Manafonistas

on life, music etc beyond mainstream

2016 17 Aug

Lazy summer days with new plans

von: Martina Weber Filed under: Blog | TB | Tags: , , | 18 Comments

So mag ich den Sommer. Ich bin nicht verreist, habe ein paar große Brocken meiner to-do-Liste abgehakt und genieße die Ruhe der Stadt während der Zeit der Sommerferien, die hier überall spürbar sind. Ich mag es, wie das Licht in die Wohnung fällt, ich habe noch fast die Hälfte der siebten Staffel von Mad Men vor mir und freue mich schon auf weitere Romane von Steve Erickson, die ich dann endlich lesen will. Amnesiascope. Ich hätte nicht gedacht, dass ich irgendwann einmal die Dienstleistung eines Krans beanspruchen würde, aber ich werde ihn morgen wahrscheinlich buchen. Es geht hier um die Verwirklichung eines lang gehegten Traums, eines schallgeschützten Zimmers. Auf dem Werbeprospekt sieht man in der einen Hälfte des Hauses dunkle Gestalten, ausgelassen tanzend in blauem Licht, das wie in einer Disko unberechenbar durch die Räume zielt, an der Hausfassade wilde Graffitis. Es sieht nach mindestens ungefähr 90 Dezibel aus und in der anderen Haushälfte sitzt eine Lady in einem warm beleuchteten Wohnzimmer in einem Sessel und blättert lässig in einer Zeitschrift herum. Ein freundlicher Mitarbeiter hat mir das heute Nachmittag demonstriert. „Welche Musik wollen Sie hören?“ fragte er und ich sagte Jon Hassell, aber er hatte dann doch nur irgendeine Popmusik ohne Identität, die aus einem kleinen Gerät dröhnte. Er stellt das Ding in die Silentbox und setzte den Deckel auf. Und dann war es fast still. Wie schätzen Sie die Lautstärke ein? 85 Dezibel, sagte er. Das Silentboard gibt es seit etwas drei Jahren, und es funktioniert so, dass parallel zur Wand in einem Abstand von etwa 13 Zentimentern eine weitere Wand, bestehend aus einzelnen längs verlaufenden Platten über eine an Decke und Fußboden verlaufende Metallschiene eingebaut wird, wobei der Hohlraum mit einer Dämmmasse befüllt wird. Die Platten sind so schwer, dass die praktikabelste Lösung darin besteht, sie mit Hilfe eines Krans in die Wohnung zu befördern, sagte der Mitarbeiter. Ein Kran? Das Zimmer, das ich mit der Wand versehen lassen will, wird dadurch zwar einige kleiner, aber ich hätte dann doch mehr Privatraum. Ich würde es dann nicht mehr mitbekommen, wie das Nachbarmädchen mit ihren Freundinnen spielt und ihre Fähigkeiten auf dem Xylophon weiter entwickelt. Ich könnte einfach auf der Matratze liegen, auf den Baum vorm Fenster schauen und was lesen. Und „City. Works of Fiction“ auch mal lauter stellen.

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18 Comments

  1. Jan Reetze:

    Wobei das Jon-Hassell-Konzert, das ich das Glück hatte, erleben zu dürfen („Hamburg“ auf dem Album „The Surgeon of the Nightsky restores dead Things by the Power of Sound“ ist ein Ausschnitt daraus) extrem leise war. Die hätten ohne speziellen Schallschutz in Deiner Wohnung spielen können.

  2. Martina Weber:

    Schon klar, Jan. Es gibt noch ein Album von Hassell, das gut für weite nächtliche Autobahnfahrten geeignet ist oder auch für zu Hause: Last night the moon came dropping its clothes in the street.

    Vorrangig geht es mir um den Schutz vor dem Xylophonmädchen …

  3. Michael Engelbrecht:

    Dies ist, nehme ich mal an, keine Episode aus der Abteilung „City – Works of Fiction“. An einem tropischen Londoner Sommertag interviewte ich einst Jon Hassell zu eben diesem Album, das man, liebe Martina, wirklich laut hören sollte. Die Bässe kommen aus dem tiefsten Keller, da braucht es keine Isolation.

  4. Michael Engelbrecht:

    @ Jan: Jon Hassell hat im Laufe seines Lebens schon die Extreme ausgelotet. CWOF war dunkel, laut und wild (auch das mittlerweile dazu erhältliche Live-Konzert war ziemlich heavy, desgleichen das gern unterschätzte DRESSING FOR PLEASURE).

  5. Jan Reetze:

    @ Michael: Ich weiß. Ich schätze Hassell wirklich sehr, und ich habe ihn (glaube ich wenigstens) komplett im Regal.

    @ Martina: In so einer Wohnung habe ich in Hamburg auch gewohnt. Über mir wohnten Trampeltiere und Möbelrücker, und neben mir musste ich deren gesamtes Familienleben mitleben. Ein halbwegs versierter Karatekämpfer hätte ohne große Probleme mit der Faust ein Loch in die Wand schlagen können, da bin ich sicher.

  6. Michael Engelbrecht:

    @ Martina: beim zweiten Punktfestival traf ich Hassell wieder. Ich schenkte ihm AMNESIASCOPE von Steve Erickson. Und ich mache Musikern selten Geschenke :)

    @ Jan: bei mir ist es genauso. ich habe sogar das Frühwerk VERNAL EQUINOX oder so ähnlich. Und habe letzte Woche wieder mal das grossartige Album POWER SPOT gehört.

  7. Martina Weber:

    Schön, dass es einen Zusammenhang von Amnesiascope zu Jon Hassell gibt :)

    Meine Sammlung seiner Alben ist noch ausbaufähig.
    „Dream Theory in Malaya“ – da konnte ich schon wegen des schönen Titels nicht widerstehen.

    Über mir wohnt allerdings niemand, allenfalls ein paar Fledermäuse. Ich wohne seit genau dieser Trampelerfahrung, von der Jan schrieb, immer im obersten Stock.

    Und von der Konstruktion mit dem Kran werde ich mich verabschieden, da laufe ich lieber ein paar Stunden die Treppe rauf und runter, die einzelnen Platten sind zwar schwer, aber eher eine Herausforderung als ein no-go.

  8. Martina Weber:

    Ich habe gerade VERNAL EQUINOX über youtube vollständig gehört und bin hingerissen von der Platte: sehr entspannt, unberechenbar und lässig. Und kurz vor dem Ende des Albums, ca in der 49. Minute, eine Leerstelle, Pause. Wunderbar.

  9. Michael Engelbrecht:

    Ah, Mist: habe in meinem Hassell-Lager festgestellt, dass VERNAL EQUINOX zu den berüchtigten Platten zählt, die bei Umzügen auf der Strecke bleiben. Gibt es nur noch sündteuer.

    Hätte ich gerne morgen gespielt, in den letzten 20 Minuten, vor 6.00 Uhr – Hätte ich auch spontan gemacht: die Aufnahme, die man natürlich bei Youtube hören kann, ist auch historisch interessant …

    … Es ist die Produktion vor POSSIBLE MUSICS Vol. 1, dem Klassiker von Hassell (mit Eno), der gewiss auch in der Essaysammlung über Enos Schaffen (OBLIQUE MUSIC, Bloomsbury, August 2016) ausführlich vorkommt.

  10. Martina Weber:

    Ich habe noch gestern Nacht folgende Hassell-Alben bestellt, um meine Sammlung etwas aufzupäppeln:

    VERENAL EQUINOX (ja, war teuer, aber nicht unerschwinglich, und die Scheibe muss ich unbedingt haben, die werde ich sehr oft hören)

    EARTHQUAKE ISLAND (habe nur reingehört und war sofort begeistert)

    THE SURGEON OF THE NIGHT SKY RESTORES DEAD THINGS (dito)

    Bei der Gelegenheit habe ich das lange Interview, das du, Michael, für die Jazzthetik 1990 geführt hast, aus dem Ordner geholt und nochmal gelesen.

    Über CWOF sagte Hassell, er fertige gerade eine Liste von all den Dingen, an die darin verborgen sind. (Ich mag diese Arbeitsmethode.) Stimmfetzen eines Boxkampfes im track „voiceprint“. Und die Arbeit am SURGEON war eine Methode, Abschied von geliebten Wesen zu nehmen. Es sind immer diese untergründigen Linien, die ein Werk prägen.

  11. Michael Engelbrecht:

    Habe eigentlich nur zu zwei Jon Hassell-Alben keinen Draht befunden, eins mit afrikanischen Musikern, und Aki – Dabara – Java.

  12. Jochen:

    Earthquake Island with Nana Vasconcelos – secretly my favorite Hassell one … :)

  13. Michael Engelbrecht:

    Meine Meistgehörten:
     
    1) Possible Musics

    2) Power Spot

    3) Dream Theory in Malaya

    4) City: Works of Fiction

    5) Last night the moon fell …

    (Gott, auch so ein ellenlanger Titel wie beim Chirurg des Nachthimmels)
     

  14. Michael Engelbrecht:

    Dann, Martina, mache ich den Hassell am 15. Oktober, und leihe mir von dir VERNAL EQUINOX :) – gute Musik fürs Morgenerwachen um 5.40 Uhr :)

    Ich sehne meinen Urlaub herbei: vom 24. September bis 29. Dezember, lediglich unterbrochen durch eine Radionacht. Am 30. Dezember der Schlussakkord im DLF. The end of an ear, um es mit Robert Wyatt zu sagen.

    Und das wird wohl ein besonderer „Urlaub“ für mich in „Brainstormien“: da fallen gleich reihenweise Würfel, Projektentscheidungen, Jobklärungen, Privates.

    Und jetzt auf ins „Electric Cinema“. Hinterland, Season 2, Episode 4. Wales sieht in der Serie herrlich verwunschen und verhauen aus, ich glaube, die Ecke gefällt mir (an einigen Küsten). Und dem Walisischen kann ich mit Genuss lauschen, ohne ein Wort zu verstehen. Die walisischen Passagen sind englisch untertitelt.

    Morgen früh dann bei B&B letzte Blicke aufs Nachtprogramm. Um 23 Uhr los mit dem Auto (Hotel zu teuer), und um 6 in der Früh dann Power Sleep an der Raststätte Frechen. Hoffentlich kommt Scott Walker morgen mit der Post. Es soll ja gleich mit richtig guter Stimmung losgehen :)

  15. Martina Weber:

    Klar, Michael, die CD kann ich dir für die Sendung am 15.10. schicken. Eignet sich sehr gut für die letzten 20 Minuten vor 6 Uhr, sie läuft gerade wieder bei mir auf youtube und eben klang es so, als ob ein Vogel gerufen hätte. Morgen vormittag werden die Materialien für die Wandisolierung geliefert, aber ohne Kran. Das Xylophonmädchen ist heute aus den Ferien zurückgekehrt, es wird also höchste Zeit.

  16. Michael Engelbrecht:

    Das ist sehr nett. Da kam schon was Gutes aus Pittsburgh in der Früh – a good start into the day, wäre da nicht das Kratzen im Hals: zum ersten Mal raue Stimme seit Monaten, richtig rau (Hausmittelchen helft!), und dann muss ich nachher (unangenehm) beim Finanzamt Dortmund-West wg. einer Einspruchsfrist anrufen, die zu eng gefasst ist. Ich hasse drei Objekte: Tiefgaragen, Finanzämter, und (wir bleiben beim Thema) Baumärkte. Ich liebe moderne Hochhäuser, Radiostationen mit Panoramblick aufs Meer, und den Text von Mr. Anonymous über „Amber & Magic“

  17. Michael Engelbrecht:

    It’s obviously “ a native English / Scotisch / Irish / Welsh / American voice. i have to look into the books here and there. Quite complex in parts. No easy., but, imo, a thrilling read.

    ((From us, it could only be Ian, but it isn’t him.))

    Impossible to sink into it with a Xylofonmädchen“ next door!

    Gosh, this will be a long day and a long night …

  18. Jan Reetze:

    Der Mann hat übrigens sogar auch mal ein Streichquartett geschrieben: „Pano da Costa (Cloth from the Coast)“, zu hören auf „White Man Sleeps“ vom Kronos Quartet.


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