Aus simplen Melodien und meist einfachen Akkordfolgen macht der Rockmusiker Steven Wilson etwas Unverwechselbares, Einprägsames – manchmal nahe am Kitsch, ohne jedoch hierin jemals abzudriften: zu deutlich sind die progressiven Elemente und die dunklen Untertöne. Das Nerdige stört keineswegs, ist sogar sympathisch, konsequent – und das Erdige der Rockmusik dient dabei stets als Fundament für seine fairy tales. Eigentlich mag ich progressive rock gar nicht so, mal abgesehen von Genesis. Doch was heisst „eigentlich“? „Eigentlich könnten wir uns freuen, denn eigentlich geht es uns gut“, sang vor Jahren Xavier Naidoo, dessen Musik ich eigentlich auch nicht mag, in einem guten Song.
The OA ist eine dieser Fernsehserien, bei denen unsereins zunächst geneigt ist, abzuschalten, aufzugeben. Drop that crap. Doch irgendetwas hält einen doch daran fest. Oft sind es nur Details, vielleicht das Charisma eines Schauspielers (hier Brit Marling) oder die Art der Fotografie und Bildschnitte. Fiebrig in den Reviews stöbernd (Mehrwert und sideeffect des Serienschauens ist ja das Kommunizieren und Reflektieren darüber) sucht man dann nach Gleichgesinnten, die Indizien liefern. The OA gehört vielleicht nicht in den Olymp der Sahneserien (the „Champions League“ of new TV), zu denen Werke wie Fargo, Mad Men oder True Detective zählen – und ist doch in Aspekten sehenswert.
Immer wieder kam mir beim Schauen von The OA und beim Zuhören der Erzählstimme (Brit Marling führt Regie und spielt die Hauptrolle) ein eindrucksvolles Musikvideo von Steven Wilson in den Sinn. Ähnlich rückwärtsgewand, wie ein gestürzter Engel, erzählt eine junge Frauenstimme von einem Anderswo, wie aus einem Traum kommend: eine von Patina überzogenen Erinnerung an eine andere Zeit. Sollte so nicht Schreiben sein? Mit der Selbstgewissheit dessen, der genau davon erzählt, was nur er oder sie berichten kann? Dann reihen sich die Evidenzen ganz selbstverständlich auf, purzeln wie Kohlen aus dem Keller, fliegen wie Tauben aus dem Verschlag ins Weite und von dort zurück.