In meinem Bemühen, die Welt ordnend zu verstehen, oder bescheidener, zu überschauen, erwiesen sich Listen oft als hilfreich. Auch bei den Manafonistas erscheinen regelmäßig Listen; allein heute morgen habe ich mehrere entdeckt: Michael erwähnt eine kleine Liste von Sologitarrenalben; Martinas „saucerful“ ist eine schöne Mengenangabe für eine Liste „of poems with a deliberately chosen chaotic structure“; Ian enthüllt eine Tafel mit der Liste der in Berlin entstandenen Alben David Bowies; Manafonistas zitiert Raylan Givens: „I once met a man who made model reconstructions of famous aviation disasters“, eine Liste im Maßstab 1:50 o.ä.; Lajla verrät, wo sie gern Leuchtturmwärterin wäre (zugegebenermaßen eine sehr kurze Liste, aber mathematisch gesehen ok); Ian ist zeitig dran mit dem Listenklassiker „Best of the Year“; und ich habe immerhin ein T-Shirt an mit dem Aufdruck „1982 Mixtape Championship“ – ist ein Mixtape doch nichts anderes als eine Cassette gewordene Liste zur Dokumentation der eigenen musikalischen Kompetenz, in der spontanen öffentlichen Wirksamkeit allerdings übertroffen von Gregors Jukeboxen, wo die Verortung auf der Liste der zu drückenden Titel vor Publikum stattfindet. Rolf Miller würde über die Liste vermutlich sagen: „ist immer“, und ein kurzer Blick in die Zeitung bestätigt dies: man erfährt, dass „Desert Islands Discs“ seit 40 Jahren einer der beliebtesten BBC-Sendungen ist, dass Peter Handke „11. Gebote“ sammelt, und dass ein paar Balken auf die Survival List eines Preppers (von „be prepared“) gehören. Dagegen ist meine heutige Einkaufsliste harmlos – auch wenn Handke den Tag ganz ohne Fernsehen und Geldausgeben lobt – und kaum der Veröffentlichung wert. Es bleibt offen, welche die erste der „Liste der Listen“ wird. Die Katastrophen- und Kriegsprepper haben gute Chancen. Oder ich vertraue „Duck and Cover“, der Atomschutzkampagne der 50er-Jahre in den USA, und stelle Günter Freunds „Schlagerskala“ vor. Weil sie so spät lief, habe ich sie heimlich unter der Bettdecke gehört.
5 Comments
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Michael Engelbrecht:
Wolfram, dann schau dir mal (aus der Ferne) die Kristiansander Liste an, am 3. September um 11.45 Uhr …! :)
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Lajla:
„Listen“ – was für ein schönes Wortspiel.
Mathematisch gesehen, ist die Dezimaluhr auf diesem „All along the Watchtower“ eine immer wiederkehrende Rechenspielerei für mich.
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Wolfram:
Tja, Michael, wenn’s nicht so weit wäre …
Vielleicht beim nächsten Manafonistas-Treffen eine Extraperformance?
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Michael Engelbrecht:
Die ist doch immer inclusive, wenn wir auf Handke kommen oder, ähem, Nietzsche … :)
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Martina Weber:
Mein Weg ist der umgekehrte: Ich will die Welt gerade nicht mehr ordnend verstehen.
Trotzdem mag ich Listen und ich habe vor Jahren damit begonnen, Listen zu erstellen. Und ich finde es erstaunlich, wie sie sich auf mein Leben auswirken, manchmal nach sehr langer Zeit, was natürlich damit zusammenhängt, dass sie das Unterbewusstsein steuern.
Ein wunderbares Buch voller crazy Listen und Episoden hattest du, Wolfam, zu unserem Treffen auf Sylt mitgebracht. Richard Kostelanetz: Autobiographien New York – Berlin. Merve Verlag. „Ich bin die Person geworden, die ich sein wollte und außerdem noch ein paar mehr.“