd, und egal, wie populär die Musik Malis bei uns wurde, ich kam mir stets vor wie ein Oasengast auf Bildungsreise. Und dann hörte ich heute, laut, das neue Album der Band, es heisst „Elwan“. Es erging mir wie in den phantastischen Geschichten, die jeder schon mal gehört hat, aus 1001 Nacht, oder aus der Parapsychologie, von Menschen, die angeblich im Traum eine fremde Sprache verstehen und sprechen, als wäre es nichts. Ich war auf einmal mitten in der Musik, „under a spell“. Keine schlauen Sätze schwirrten durch den Kopf. Da ich meinen Ohren nicht traute, hörte ich „Elwan“ noch einmal. Ich glaubte zu träumen, und sage das nicht nur so dahin. Sollte mir in diesem Jahr noch irgendwann eine ähnlich archaische Musik zu Ohren kommen, würde es mich wundern. Eine herausragende Produktion, in jeder Hinsicht. Zwei Platten sind schon in meinen Top 10 des Jahres angekommen, „Elwan“ und „Reflection“.