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2016 2 Nov.

No More Difficult Than Walking

von: Martina Weber Filed under: Blog | TB | Tags: , , | 7 Comments

Auf die Frage, wie er zum Schreiben gekommen sei, sagte Hartmut Geerken in einem Radiogespräch mit Sabine Küchler, er hätte in einer Phase seines Lebens Langgedichte der Beatniks gelesen, und in einem Gedicht gab es ein Bild, in dem Menschen einen Strand entlanggehen. Er wusste in dem Moment, dass er Gedichte schreiben wollte. Ich fand es sympathisch, dass er sich nicht mehr an den Namen des Dichters erinnerte, er meinte, es könne Charles Olsen gewesen sein. Auf solche Fakten kommt es nicht mehr an, es war etwas da, und das hat etwas ausgelöst. Andere weigern sich, die Region ihres Unterbewusstseins zu betreten.

Der Stalker kehrte aus der Zone zurück. Alles um ihn herum war wieder schwarzweiß. Er stand mit den anderen beiden Männern, dem Wissenschaftler und dem Schriftsteller, an einem kleinen hohen hölzernen Tisch im einzigen Café weit und breit. Wohin war der Traum verschwunden, oder betrat er ihn jetzt? Die Frau und das Kind holten ihn ab. Sie war da, obwohl er nicht freundlich zu ihr gewesen war, vor dieser Reise. Er trug das Kind auf den Schultern, sie saß da oben ganz ruhig. Sie gingen über matschigen Boden, Morast, Landschaft ohne Vegetation, und der schwarze Hund aus der Zone war ihnen gefolgt. Sie erreichten Wasser, den Strand, und der Hund freute sich, er rannte herum, er würde bei ihnen bleiben, vielleicht.

 
 
 

 

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7 Comments

  1. Michael Engelbrecht:

    Ein Brief von Hartmut Geerken, vom Dezember 2011:

    lieber michael engelbrecht,

    schön von ihnen zu hören, – dinge aus frühen jahren! sie haben recht, die geechee recollections sind auch für mich ein meilenstein, viel zu wenig ins bewusstsein der jazzhörerschaft eingedrungen. ich mag die lp wegen des mutigen vorandrängens kreativer musik zu jener zeit & nicht nur, weil viele instrumente auf der lp zu hören sind, die ich marion nach usa geschickt hatte, als ich in den 60er jahren in kairo lebte. wir waren in intensivem brieflichen kontakt, & von ihm bekam ich auch ein sehr langes 4-spur-tonband mit damals fast nicht erreichbaren lps von sun ra, die marion von einem freund ausgeliehen hatte. marion & ich planten eine musikfassung von büchners woyzeck, aber durch meine versetzung nach kabul (ich war damals beim goethe-institut) blieb es beim plan. sehr schade. wissen sie, ob marion noch lebt? ich hatte noch ein paarmal nach seiner gehirnoperation briefkontakt, aber dann wurde mir klar, dass eine kommunikation kaum noch möglich war. die korrespondenz zwischen uns liegt jetzt im archiv der akademie der künste in berlin. marion hat auch mehrfach meine erste lp mit dem cairo free jazz ensemble (1970/71) in usa im radio gespielt. ein weit unterschätzter künstler war er & einer der ersten afroamerikaner, der sich auf intellektuellem niveau dem free jazz näherte. & ein wunderbarer bescheidener mensch…
    um wieviel uhr kommt ihre sendung im deutschlandfunk?
    ich grüsse einen der seltenen leser meines obduktionsprotokolls!
    hartmut geerken

    —–

    Ja, „Obduktionsprotokoll“, eines der grossen wunderbaren unbekannten Werke, in denen Saxofone, Sex, Alltag, Free Jazz und Magie eins wurden, in einem Roman ohne Kaptel, Absätze, Punkte – ein Rausch. Das Gegenstück: Handkes „Die linkshändige Frau“: gähnende, grossartig verkaufte Nichtigkeiten! Die Mode der Innerlichkeit als Pose.

    M.E.

  2. Martina Weber:

    Das Interview in den Zwischentönen ist vom August 2012. Ich hebe diese Interviews normalerweise nicht auf, aber dieses habe ich noch. Hartmut Geerken sagte, seine Wirkung auf die Öffentlichkeit würde ihn nicht interessieren, das Literaturbetriebspublikum sei nicht sein Publikum. Bei allen Musikstücke, die in der Sendung gespielt wurden, spielte er mit. Stücke ohne Melodie, die stundenlang so weitergehen könnten. Hinreißend, wie er erzählt hat, wie es dazu kam, dass er den Nachlass von Friedländer Mynona herausgab. Ich bin Perkussionist, sagte Geerken.

  3. Michael Engelbrecht:

    Wenn hier schon so grossen Film- und Klanggeistern wie TARKOWSI und GEERKEN sie Rede ist, darf ich MARK FROST in Erinnerung rufen, und dass am 17. November sein Buch erscheint, in deutscher Übersetzung bei Kiepenheuer & Witsch, von dem ich mir viel verspreche, it’s TWIN PEAKS time again:

    In The Secret Lives of Twin Peaks widmet sich Mark Frost (nicht verwechseln mit Robert, äh, richtig, Jack Frost, dem Bob Dylan-Produzenten:)!) den vergangenen 25 Jahren, die seit der Ausstrahlung der Serie ins Land gezogen sind. Der Roman wird enthüllen, was mit den Bewohnern der Stadt in den 25 Jahren passiert ist, seit wir sie das letzte Mal gesehen haben. Insbesondere das zentrale Mysterium um den Tod der Laura Palmer und den roten Raum alias Black Lodge soll darin beleuchtet werden.

    »Dies ist seit langem ein Traumprojekt von mir gewesen, das einen ganz neuen Aspekt der Twin-Peaks-Welt für alte und neue Fans lebendig werden lassen wird. Ich könnte nicht aufgeregter sein«, so Frost in einem Statement zur Buchankündigung.

    Die Mysteryserie komplementierende Bücher sind nichts Neues. Als offizielle Produkte zur Serie erschienen Anfang der 1990er bereits Bücher, die das Universum weitergesponnen haben: Das geheime Tagebuch der Laura Palmer (Sheryl Lee) etwa, welches in der Serie selbst eine große Rolle spielt und die transkribierten Tonbandaufnahmen, die Special Agent Dale Cooper (Kyle MacLachlan) seiner Mitarbeiterin Diane hinterlassen hat (aus der Zeit bevor er nach Twin Peaks kam).

    „The Secret Diary of Laura Palmer“ wurde von David Lynchs Tochter Jennifer verfasst, während Mark Frosts Bruder Scott „The Autobiography of F.B.I. Special Agent Dale Cooper: My Life, My Tapes“ geschrieben hat. Zudem existiert ein fiktiver Stadtführer zu Twin Peaks.

    Twins Peaks hat Fernsehgeschichte geschrieben: Die Serie wurde unter anderem mit drei Golden Globes und zwei Emmys ausgezeichnet. Mit ihrer völlig neuartigen experimentellen Erzählweise und ihren Mystery-, Horror-, Drama- und Comedyelementen hat sie das US-amerikanische Fernsehen prägend verändert und großen Einfluss auf nachfolgende Serien (z.B. Akte X, Lost) gehabt.

    Twin Peaks wurde nach nur zwei Staffeln im Jahre 1991 abgesetzt, ist aber dennoch zur Kultserie geworden und hat bis zum heutigen Tage eine breite Fangemeinde.

  4. uwe meilchen:

    Jack Frost ist der Dylan Produzent (BD’s Pseudonym) und Robert Frost ein Lyriker – sorry, ich bin ab und an ein Besserwisser
    😉

    poetryfoundation.org / poems-and-poets ..

  5. Michael Engelbrecht:

    Das :) sollte den Scherz mit dem „producer“ markieren.

  6. Martina Weber:

    Um den Gesprächsfaden der Kleinschreibung bei Hartmut Geerken nochmal aufzunehmen: Auf der Buchmesse bin ich mit einem Grafiker auf dieses Thema gekommen, wir sprachen über Gründe für die Kleinschreibung und er erwähnte ein Buch, das komplett klein geschrieben und das kein Gedichtband ist, und zwar „die welt als entwurf“ von otl aicher. Hier ein Zitat:

    „vier kriterien für die auswahl der fotografie:

    – einem foto darf man nicht ansehen, dass es gestellt, gemacht oder manipuliert ist. es kann nur glaubwürdig sein, wenn sich der fotograf aus dem bild zurückzieht.

    – ein foto darf kein kunstwerk sein wollen, also nicht als selbstzweck auftreten. was zählt, ist die annäherung an das abzubildende.

    – ein foto darf nicht verfremden. fotografie ist kommunikative mitteilung. sie muss genau sein, indem sie den moment trifft.

    – ein foto ist eine abbildung von sachverhalten. es muß eine sache in ihrem verhalten zeigen. es muss prozesse festhalten, vorgänge, entwicklungen, werdegänge.“

  7. Martina Weber:

    Als slightly obsessed Audiokassettennutzerin haben mir natürlich die Kassettenszenen gefallen. Es gab übrigens zwei Tagebücher der Laura Palmer.

    Als nächstes werde ich etwas über einen Film schreiben, bei dem eine Diskette die Hauptrequisite ist. Ich habe ihn jetzt drei Mal gesehen, mit allen Kommentaren. Wer den Film kennt, errät es.

    Ob solche, eine Kultserie vertiefenden Bücher wirklich so interessant sind, bezweifle ich. Ich werde das Mysterium des roten Raumes meiner Phantasie überlassen. Eine der eindrücklichsten Szenen bei TWIN PEAKS war die letzte Einstellung. Genau so wie eine der letzten Szenen der letzten Staffel von MAD MEN. Zu MAD MEN gibt es auch ein Buch, edited by Rod Carveth and James B. South.


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