an einer Niemandsküste der Bretagne entlang zu wandern, ohne das geologische Wissen von Lajla, bedeutet, sich auf Intuition, altes Pfadfinderwissen und die eine und andere Internetrecherche zu verlassen. Es ist allerdings auch eine, lapidar gesagt, zutiefst romantische Angelegenheit. Ich habe manchemal grosse Lust, Musik an ganz anderen Orten zu hören, früher war es der Walkman, der Discman, heute sind es, bevorzugt, wasserdichte Boom-Boxen in Küstenregionen.
Und auch wenn Nils Petter Molvaers neues Album es nicht ganz in die Parade meiner zwanzig Meisterwerke des Jahres geschafft hat (der unglückliche Platz 21, viereinhalb Sterne, nach Downbeat-Rating, keine Diskussion!), so ist es doch ein grosses Faszinosum, und geradezu atemraubend, BUOYANCY in hereinbrechender Dunkelheit im Meer zu hören. Wenn etwas an meiner Story nicht ganz korrekt war, dann die Anzahl der Boom-Boxen: ich hatte fünf grosse Exemplare auf Felsgestein platziert, um der Musik den erforderlichen Schalldruck zu verleihen. Sah aber keinen Grund, mit technischen Details zu langweilen.
Nach meiner Highlandreise zu Beginn des Jahres war es das eindrücklichste Naturerlebnis der letzten Zeit. Und es war ein Alleinsein betörender Art. Dass ich dann doch am Folgetag ins Krankenhaus musste, lag an einer massiv geprellten Kniescheibe, und einer, wenn ich die Ärzte und ihre Schaubilder richtig verstanden habe, Patellasehnenreizung. Die Schmerzen waren über Nacht brutal geworden, und es war gar nicht so leicht, mit meinem untrainierten Französisch den Ärzten meine multiple Schmerzmittelallergie nahezubringen.
Schliesslich erkannten sie, dass Paracetamol wenig helfen würde, und ich bekam ein starkes Opiat. Musste deshalb auch eine Nacht im Krankenhaus verbringen. Als das High einsetzte, die Schmerzen zur Illusion wurden, wünschte ich mir wie aus dem Nichts, SKYLARKING von XTC im Sensurround-Sound zu hören. Steven Wilson hat da wieder ganze Arbeit geleistet. Dann glitten die Gedanken zurück zu den Bildern des abendlichen Molvaer-Rausches, und einzelne Gitarrenmotive von Geir Sundstol produzierten den einen oder anderen Flashback.
Aber geradezu surreal wurde es, als ich dann in die alte Heimat fuhr, und am Abend desselbigen Tages Zeuge eines der absurdesten und hinreissendsten Fussballspiele der jüngeren BVB-Historie wurde. Mittlerweile bin ich zu Paracetamol gewechselt, sonst hätte ich mich zwischendurch gefragt: „Träum ich, oder wach ich?“. 8:4 gegen Legia Warschau, mit einem Nuri Sahin, der alte Klasse bewies, und leider bei Thomas Tuchel fast schon aussortiert ist. Ein High reihte sich ans andere. Ach so, das von dir erwünschte „official video“ aus der Bretagne gibt es leider nicht, unser Filmemacher Ingo J. Biermann war nicht verfügbar. Und, ähem, da sich einige Manafonisten derzeit im Weather Report-Rausch befinden, eine Alternative zu BUOYANCY wäre für mich HEAVY WEATHER gewesen!
Mit besten Grüssen,
Michel de Roscoff
P.S.: Heimgekehrt, fand ich in der Post zwei neu aufgelegte Elektronikalben aus der alten Bundesrepublik, ATMOSPHERE und NORDBORG von Adelbert von Deyen, aus den Jahren 1979 und 1980. Meine Erinnerung an diese Ausgrabung von „Bureau B“ ist zu vage, um auch nur ein Wort dazu zu verlieren.