Als ich mir nun meine Jahresliste der aufregendsten Musikproduktionen 2016 vornahm (und sie in strenge Reihenfolge brachte – ist es nicht seltsam, dass man bei soviel grossartiger Musik immer noch differenzieren kann, wieso X auf Platz 7 und Y auf Platz 8 landet?), fiel mir auf, wie wenig Electronica da vertreten sind, also Platten, deren Klänge überwiegend elektronisch erzeugt werden. Was kamen da für Werke in die Post: dark ambient, black ambient, doom ambient, ultra modern dancefloor vibes: was beschworen Rezensenten da alles für ferne Welten, „cathedrals from outer space“ – nur, die Musik zündete nicht, blieb altertümlich avantgardistisch, special effects-lastig. Dagegen begeisterten mich nur zwei Platten aus diesem weiten Feld: eine heisst CHEETAH von Aphex Twin (von dem ich überhaupt nur drei Platten mag, seinen Klassiker „Selected Ambient Works 2“ finde ich schlecht geklaut und langweilig). Leider eine E.P., also nichts für eine Liste der Alben. Aber was für springlebendige, zauberhaft wirbelnde elektronische Musik! Und die andere sprang auf Platz 3 meiner Jahresliste, 20 satte Punkte. Auch wenn ich damit wohl allein auf weiter Flur stehe. Nur wenige kennen das Teil. Dieses Album zu hören, hatte auf mich die gleiche rauschhafte Wirkung, wie einst in Teenagerjahren, als neben dem Tannebaum eines Freundes, der Plattenspieler „Halleluwah“ von Can spielte, aus der damals brandneuen Platte TAGO MAGO. Ich war ganz aus dem Häuschen. Völlig anderes Feld, und wenig elektronisch, aber was diese beiden Platten verbindet, über Jahrzehnte hinweg, ist der euphorisierende Drehschwindel, tiefe Trance, zugleich hellwache Gebanntheit für jede Vibration, jeden Basis- und Randgroove. Und wie die Musik auch bereit war, jene Zonen anzusteuern, in der sie vor dem reinen Nichts stand, um dann wieder, mit einem TING, und noch einem TING, in die Welt zurückzukehren, full volume. Damals wackelte der Weihnachtsbaum. Jetzt heisst es nur „Warten bis Nikolaus“, um meine unglaubliche „Numero 3“ zu registrieren. Wer es aber gar nicht aushält, dem empfehle ich, aus seinem Leben ein Gesamtkunstwerk zu machen, in dem Alltag und Magie eins werden. Besorgen Sie sich, am besten noch heute, es gibt immer einen Weg, eine neue alte Waschmaschine, die „Ultimate Care II“ heisst – vielleicht müssen Sie dafür in ein Museum einbrechen, oder schlicht den Markt sondieren!
4 Comments
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Martina Weber:
Manchmal reicht schon ein Blick über den Schreibtisch. Zufällig liegt die Audiokassette mit der Aufnahme von „Ultimate Care II“ aus deiner Sendung vom 16.4. direkt ein paar Zentimeter neben meinem Notebook … das ist auch ein bisschen Magie!
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Michael Engelbrecht:
Aber wenn du dir jetzt die Waschmaschine vor Nikolaus besorgst, wird es schon noch magischer!
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Uwe Meilchen:
… einen „Ambient Dishwasher“ gibt es übrigens auch!
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Michael Engelbrecht:
„Matmos have always had a somewhat punky approach, and here waste no time in thrusting us into the drum and putting us on an Einstürzende Neubauten-influenced techno wash, metal clanging away around us. We are then flopped into a succession of sodden soundscapes before being spun into an ingenious bit of junglistic digidub, a beautiful, glistening ambient rinse and more metallic clatter, ending at the intensity of industrial hardcore. To top it off, it’s mastered magnificently by the highly rated and in-demand Rashad Becker.“
– Recordcollector Magazine