on life, music etc beyond mainstream
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Die Anekdote, wie Robert Fripp von Eno und Visconti in die Hansa-Studios in Berlin gebeten wurde, um für „Heroes“ ein Solo hinzulegen, ist wohl hinlänglich bekannt. Am Ende nutzte Visconti im Mix einfach alle drei unterschiedlichen Takes gleichzeitig und und gab dem Lied seine Outworldliness.
Ist Fripp wohl auch nicht so der redselige Interviewpartner vor diversen Kameras auf der Suche nach musikhistorischen Geschichten, so ist es vielleicht umso schöner, dass Carlos Alomar, Earl Slick, Gerry Leonard, Nile Rodgers und Gail Ann Dorsey interessante kleine Erinnerungen an die Entstehung verschiedener Songs und aus unterschiedlichen Arbeitsphasen teilen können. Ich stolperte letzte Nacht über dieses schöne kleine Video.
Als sympathische Fortsetzung ein Auszug aus einer Doku von BBC Arts von letzter Woche:
David Bowie inspired and challenged his musicians. But what did they think of him? Here, some of the star’s longest-serving players – Earl Slick, Mike Garson, Gerry Leonard, Catherine Russell and Sterling Campbell – get together over a meal to discuss their old boss.
Kleine Hommage zum Siebzigsten (etwas verspätet).
2017 13 Jan
Michael Engelbrecht | Filed under: Blog | RSS 2.0 | TB | Comments off
Nun, als allererstes nahm ich den Lungenfunktionstest in Angriff. Das war vor drei Tagen. Zu Beginn der atypischen Lungenentzündung kurz vor Weihnachten hatte ich ja ein Lungenvolumen von 50 Prozent, bekam zwar genug Luft, aber bei so einem Wert musste ich erst mal schlucken. Als es mir wieder deutlich besser ging, kletterte der Wert bei der Nachuntersuchung zu Jahresbeginn zwar auf 73 Prozent, was immer noch sieben Zahlen unter „okay“ bedeutet, aber, so sagte man mir, 5 Prozent könnten sich wohl noch hinzugesellen. Der CRP-Wert für Entzündungen betrug beim Höhepunkt der Erkrankung unlustige 265, was einen ziemlich dramatischen Wert abgibt.
Nun also, vor drei Tagen, gab ich meinen Auftritt als Bläser bei meinem Hausarzt in Dortmund. Als ich auf Anweisung der Assistentin mit aller Macht ausblasen sollte (nachdem ich ganz tief eingeatmet hatte), gab ich alles und krümmte mich unwillkürlich dabei wie ein Trompeter in Exstase. Daran war zwar guter, ja, bester Wille abzulesen, aber das Resultat unleserlich. Ich durfte den Versuch wiederholen, ohne Körperverrenkungen jedweder Art. Ich weiss, diese Zeilen sind nur unwesentlich spannender als das Belauschen eines Gesprächs über Nierensteine beim Arzt Ihres Vertrauens. Aber die Pointen kommen noch.
Mein Lungenvolumen war bei 115 Prozent, und auch wenn man für mein Doping mit Berodual ein bisschen was abziehen kann, ist das Volumen wieder richtig gut. Dermassen fröhlich gestimmt, fuhr ich von einem Randbezirk meiner alten Stadt in die City, und kaufte zwei belegte Brötchen. Ich ging zu Starbucks, in den BVB-Fanshop, und als ich zu meinem Auto zurückkehrte, war es gestohlen.
Man denkt ja erst, man habe einen Blackout und es woanders abgestellt, aber schnell war die Gewissheit da (drei Minuten zum Realisieren trauriger Wahrheiten), dass es, Glück im Unglück, zumindest nur abgeschleppt worden war. Ich hatte schlicht übersehen, dass ich, abgelenkt vom guten Ausgang meiner „Trompetennummer“, auf einem Behindertenparkplatz stand. An der Abholstelle durfte ich 110 Euro hinblättern, um meinen Toyota auszulösen.
Auf dem Weg in meine neue Stadt war ich nicht mehr weit vor der letzten Ausfahrt, als ich ein vor mir schleichendes Auto überholen wollte. Ich setzte den Blinker und fuhr auf die Überholspur. Von weit hinten kam ein schwarzer Kastenwagen angeschossen, mit ungefähr 240 km/h, wie ich im nachhinein vermutete. Das Problem war, er machte keine Anstalten, vom Tempo runterzugehen, was ich realisierte, als er mir bedrohlich nahe kam. Andere reissen da das Steuer herum und produzieren einen Unfall. Dieser Andere hätte auch ich sein können, ich habe ja nie einen Schleuderkurs gemacht.
Mein „Schutzengel“ übernahm, und in seltsamer Ruhe brach ich den Überholvorgang ab, reihte mich hinter dem Schleicher ein, während der schwarze Kasten Sekundenbruchteile „später“ an mir vorüberschoss. Ich hatte ein Flashback an die Geschichte mit dem LKW-Fahrer vor zwei Jahren, ich hatte ihm in Notwehr das Nasenbein gebrochen mit der Seitentür des Toyotas, und setzte sofort, etwas sinnbefreit, zur Verfolgung an. Ich werde in solchen Augenblicken wirklich unlustig. Ich winkte das Auto an den Rand (er fuhr tatsächlich nur noch 120 km/h), und sah, wie eine Frau auf dem Beifahrersitz massiv auf den Fahrer einredete, mit wütender Gestikulation, und sie meinte nicht mich. Der Psycho reagiere nicht auf meine Zeichen, und ich bog ab, war selber überrascht, dass ich hinterher keine Anzeichen eines kleinen Schocks hatte.
Zwei Tage darauf ergab das grosse Blutbild, dass mein vor Wochen so entspannt in die Höhe geschnellter Entzündungswert auf traumhafte 0,06 gefallen war, und der Blick auf das restliche Zahlenbild produzierte pure Heiterkeit, all unseren endlos gezählten Tagen zum Trotz. Alles war gut. Und von da an, nachdem ich die Soloparty für einen Nachmittag mit „Donnie Darko“ als „special guest“ auf der grossen Leinwand für beendet erklärte, ging es erst richtig los.
2017 13 Jan
Gregor Mundt | Filed under: Blog | RSS 2.0 | TB | Comments off
György Márta Kurtág: „In memoriam Haydée – Játékok, Games and Transriptions“
Vor knapp zwei Jahren, im Februar 2015, veröffentlichte ECM News Series einen Filmmitschnitt eines Pariser Konzerts von György Kurtág und seiner Frau Márta: „In memoriam Haydée – Játékok, Games and Transriptions“ (ein Film von Isabelle Soulards). Erst kürzlich habe ich diese DVD entdeckt und bin einfach hin und weg, was für ein Konzert, was für eine wunderbare Musik. Gewidmet ist dieser Film Haydée Charbagi (1979-2008), einer Musikwissenschaftlerin, die mit den Kurtágs befreundet war. Das Konzert fand am 22. September 2012 in der Cité de la Musique/Paris statt. Die Musik, die sie teils zusammen, teils jeweils allein vortragen, überrascht mich nicht. Mich erinnert ihr Programm an Grete Sultan (Plattenschrank 32), die große jüdische Pianistin, die von Deutschland in die USA emigrieren musste, um zu überleben und sich dort mit John Cage anfreundete. Für sie war es normal und überhaupt nicht ungewöhnlich, das Nebeneinander von Werken aus Barock, Klassik, Romantik und zeitgenössischer Klavierliteratur (z.B.John Cage). So spielen eben auch die Kurtágs eigene zeitgenössische Werke – hier sind es Stücke aus der Játékok-Sammlung – und Bach-Transkriptionen. 1997 veröffentlichten die beiden Kurtágs schon einmal eine CD bei ECM unter dem Titel Játékok, auch hier spielten Marta und György Kurtág eigene Werke und eben J.S.Bach. Kürzlich las ich, dass `Játékok´ das ungarische Wort für `Spiele´ oder `Spielsachen´ sei, so nennt Kurtág seine stetig wachsende Sammlung kurzer spielerischer Stücke. Musik, bei der es ständig etwas zu entdecken gibt, voller Überraschungen.
György Kurtág konnte vor knapp einem Jahr seinen neunzigsten Geburtstag feiern, auch seine Frau Màrta dürfte Ende 80 sein, es ist bewegend diese beiden gemeinsam musizieren zu sehen und zu hören.
Hier die wichtigsten György-Kurtág-Werke, die, über der eben vorgestellten DVD hinaus, bei ECM erschienen sind:
György Kurtág / Robert Schumann: Hommage à R. Sch. mit Kim Kashkashian, Robert Levin, Eduard Brunner 1995
Játékok Marta und György Kurtág und J.S.Bach 1997
Kim Kashkashian, Netherlands Radio Chamber Orchestra, Peter Eötvös: Béla Bartók / Peter Eötvös / György Kurtág 2000
Juliane Banse, András Keller: György Kurtág: Kafka-Fragmente 2008
Der Sohn des Meisters, György Kurtág jr, veröffentliche 2009 Kurtágonals mit György Kurtág jr., László Hortobágyi und Miklós Lengyelfi
Kim Kashkashian: Kurtág / Ligeti: Music for Viola 2012
2017 12 Jan
Michael Engelbrecht | Filed under: Blog | RSS 2.0 | TB | Comments off
PHÄNOMEN: Ein „Klarträumchen“, ein kurzes Vergnügen, aber ein grosses. Werde um 4 Uhr wach, sehe den Schnee draussen, mache einen „reality check“, bin in keinem Traum, obwohl die Szenerie traumartig ist. Ich nehme „Lucidimine“, lege mich ins Bett, und liege still, warte auf hypnagoge Bilder. Liege länger wach. Auf einmal, neben meinem Bett zwei funkelnde kleine Kaleidoskope, holla, ich träume und bin hellwach. Durch meinen Körper wirbeln wellenartige „Kribbelgeräusche“, sehr angenehm, ich werde um die Achse meines Traumkörpers gewirbelt, fühle aber (ganz wenig) noch den schlafenden Körper im Bett. Das Abenteuer könnte beginnen, doch ich werde von einem ganz realen Geräusch daran gehindert, vollständig in der Traumwirklichkeit anzukommen.
WILD UND DILD (1): Im Grunde passierte hier herzlich wenig, und als es richtig losgehen konnte, war es auch schon zuende. Aber, en detail, war es sehr interessant. Man unterscheidet, grob, die WILD- und die DILD-Techniken. Bei den DILD’s (dream induced lucid dreams) erkennt man im Traum, dass man träumt, bei den WILD’s (wake induced lucid dreams) gleitet man bewusst in den Traum hinein. Letztere Techniken gehen auf uraltes tibetisches Yoga zurück. Ich habe das nur wenige Male in meinem Leben erlebt, und dann immer morgens, in den längsten REM-Traum-Phasen, und stets mit einem „Nahrungsergänzungsmittel“. Heute war es „Lucidimine“, ein Cocktail aus vier Substanzen (und absolut unschädlich, wenn man sich schlau macht und kundig damit umgeht – das sind keine „Drogen“!).
WILD UND DILD (2): Dieser Miniklartraum war einer Mischung aus WILD und DILD: ich erkannte ja erst durch den Realitätscheck im Traum, dass ich träumte: zwei „funkelnde Kaleidoskope“ liegen nun mal nicht neben meinem Bett. Nach dieser Erkenntnis spürte ich gleichzeitig den physischen und den Traumkörper – passiert bei der WILD-Technik oft. Das Faszinosum ist, wie sich bei vollem Bewusstsein der Traumkörper vom im Bett ruhenden Körper ablöst. Das gelang mir heute nur unvollständig, aber es war schon irre: diese „Kribbelschauer“ zogen durch verschiedene Areale des „gefühlten“ Körpers, dann der Sog, der mich bei vollem Bewusstsein einmal herumwirbelte, und alles wäre einen spannenden Weg gegangen, hätte micn nicht ein triviales Geräsuch aus der wirklichen Welt aufwachen lassen.
PROJEKT: Für Einsteiger noch praxisorientierter als der Klassiker von Stephen LaBerge ist das Taschenbuch „Luzides Träumen“ von Andreas Schwarz. Ich werde nun nicht jeden Klartraum notieren, schon gar nicht solche netten Rohrkrepierer wie diesen. Nur aussergewöhnliche Klarträume sollen in Zukunft einfliessen. P.S.: heute wird das neue Album der Flaming Lips in meinem Postkasten landen, eine Musik, die bestens für den einen oder anderen „reality check“ („Träum ich oder wach ich?“) geeignet ist.
2017 11 Jan
Michael Engelbrecht | Filed under: Blog | RSS 2.0 | TB | Tags: Brit Marling, netflix, The OA | Comments off
„Well, you can look, you’ll walk in circles around me.
But first, I’ll walk in circles ‚round you.
But first, I’ll walk around the world.“(Talking Heads, Thank You For Sending Me An Angel)
It’s always good when you don’t really understand (exactly) what’s going on, in storytelling. You might think you are on the right track, seeing clearly, and, suddenly, you’re wrongfooted, in nowhere land. (One reason, why i have a knack for great thriller books and crime novels.) It happens in your daily life anyway, but you prefer to retell the story of your life again and again (in the same manner) to produce the illusion of consistency. What you tell yourself often keeps your world more solid, super solid in times, though rock bottom is never that far away. And sometimes it produces demons, phantoms that are only brought into existence by the stories you tell.
THE OA is a masterpiece in analyzing the mechanisms of „modern griot“ / „campfire stories“. The writers of the eight episodes have an immense knowledge about near-death experiences (the literature, I mean), gestalt therapy, the Milton Erickson school of hypnosis – and techniques of suspense. If you want to succeed in the field of „psycho fiction“ and „mystery“, you have to stick to two rules: 1) Beforehand, move deep into parapsychology which is the scientific attempt to describe and explain enigmatic/so-called otherworldly phenomena, & 2) Stay brave, and leave your own comfort zones way behind you.
THE OA succeeds on many levels (also it is such a wonderful blend of rather disparate genres!) – and of course such a series gets enchanted as well as sobering reviews. Surely, I fell a bit under the spell of the master performance of Brit Marling. But don’t think I have a knack for the oh-so-mysterious-things. You remember the movie INCEPTION? That might surely be good stuff for people to open up for lucid dreaming or other strange states of the mind. But, slightly in opposition to the mainstream enthusiasm, I think it is an overloaded piece of crap. Self-indulgent, in false love with its own virtuosity.
My recommendation: don’t read anything on THE OA, no spoilers, just dive into it, and have a good look where you will end up. Might be, it makes a special proposal: you could (possibly) start telling a short, maybe a very short, tiny new story. About these „stranger things“ simply (simplified) called „you and your self“. Or you just say: „C’m on, Michael, this really is a bit far-fetched!“ Is it? Never ever trust people who celebrate their version of knowledge with fucking seriousness and a complete absence of self irony.
2017 10 Jan
Uli Koch | Filed under: Blog | RSS 2.0 | TB | Tags: Ben Patterson | 3 Comments
Der im vergangenen Sommer verstorbene Wahlwiesbadener Kontrabassist und Fluxus-Künstler Ben Patterson hat einmal Ameisen über Notenpapier laufen lassen, um Partituren zu erstellen und John Cage setzte Sternkarten in Klavierstücke um. Seitdem mir dies zu Ohren gekommen ist, faszinieren mich Strukturen in meiner Umgebung und oft frage ich mich, welche Musik, welches akustische Ambiente sie hervorrufen oder darstellen könnten.
Verbirgt sich hier vielleicht ein Stück aus „Eskimo“ von The Residents, von „Nuuk“, „Nunatak“ oder „Permafrost“ von Thomas Köner oder vielleicht sogar von „Polar Sequences“ von Biosphere & Higher Intelligence Agency? Oder ist, wie so oft, alles offen?
I.
II.
2017 10 Jan
Michael Engelbrecht | Filed under: Blog | RSS 2.0 | TB | Tags: Brian Eno, Discreet Music, My Foolish Heart, Ralph Towner, Reflection | 3 Comments
Gestern war ein trüber Tag. Nach meinem Spaziergang „über den Berg“ (ich wohne nicht am Alpenrand oder im Mittelgebirge, also war die Angelegenheit in einer knappen Stunde erledigt) machte ich mir eine grosse Tasse Assamtee, verdunkelte mein Musikzimmer, und hörte in der Folge zwei Platten, die jeweils von einem Künstler allein eingespielt wurden. Eine Kerze vertrieb das Restgrau, das durch Vorhangsspalten huschte. Das eine Album heisst „REFLECTION“, das andere „MY FOOLISH HEART“. Zuerst Ralph Towner, dann Brian Eno. In der Pause bereitete ich mir eine weitere Tasse Tee zu, diesmal grünen. Obwohl Towners Sologitarrenmusik die Aufmerksamkeit des Hörers unmittelbarer einfordert als „Reflection“, kann man sich dabei auch, mit geschärftem Bewusstsein, tief entspannen. Und es gäbe einiges zu sagen zum siebten puren Soloalbum des amerikanischen Musikers. Man merkt gar nicht, wie konzentriert die Kompositionen sind, es erscheint behändiger, schwebender, als das auf enorme Reduktion bedachte Solowerk „Timeline“, das Peter Ruedi einst, und völlig zurecht, zu einer seiner sachlichen Lobeshymnen animierte. Gedanken(splitter) zum „närrischen Herzen“ kamen kurz zu Bewusstsein, tauchten ab – in der stillen Freude unkommentierten Hörens. Später, bei Enos neuer CD, huschten alte Gedanken vorbei, solcher Art, und etwas abgerundeter (achten Sie auf die Abweichungen von Bekanntem, alte Hüte sitzen besser schräg): die Rezeption der Ambient Music von DISCREET MUSIC bis REFLECTION folgt einem Muster; des einen Langeweile ist des andern Erfüllung. Selten wird wahrgenommen, wie weit all diese „doors of perception“ von einander entfernt sind, der Handschrift des Komponisten oder „Algorithmikers“ zum Trotz. Eine Welt liegt zwischen dem lo-fi von DISCREET MUSIC und dem high-end von REFLECTION. Das eine Zufallsentdeckung, das andere Resultat langen Hörens und Verwandelns. Ich habe mich in diesen Räumen noch nie gelangweilt, aber das Wort Erfüllung trifft es auch nicht. Zu edel. Transzendenz kommt näher heran, ist für mich aber nichts Spirituelles, es ist das, was hinter den Türen auftaucht, wenn man Gewohnheiten, Kreisläufe durchbricht. A dark room. The silence of a candle. Stop making sense. „Do you realize?“. Was ist mein Lieblingssong – ever? „Sunny Afternoon“, von den Kinks. Hier könnte es spannend werden, bei den, nicht auf Aphorismen bedachten, Randnotizen. Was da so von ferne alles hereinschneit, beim Hören zweier wundervoller Platten, bis das eine und andere, stets fragmentierte, Sammelsurium, nach kurzem Quer- und Rumtreiben, entgleitet und forttrudelt!
2017 9 Jan
Uli Koch | Filed under: Blog | RSS 2.0 | TB | Tags: David Bowie, Zeitreisen | 5 Comments
Sommer 76, habe gerade meinen Urlaub halb gegen meinen Willen mit meinen Eltern in einem abgelegenen Bergdorf in den Cevennen verbracht, damals noch ohne geeignete Möglichkeiten Musikkonserven mit auf die Reise zu nehmen. Definitiv die letzte Unternehmung dieser Art. Freute mich also auf meine frisch erstandene Musikanlage zu hause und die Möglichkeit einfach wieder in Klang(t)räumen abtauchen zu können. Damals lief Tangerine Dreams „Zeit“ in Trance heiß, fast eine Vorwegnahme der Ambient Music, nichts woran ich mich wirklich festhalten konnte, ein Fluss, ein Eintauchen in den Augenblick. Just there I am, no plan….
Sommer 76, ich kam in die 9. Klasse – was da lief, war gründlich nachgeordnet – und David Bowie (der mir erst etwas später von unserem kulturell vielseitig interessierten Dorfpostboten vorgestellt werden sollte) kam nach Berlin. Zu Edgar Froese. Vielleicht haben sie sich ja gegenseitig etwas inspiriert, Bowie in seinem Berliner Sound und Froese hat später einmal sogar einen Sänger zu Tangerine Dream geholt, was er alsbald, gut nachvollziehbar, als Fehler einstufte. Nun noch einmal die letzten Songs von Bowie, ein Video im Regen und die beiden Herrn sind fort. Aber hoffentlich nicht in der Ödnis, wo die Zeilen von „No Plan“ uns hin mitnehmen wollen, but here I am …. this is not quite yet.
Here there’s no music here
I’m lost in streams of sound
Here am I nowhere now?
No plan
Wherever I may go
Just where
Just there
I am
All of the things that are my life
My desires
My beliefs
My moods
Here is my place without a plan
Here
Second Avenue
Just out of view
Here
Is no traffic here?
No plan
All the things that are my life
My moods
My beliefs
My desires
Me alone
Nothing to regret
This is no place, but here I am
This is not quite yet
2017 8 Jan
ijb | Filed under: Blog | RSS 2.0 | TB | Tags: Serien | 16 Comments
Letzte Nacht habe ich mit der letzten Episode der vierten Staffel die Serie The Killing zu Ende geschaut. Ich bin vor ein paar Wochen eher zufällig drauf gestoßen, als ich bei Media Markt auf dem Sonderangebote-Tisch zahlreiche Serien für 9 Euro pro Box durchsah – und neugierig wurde. Mich interessieren zeitgenössische Geschichten bei weitem mehr als historische – von Mad Men abgesehen (Boardwalk Empire hat irgendwo in der ersten Hälfte der dritten Staffel meine Aufmerksamkeit verloren, Manhattan habe ich sogar, trotz Interesse an New Mexico und der Nuklearenergie-Thematik, nur etwa fünf Folgen lang geschaut).
Außerdem schaue ich äußerst gerne Serien, bei denen der Ort eine tragende Rolle spielt, und häufig bekommt man ja wirklich spannende Einblicke in Ecken, von denen man zwar gehört hat, aber über die man wenig weiß. Ich war vor 17 oder 18 Jahren einmal in Seattle (bei unserer USA-Rundreise 2015 waren wir zwar im Staat Washington, aber nur im Osten und entlang des Columbia River), also hoffte ich, dass The Killing die Stadt in interessanter Weise zum Mit-Protagonisten machen würde.
The Killing ist eine US-Adaption der, wie ich las und hörte, sehr erfolgreichen dänischen Serie, die im deutschen Fernsehen als Kommissarin Lund – Das Verbrechen (Forbrydelsen), ausgestrahlt wurde. Meine Eltern schauen viele, vor allem skandinavische Krimiserien, da fiel der Name dieser Serie immer mal wieder, doch weckte der Titel Kommissarin Lund bei mir eher Assoziationen zu den zahllosen durchschnittlichen deutschen Kommissar- und Polizei-Serien, so dass ich das nicht weiter verfolgte … Vielleicht ein kleines Versäumnis. Dennoch: Sollte es sich wie beim Girl with a Dragon Tattoo verhalten, wurden bei der US-Version womöglich so einige Oberflächlichkeiten und Banalitäten ausgemerzt zugunsten von tieferer Figurenzeichnung. Diesen Eindruck hatte ich zumindest schon in der ersten Staffel von The Killing (13 Episoden à 43 Minuten). Und weil uns die Zeichnung der Figuren und der Lebenswelten so fesselte, kaufte ich schon nach wenigen geschauten Folgen gleich die Box mit allen vier Staffeln, die wir nun recht zügig durchgeschaut haben.
Wenn mich etwas stört bei The Killing, dann ist es, dass die Autoren einen oftmals starken Drang zum Über-Dramatisieren haben, der den Handlungsverlauf immer wieder bis an die Grenzen der Wahrscheinlichkeit strapaziert. Es gab allerdings nur eine Episode (in Staffel 3), in der diese Zuspitzungswut auf Kosten der Figuren geht (ja, das war schade und auch etwas ärgerlich, schmälerte die Freude am gesamten Schauen der Serie jedoch nur marginal). Zumeist leisten die Regisseurinnen und Regisseure der Episoden ausgesprochen sensible und überzeugende Arbeit, was sich sehr häufig darin äußert, dass viele Figuren, sowohl die beiden zentralen Homicide Detectives Stephen Holder (Joel Kinnaman) und Sarah Linden (Mireille Enos) als auch die größeren Nebenfiguren (die ersten beiden Staffeln bilden eine Einheit, und die Staffeln 3 und 4 knüpfen ein Jahr später an einen vor bereits drei Jahren abgeschlossenen Fall an) durch diverse Milieus mit einer emotionalen Eindringlichkeit und Authentizität erfahrbar gemacht werden.
Daraus entsteht oftmals eine größere Spannung aus durch die sog. äußere Krimihandlung, die gleichwohl laufend überraschende Wege und Wendungen bereithält, gut durchdacht mit Erwartungshaltungen jonglierend. In den verschiedenen Haupt- und Nebenhandlungen geht es quer durch die Gesellschaft auch um Politik, um einen Gefangenen in der Todeszelle in den Wochen vor der Hinrichtung, um „dessen“ Gefängnisangestellte, um die Interna der Polizeiarbeit, um „Indian Land“, um eine Elitemilitärakademie, um Straßenkids und Mädchen auf dem Strich – und oft um einfache, glaubwürdige Menschen mit existenziellen Erfahrungen und vielschichtigen Lebenslagen. Deshalb passt es gut, dass einmal gesagt wird, die „bad guys“ sind womöglich nicht zu finden, nur das Leben an sich.
Imponiert hat mir auch, dass viele der Figuren (nach konventionellen Drehbuchmaßstäben) mindestens ebenso viele unsympathische, uncharmante Züge haben dürfen wie als „liebenswert“ zu bezeichnende, ähnlich wie es in der ein paar Jahre später entstandenen (kürzeren) Serie True Detective auch gepflegt wurde. Ich weiß, dass das bei Fernsehredakteuren zuverlässig auf Widerstand stößt (und The Killing wurde in Amerika auch im Free TV ausgestrahlt), aber wahrscheinlich war hier der große Erfolg der dänischen Vorlage ein Türöffner. Trotz der wie gesagt immer wieder zur Überspitzung neigenden Drehbücher hat mich The Killing als sehr authentische Polizeiserie beeindruckt und ohne Einschränkung bestens unterhalten. Und ja, von Seattle bekommt man viel zu sehen, ein wenig vergleichbar mit Baltimore in The Wire.