Manafonistas

on life, music etc beyond mainstream

2016 1 Nov

50.237315°N 11.72254°E – Take Five

von: Hans-Dieter Klinger Filed under: Blog | TB | Tags:  | 15 Comments

Die Firma Radio Schramm gibt es noch. Sie war schon immer die Nummer 1 am Ort. Jetzt hat sie so gut wie keinen Konkurrenten mehr in der Stadt – dafür andere, mächtigere. In den 50er und 60er Jahren versorgte sie Jukeboxen vieler Kneipen in weitem Umkreis mit populärer Musik, mit Jan & Kjeld, Hang Down Your Head Tom Dooley, Jørgen Ingmann, I Want to Hold Your Hand

 
 
 

 

 
 
 

Das ist die Fassade des alten Ladengeschäftes. Durch die Türe links neben dem Schaufenster trat man ein in den Verkaufsraum. Als Schüler war ich selten dort. Meinen ersten Plattenspieler (Philips Cortina) bekam ich zur Konfirmation geschenkt. Es gab bei Schramm eine gewisse Auswahl an Schallplatten, aber die wenigen, die mich interessierten, waren mir zu teuer. Ich mochte nur Klassische Musik, jedoch kosteten LPs der Marken Deutsche Grammophon Gesellschaft, Electrola etc. um die 24,– DM. Ich trat dem Ring der Musikfreunde, Köln bei. Vier Käufe pro Jahr waren Pflicht. Das reichte mir vorerst, und die ‘Schallplatte des Monats’ war wirklich preiswert!

 

Dennoch hätte ich 1961 beinahe die erste Jazzplatte meines Lebens bei Radio Schramm gekauft. Meine Cousine hörte im Bayerischen Rundfunk regelmäßig die ‚Schlager der Woche‘. Eine Zeit lang hielt sich ein wunderschönes Stück im Chart, das mir sofort ans Herz gewachsen ist. Ich fragte nach bei Schramm:

 

  – Ham Sie Take Five?

  – Naa, des ham mer net.

 

Schade.

Über die Jahre habe ich insgesamt 5 Platten bei Radio Schramm gekauft: die zwei abgebildeten Doppel-Alben, die sich noch immer in meiner Sammlung befinden, und eine LP mit Orchesterwerken von Maurice Ravel, dirigiert von André Cluytens.

 
 
 

wof          zuma

 

This entry was posted on Dienstag, 1. November 2016 and is filed under "Blog". You can follow any responses to this entry with RSS 2.0. Both comments and pings are currently closed.

15 Comments

  1. Michael Engelbrecht:

    Ich mochte immer auch die TAKE FIVE-Fassung, die PAUL DESMOND auf seiner letzten Live-Aufnahme spielte. Der Lungenkrebs hatte seiner Spielkunst schon Grenzen gesetzt, und doch blühte das Lied in diesem kleinen Jazzclub noch einmal auf (auch eine Veröffentlichung von Michael Cuscuna’s HORIZON-Label).

    Mein kleines Manafonistas-Sabbatical bis Anfang Dezember erlaubt mir immerhin die Rolle der stillen Anwesenheit. Also „comments from the off“.

    Die einzige Ausnahme: mein aktuelles Interview mit Kurt Wagner (Lambchop) zu der fantastischen CD/LP FLOTUS, die am 4. November erscheinen wird, genauso wie Keith Jarretts A MULTITUDE OF ANGELS.

    Und evtl., falls es mir die MEW YORK TIMES im englischen Original nicht abkauft: „Mein Abend mit Brian Eno in St. Pauli“

  2. Hans-Dieter Klinger:

    PD

    so viel zunächst, später mehr …

  3. Gregor:

    War gerade auf der website von Radio Schramm in Helmbrechts, weil ich es nicht fassen konnte, dass es das noch gibt.

    Meine Plattenläden sind allesamt Opfer von Saturn und Mediamarkt, also Metro geworden. Sag mal, und Radio Schramm hat tatsächlich jukeboxen betreut? Unbedingt mehr erzählen. Ein Kollege des Jukebox-Man immerhin.

  4. Lorenz:

    Eine sehr schöne Geschichte!

    Das rechte Doppelalbum habe ich sogar erkannt: Uncle Meat. Dies ist der perfekte Eintrag um meinem Lieblingsplattenladen aus vergangener Zeit ein Kommentar-Denkmal zu setzen: Das Plattenlaedle in Esslingen in der Franziskanergasse.

    Ein paar Quadratmeter Fläche und über eine Wendeltreppe kam man sogar noch in ein winziges Oberstübchen. Micha, der Inhaber – Mittelscheitel, längere Haare – hatte ein bisschen was von einem Indianer. Er hinter seinem Stehtresen, hinter Ihm einsortiert die LP´s, die aus den Covern genommen waren. Vor dem Tresen oft 2 -3 der üblichen Verdächtigen, die wahrscheinlich jeden Tag dort anflanschten.

    Sein persönlicher Geschmack zog sich durch sein Sortiment. So bekam ich mehrmals mit, wie Er Kunden mit mitleidigem, verneinendem Grinsen bedachte als nach Mainstreammusik gefragt wurde. Ein Junge fragte mal nach Boehse Onkelz. Micha murmelte nur „keine Nazis“ und wies auf die Ladentür. Als ich später „high fidelity“ von Nick Hornby las sah ich das „Laedle“ klar und deutlich als Romanvorlage vor mir.

    Auf diesen paar Quadratmetern war für mich alle Musik zu finden, die ich damals so gerne hören und entdecken wollte. Laswell und fast alles auf Celluloid, Ambitious Lovers, Kip Hnarahan, Conjure , COS, die belgische Band, XTC, David Sylvian, Sakamoto, Beatnigs (die erste Band von Michael Franti), Steve Coleman, alles von Zappa, und und und …

    Als die CDs kamen war das „Laedle“ noch dabei – aber dann kamen die Märkte. Wie schon desöfteren auf dieser Seite zu lesen war: „Ach, those were the days …“

  5. uwe meilchen:

    Linke Abbildung: ein CREAM Album, „Wheels of Fire“ ….

    😎

  6. Hans-Dieter Klinger:

    zu Michaels Kommentar:
    Paul Desmond Quartet – Live ist ein Album, von dessen Dasein ich heute zum ersten Mal erfahre. Das Posten des Covers ist also kein Zeichen von Kennerschaft, sondern typisch für das Internetikum: nullkommanix findet man Einschlägiges, so auch das Faktum, dass das Engagement des Quartetts im Bourbon Street Club zu Toronto am 1. November 1975 endete.

    Paul Desmond habe ich zur Zeit meines Studiums im Kongress-Saal des Deutschen Museums mit dem Dave-Brubeck-Quartet gehört.
    Meine zweite Jazzplatte ist jazz RED HOT AND COOL – ein Album des Brubeck-Quartets, live in einem Club aufgenommen. Live gefällt mir das Brubeck-Quartet am besten. Unübertroffen: The Dave Brubeck Quartet ‎– At Carnegie Hall

    zu Gregors Kommentar:
    Radio Schramm verkauft schon lange keine Tonträger mehr.
    Was die Jukeboxen betrifft… Ich werde mein Bestes versuchen, vielleicht kann ich Norbert Schramm zum Erzählen bewegen.

    zu Uwes Kommentar:
    Wheels of Fire ist mein Cream-Favorit, As You Said mein Lieblingssong der Band. Schaurig-schöner Text

    zu Lorenz‘ Kommentar:
    eine schöne Hommage
    ein Plattenverkäufer, ein Charakter

    Ich habe auch vor, ein Denkmal zu setzen. Wenn man es nicht übersehen hat, wundert man sich vielleicht über das diesem Beitrag verliehene tag Walter Bachauer. Siehe auch hier: „You, the night, and the radio“ (Kommentare)
    „Subcutan“ beschäftigt mich in diesen Zusammenhängen auch Gregors Beitrag vom 16. Juni 2016.

    „Ach, those were the days …“

    Manches Schöne ist vergangen, schön ;-)
    Die sog. Welt bewegt sich weiter – auch wenn ich stehen bleiben würde.

  7. Michael Engelbrecht:

    Die erste Schallplatte meines Lebens war Ragtime Roll Piano Classics. Ich wollte es halt gründlich machen, als ich Berendts Jazzbibel in die Hände bekam…

    Eine der folgenden Platten war, neben Bobby Hutcherson, eine Aufnahme von Sidney Bechet aus Paris (Blue Note). Und INFRA RED vom Dave Pike Set.

    Mein Leben ändere sich allerdings drastischer, als ich THIRD von Soft Machine bekam, MILES DAVIS LIVE AT FILLMORE EAST hörte, und SART von Jan Garbarek.

    Dem Free Jazz galt zu allererst ein Grossteil meiner Jazzliebe, dann kamen das Abendteuer ECM und Radikal-FUSION (a la THIRD) rasch hinzu. Ich war auf den ersten vier Moerser Jazzfestivals im Schlossgarten. Das war eine Zeit, da hatte RETURN TO FOREVER meinen Plattenspieler so rigoros erobert wie PARIS CONCERT mit Chick Corea, Anthony Braxton Dave Holland, Barr Altschul.

    Früh waren die Ohren offen wie Scheunentore, es fehlte noch etwas Lebenserfahrung.

    Und da ich nahezu sicher bin, Hans-Dieter, dass du Lambchop bisher für eine ländliche Spezialität eines übriggebliebenen Kochs aus der englischen Garnison gehalten hast, besorge dir doch bitte deren Album IS A WOMAN, höre den Pianisten Tony Crow – die normale Reaktion wäre verblüfftes Staunen.

  8. Hans-Dieter Klinger:

    boy oh boy!

    Ragtime Piano Rolls, diese hier?

    Cover frisch gescannt, aus der privaten Sammlung von Rosato.

    Das Lammkotelett habe noch nicht gekostet, ist bestellt.
    Vorübergehend könnte ich es bei Qobuz per Stream anhören, ich bin gespannt.
    Erlangen, 5. Feb. – das ist nicht weit weg.

  9. Michael Engelbrecht:

    In Erlangen war ich einmal – Weather Report mit Jaco Pastorius.

    Nein, ein anderes Cover, Musik auf Walzen.

  10. Rosato:

    Ah, noch so ein Konzert, wo wir beide auf Sichtweite auseinander standen oder saßen.

    Ich erinnere mich an das (oder DAS) Solo von Pastorius, in welchem er den Bass mit frischen Loops vor den Boxen ablegte, die Bühne verließ und der Kreativität von Instrument und Elektronik freien Auslauf gewährte …

    War irgendwie magisch

  11. Michael Engelbrecht:

    Ich weiss nur noch, dass er ein langes Solo spielte, und wie ein Indianer Fuss an Fuss setzte, sich dabei zunehmend der Bühnenrampe näherte. Fragt mich, ob die anderen solches Solieren wohl goutieren. Und waren da nicht auch Nebelschwaden am Anfang des Auftritts, aber die gab es ja oft.

  12. Michael Engelbrecht:

    Es dämmerte mir über Nacht, ja, er ging einmal von der Bühne, während die Loops loopten. Kam da der Nebel dazu? Spielten die anderen währenddessen weiter? Ich müsste mich in Selbsthypnose versetzen, um das weiter aufzuschlüsseln.

    Immerhin weiss ich, dass ich an dem Tag schon nachmittags in Erlangen war und in einem Cafe (damals unvermeidlich) diesen Allerweltssong „Every Breath You Take“ hörte. So ein Evergreen, auf den ich auch gut verzichten könnte. Die meisten nehmen den Track als Liebeslied wahr, dabei handelt er nur von einem elendigen Stalker. An so einen Quatsch erinnere ich mich wohl, weil ich voll fiebriger Erwartung war.

  13. Michael Engelbrecht:

    Kennst du die Duoplatte von Desmond und Brubeck, auch auf HORIZON Records …?

    Ich stimme nur zu, live war das Quartett eine Wucht, es war nicht so meine Welt.

    War das Konzert in der Carnegie-Hall auch aufnahmetechnisch gelungen? Im Studio klangen sie mir etwas zu akademisch.

  14. Hans-Dieter Klinger:

    Die Duoplatte kenne ich noch nicht, kann sie jedoch bei Qobuz als Stream abrufen. Brubecks Carnegie-Hall-Concerto (Februar 1963) ist aufnahmetechnisch ausgezeichnet. Das Album ist (in meinen Ohren) ein Meilenstein der Jazz History. Will man sich nur ein Brubeck-Opus antun, dann sollte es dieses sein!

    Völlig losgelöst, schwerelos, schwebt Paul Desmond durch seine Chorusse, extrem reaktionsschnell kontrapunktiert Joe Morello die Soli von Paul und Dave. Brubeck, ein Architekt großartiger Spannungsbögen, sprüht vor harmonischen und rhythmischen Streichen. Bass Walker Gene Wright kann in „King For A Day“ zeigen, dass er mehr ist als ein solider Time Keeper.

    Ach, ich merk schon, ich flipp‘ aus (derweil das Carnegie-Hall-Konzert aus den Lautsprechern tönt) …

    In diesem Jahr habe ich begonnen, ein Jazz-A-bis-Z in Wort & Ton anzulegen – gedacht für meine Kids und Freunde. Ich bin erst bei B angekommen und es ist fraglich, ob es jemals abgeschlossen wird. Hier das Brubeck-Kapitel:

    The Dave Brubeck Quartet – jazz RED HOT AND COOL

    jazz RED HOT AND COOL
    Das ist meine zweite Jazz-Schallplatte. Sie ist immer noch in meiner Sammlung und war einst eine von mir sehr oft gehörte Aufnahme, weil sie großartig ist und weil ich mir damals nur ein paar wenige Platten im Jahr leisten konnte, was ich rückblickend gar nicht schlecht finde. Man hat diese akustischen Blüten bis auf den letzten Rest Nektar ausgesaugt.

    Meine erste Jazz-Schallplatte ist Erroll Garner’s „Concert by The Sea“. Es war die Zeit, da ich begann, jenseits der Klassischen Musik Entdeckungen zu machen. Die Anregungen lieferte Joachim Ernst Berendts „Jazzbuch“ und die eine oder andere Rundfunksendung. In Helmbrechts, meiner Heimatstadt, gab es einen „Volksbildungsverein“. Dort war in den frühen 60er Jahren einmal Joe Viera als Volksbildner zu Gast. Er hielt einen Vortrag über den Jazz. Zahlreiche Tonbeispiele hatte er auch dabei, dargeboten von einem einfachen Tonbandgerät. Er hat aber nichts von Dave Brubeck vorgespielt, leider, wo ich doch gerade „jazz RED HOT AND COOL“ begeistert eingenommen hatte. Am Ende seines Referates habe ich ihn nach Brubeck befragt. Er schien keine großen Stücke auf ihn zu halten: „Brubeck swingt nicht“ – an diese Worte erinnere ich mich heute noch.

    Joe Viera hat sich große Verdienste um den Jazz in Deutschland erworben. Er ist Jazzpädagoge und Jazzmusiker (Saxophon), hat vor langer Zeit in einem Trio mit Manfred Eicher (Kontrabass) zusammen gespielt. 1970 gründete er zusammen mit Helmut Viertl die Internationale Jazzwoche Burghausen, wo auch nicht swingende Musiker neben animalisch swingenden auftreten. Selbst Dave Brubeck gastierte in Burghausen. Ob Joe Viera noch künstlerischer Leiter dieses bedeutenden Festivals ist, weiß ich nicht. Er wird in diesem Jahr (2016) schließlich 84 Jahre alt.

     

    The Dave Brubeck Quartet – At Carnegie Hall

    At Carnegie Hall

    In dieser Besetzung habe ich das Brubeck Quartet Mitte der 60er in München im Kongreßsaal des Deutschen Museums erlebt. Das Konzert aus dem Jahr 1963 in der Carnegie Hall ist die beste aller Einspielungen des Dave Brubeck Quartets, ein Meilenstein in der Geschichte des Jazz.

    Brubeck hat die enge Beschränkung des Jazz auf 4er- und 3er-Metren überwunden. Das frühe und berühmteste Beispiel dafür ist „Take Five“. „Eleven Four“ ist – der Name sagt es – im 11/4-Takt. Brubeck weist in der Ansage darauf hin, dass es schwierig sei, über ein solches Metrum zu improvisieren; er überlässt das Solo lieber Paul Desmond. Auch „Three To Get Ready“, „Castilian Drums“ und „Blue Rondo a la Turk“ spielen nicht im 4/4-Takt.

    Diese Erweiterung der Metrik war keine vorübergehende Periode. Ein Fall ist in dieser Collection schon angesprochen worden: das kaum zu durchschauende „Diddleybop“ der Ray Anderson Alligatory Band.

  15. Michael E:

    Ich lese das hier, lese und staune.

    Von Joe Vier hatte ich mal, warum auch immer, ein Jazzpädagogikbuch, Seitdem weiss ich, was eine „Themenkonstruktion“ ist.

    Ich kann mich genau an den Moment erinnerrn, in dem ich Keith Jarretts BELONGING im Laden DIE SCHALLPLATTE in Dortmund sah. Das Herz schlug hoch, hatte ich doch damals schon gehofft, dass die Beiden bei ECM einmal zusammenkommen. What a record!


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