Manafonistas

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2017 26 Jan.

Ein Song von Brian Eno (LD / selection / 1 / 17)

von: Michael Engelbrecht Filed under: Blog | TB | 5 Comments

Nachdem ich in Berlin genug Gelegenheiten für „reality checks“ hatte, war ich heute fest entschlossen, meinen ersten luziden Traum 2017 zu erleben. Nachdem ich genügend Schlaf für die langen R.E.M.-Phasen gesammelt hatte, stand ich gegen 6.30 Uhr auf, schaute entspannt in die bitterkalte Nachtlandschaft, schrieb einen Kommentar zu meinen Berlin-Notizen, nahm die von Thomas Yuschak empfohlene Kombination von Galantamine und Choline ein, verdunkelte die Jalousien vollständig und machte mich an die mentalen Übungen, die Yuschak en detail beschreibt, um bei klarem Bewusstsein in die Traumwelt einzudringen. Es gelang, Wahnsinn, eine seltsame „Klarträumerei“, weil ich zwischendurch öfter meinen realen Körper zu spüren meinte, und mich besonders in der langen Anfangsphase, die ich hier nicht gross beschreibe, immer wieder in den Traum „hineinkämpfen“ musste.

 

Wenn man bewusst in die Traumwelt und den Traumkörper schlüpft, beginnen viele dieser Träume im Schlafzimmer, das aber nicht das reale physische Schlafgemach ist, sondern ein nachgebildetes. Da lauern viele Gefahren eines „falschen Erwachens“, aber genug der Vorrede. Immer wieder erhaschte ich Schlaftraumbilder, während ich noch meinen physischen Körper fühlte.

Dann war ich in der Traumwelt. Ich sagte laut zu mir, dies sei nur ein Traumschlafzimmer, öffnete die Tür, schloss meine Augen und gab mir den Impuls, nun durch das grosse Glasfenster hindurch zu schweben. Ich hielt die Augen weiterhin geschlossen und wünschte mir, in einen warmen Sommertag hineinzufliegen. Ich spannte meine Arme breit und erhob mich in die Lüfte, in gemächlichem Tempo. Als ich die Augen öffnete, war ich überrascht, denn es waren zwar gefühlte 22 Grad, aber tiefe Nacht am Rande eines Waldes.

Ich flog nur eine kurze Weile, dann erblickte ich eine Vorstadtsiedlung, die mich im Nachhinein entfernt an den Weissdornweg in Dortmund erinnerte, wo ich zwischen meinem fünften und zehnten Lebensjahr lebte. Im Traum sah ich wie zwei, drei Löwen (!) sich auf den Weg zu mir machten. Ich sagte zu ihnen: „Ganz ruhig, Jungs. Ich bin in friedlicher Mission.“ Die Löwen verlangsamten ihren Gang und hockten sich hin.

Ich betrat ein grosses Haus, in dem sich offensichtlich viele junge Leute zu einer Party versammelten. Mein Traum-Ich wird wohl auch so um die 18 gewesen sein, und ich dachte, es wäre Zeit für ein erotisches Abenteuer. Also rief ich in die Runde: „Wo ist meine alte Schulliebe?“ Plötzlich riefen alle Anwesenden im Chor: „Wo ist meine alte Schulliebe? Wo ist meine alte Schulliebe?“ Das schwarzhaarige Girl neben einer Musikanlage schaute wohl (ich konnte ihre Augen nur ahnen, weil ihre Ponyfrisur das meiste verdeckte) in meine Richtung, ich ging zu ihr und fragte, ob ich sie küssen dürfe. Endlich konnte ich ihre Augen sehen, die allerdings ein wenig asymmetrisch angeordnet schienen. Wir umarmten und küssten uns, und ich spürte den schönen Anfang einer schönen Empfindung.

Ich freute mich total über das Bewusstsein, in einem Traum zu sein, hielt die Hand des Girls und rief in die Runde: „Es ist ja gar keine Musik zu hören, ich möchte gerne einen neuen Song von Brian Eno hören.“ Ich wiederholte den Wunsch innerlich, um ihm Nachdruck zu verleihen, und plötzlich erschall Brians Stimme aus der Anlage, nicht sonderlich laut, aber gut zu hören. Es war ein melodisches Lied, mit sanfter Polyrhythmik, stilistisch der Zeit von Before and After Science zuzuordnen. Ein absolutes Glücksgefühl durchrauschte mich, und ich konzentrierte mich so sehr auf das Lied, dass ich meine „alte Schulliebe“, die nicht annähernd so aussah wie meine alte Schulliebe (Jutta K.) vergass, und mich voll auf die Musik konzentrierte.

Im Klartraum ist ja das kritische Bewusstsein voll auf Touren, und so konnte ich, ganz und gar der Musikjournalist, feststellen, dass der Song eine Granate ist, dass er nicht die Coverversion irgendeines anderen Liedes ist, sondern „vintage Eno“ – nur, dass Brian dieses Lied nie aufgenommen oder komponiert hat. Vielleicht währte der Song drei Minuten. Im luziden Traum kann man die Realzeit sehr gut einschätzen. Danach hatte ich das Gefühl, in meinen schlafenden Körper zurückgezogen zu werden. Ich wollte unbedingt im Traum bleiben, aber dann schellte ein Wecker, und ich gab mich geschlagen. Ich wachte auf, und eine Sekunde später war mir klar: falsches Erwachen – ich stelle ja keine Uhr, wenn ich einen luziden Traum haben will … ein Moment der Unklarheit, und das Abenteuer war zuende. Aber was für eine Freude!

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5 Comments

  1. Michael Engelbrecht:

    Da ich manchmal die Grenzen von Wahrheit und Fiktion gerne mische, hier eine klare Aussage: das Thema mit den luziden Träumen ist mir viel zu essentiell, um es als Vehikel für „storytelling“ zu benutzen. Was ich von meinen Klarträumen schreibe, ist also durchweg authentisch. Heute Nacht einen nie dagewesenen Song von Eno zu hören, war also weder Science Fiction noch Psycho Fiction, sondern schlichte, wundersame Realität.

  2. Martina Weber:

    Toll! Ein faszinierender Traum. Ich begebe mich auf den Weg zum Klartraum, bin am Anfang. Ich lese das Buch von Stephen LaBerge und Howard Rheingold, wonach der erste Schritt darin besteht, sich möglichst konstant an Träume zu erinnern und dabei auf Traumzeichen zu achten, also auf Elemente im Traum, die mir mitteilen, dass ich mich in einem Traum befinde. Ich stelle fest, dass das gar nicht so einfach ist, weil ein Traum einen Sog entfaltet und die Grenzen so wunderbar verwischen. Neulich habe ich einen kompletten Traum direkt nach dem Aufwachen handschriftlich aufgeschrieben, drei Seiten, sehr ausführlich. Ich ging mit einem Freund in eine französische Bäckerei und beim Bestellen wurde mir klar, dass ich ein Wort vergessen hatte, das ich in den vergangenen 4 Wochen gehört hatte. (Das kann vorkommen, ist kein Traumzeichen ;) Es gab dann einen Imbiss an einem Tisch in dieser Bäckerei, was auch noch im Rahmen ist, finde ich. Dann fing der Freund, der dabei war, damit an, den Tisch abzuräumen und sich fast so zu verhalten, als sei er Teil des Personals. Ich war etwas irritiert, und erhielt den Auftrag, drei angebrochene Packungen mit rohem Schinken an einen vage bestimmten Platz zu bringen, geh einfach um die Ecke, da findest du es dann. Plötzlich war ich in einer Art Ladengalerie oder einem riesigen Supermarkt, ich aß ein Stück von dem Schinken, der aus der Packung ragte, und fand ihn gut. Ich war schon sehr weit weg von dem Café. Ich bog um eine Ecke und schaute durch ein Fenster in ein Souterrain-Ladengeschäft. Plötzlich wusste ich, dass ich hier richtig war. Ich frage den Mann, ob ich das hier abgeben könne, und meinte die Packungen mit dem Schinken. Er sah einen kleinen Rollkoffer, den ich plötzlich neben mir hatte, und sagte, nein. Dann dachte ich, das kann doch nicht sein, ich muss mich in einem Traum befinden, und ich wachte auf. Sehr schade, weil es gerade spannend wurde. Das passiert mir immer wieder und der nächste Lernschritt besteht wohl darin, nicht aufzuwachen, sondern genau an der Stelle die Regie zu übernehmen. Keine Ahnung, wie das funktionieren soll.

  3. Michael Engelbrecht:

    Eine wesentliche Grundtechnik, neben der Vermehrung von Traumerinnerungen, ist der Realitätscheck, ca. 10 mal pro Tag:

    TRÄUM ICH ODER WACH ICH

    (dann ca. 1 Minute die Realität prüfen, sehen, hören, fühlen, ob irgendetwas darauf hindeutet, dass du träumst)

    – diese kritische Haltung überträgt sich über kurz oder lang auf die Traumwelt: plötzlich merkt man, dass irgendwas nicht stimmen u n d m a n t a t s ä c h l i c h t r ä u m t. Dann schaltet sich das Wachbewusstsein im Traum ein, und es gilt sich vor Freude nicht zu sehr aufregen, weil man sonst leicht wach wird.

    So hatte ich damals, ohne andere Techniken, nach ca. zwei Wochen, meinen ersten luziden Traum.

  4. Martina Weber:

    Und wenn sich das Wachbewusstsein in den Traum eingeschaltet hat, kann ich den Traum steuern? Als Kind habe ich ständig geträumt, dass ich einfach die Arme ausbreite und fliege, das war wunderschön. Ich weiß nicht, ob das schon Klarträume waren. Ich lese mal das Buch weiter. Danke für deine Tipps.

  5. Michael Engelbrecht:

    Kinder haben oft luzide Träume, oder präluzide Träume.

    Natürlich kannst du so einen luziden Traum steuern, in bestimmten Grenzen, aber mit enormen Möglichkeiten. Kannst du an meinem Traumtext heute ablesen …


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