J.guitar.thinker@gmx.de
Du, lieber J.,
hast dir vielleicht inzwischen das SCHELLING PROJEKT „reingetan“, bei dir muss ich nicht „angetan“ vermuten. Du wirst den Übermut von Peter Sloterdijk erkannt und sein Vorhaben, die Egogenese fortführend erforschen zu wollen, mit Humor aufgenommen haben. Dass er die Subjektivitätsdebatte noch einmal aufblühen lässt, liegt in der biografischen Natur und ist nichts als ein kokettes Reiben an dem damals endlos diskutierten Begriff. Wie er stattdessen eine Knalltüte an Wissen platzen lässt und mit seiner gesamten Nachdenkwelt hausieren geht, um dann zu erklären: wir kennen ungefähr unser Nichtwissen, das kann so nur er. Wie befreiend wird es gewesen sein, all seinen erlesenen Wissensschatz einmal spielerisch in Literatur umzusetzen und uns Leser einzuladen, in seine atemlos machende Hõchsttempokutsche zu steigen.
Seinem ersten Versuch an einer „pornografischen Philosophie“ ist viel positive Akzeptanz zu wünschen. Wir wissen aus seinen traditionelleren Büchern: „Du musst dein Leben ändern“ – was er tun wird: üben, üben, üben.
m@radioman.com
Lieber M., ähem,
es ist dein Roman nicht. Bei Schelling rumpelt es in deiner Magengegend. Für Heidegger Vergleiche bist nicht zu haben. Mõglicherweise könnten die Erzählungen aus dem Ashram deine Aufmerksamkeit gewinnen. Das mystische Poona Luder Mira sendet dort Botschaften, die es in sich haben. Den Frauen rät sie, aufzuhören, Rache zu nehmen. Das blockiere nur. Wie der Mann mit der Langsamkeit beim Sex zurechtkommt, ist sehr lustig und lustvoll dort zu lesen. Jedenfalls behauptet Sloterdijk, dass er nach Poona „psychisch nicht mehr unter seiner deutschen Adresse erreichbar war“.
H&W@stuttgartfraktion.de
Lieber H., lieber W.,
Das SCHELLING-PROJEKT hat das Ziel, die heutige weibliche Sexualität unter die Lupe zu nehmen. Schelling selbst hat Versuche unternommen, die alle kläglich gescheitert waren. Der Denker war optimistischer: Das Ich war schon immer in der Natur. Wie es nun entstand, wissen wir bis heute nicht. Sloterdijk gibt den Gynäkologen und versucht zu ergründen, wie die Ei-Werdung stattgefunden hat. Er kann es auch sprachlich als Mann beeindruckend. Frau Luise Pusch wird mich dafür abstrafen. Sloterdijk’s Sprache ist bei Nietzsche antrainiert. So flott und gleichzeitig geistreich, ist meisterhaft. Dass er seinen Zauberbesen dem Lehrling (P.S.) gibt, macht ihn umso sympathischer. In der Erzählung um Guido zeigt er, dass er seinen Freud beherrscht. Guido darf am Schluss den Laingschen Knoten platzen lassen. Er weint.
Ma.lyrikfee@t-online.de
Liebe Marwe,
ich weiss nicht, ob du der Literaturkritikerin vom Spiegel rechtgeben würdest. Sie findet das neue Buch „peinlich“.
Es gibt darin durchaus als pornografisch zu bezeichnende Textstellen, die dich als Serienkennerin nicht schockieren dürften. Es gibt unter unserem Geschlechterhimmel Exemplare, die ohne Humor und Freigeist durch die Welt gehen und sich wundern, weshalb ihre Lust abhanden gekommen ist. Sie suchen sie in der prüden facebook to facebook Welt anstatt „face to face“ – Sex anzustreben. Sloterdijk nennt das „vom Augenaufschlag der Materie“ und „zu-sich-Kommen der Natur.“ Sehr galant von ihm, in der Sache zu bleiben. Immerhin lässt er drei Frauen zu Wort kommen. Mit der einen (Desirée) teilt er sein „Tollkühnheits-Gen.“ Beatrice wird allerdings leicht gebremst, ihr „Leuchtkõrper“drängt danach, das SCHELLING PROJEKT in „Vita Femina“ umzutaufen. O-Ton Klage von Béatrice: „Man darf sich nur nicht vom Zauberer des Stammes einschüchtern lassen.“ Raffiniert wie Peter Sloterdijk Béatrice eine Mail an Desirée schreiben lässt, in der sie erwähnt, dass sie gerade den „Mann ohne Eigenschaft“ lese. Was dann mit den Mõbelpackern in ihrem Haus passiert, solltest du – unjuristisch -, selbst lesen.