Normalerweise, wenn ich längere Zeit an einem Ort weile, fern der vertrautesten Räume mit elektrischem Kino und Hängematten auf einem Berg, habe ich nur ganz wenig Musik bei mir. Es macht mir so viel Freude, tiefer und tiefer in ein, zwei Alben einzusteigen. So ergeht es mir in diesen Tagen mit dem neuen Album vom hierzulande noch wenig bekannten Ian William Craig (wenn keiner Widerspruch erhebt, unser nächstes Album of the Month) – und Paul Simon. Ich lese die Texte Simons so lange, bis sich mir Stück um Stück mehr von ihrem Reichtum erschliesst. Ich halte STRANGER TO STRANGER für eines seiner grössten Alben, und es bedeutet mir jetzt schon mehr als ein Klassiker a la GRACELAND. Lassen Sie nur mal diesen Text auf sich werken, IN A PARADE und später vielleicht, mit welcher Zwischenraumklanglust jede Zeile an Tiefe gewinnt.
Some nights the ER is quiet as an EKG
But tonight it feels like every broken bone
Tonight it feels like every wounded soul
Is filling out a form or on the ‚phone
I can’t talk now, I’m in a parade
I can’t talk now, I’m in a parade
Can’t talk to you now, I’m in a parade
I can’t talk now, I’m in a parade
Diagnosis: schizophrenic
Prognosis: guarded
Medication: Seroquel
Occupation: Street Angel
I drank some orange soda
Then I drank some grape
I wear a hoodie now to cover my mistake
My head’s a lollipop
My head is a lollipop
My head’s a lollipop and everyone wants to lick it
I wear a hoodie now so I won’t get a ticket
I write my verse for the universe
That’s who I am
I can’t talk now, I’m in a parade
I can’t talk now, I’m in a parade
I can’t talk now, I’m in a parade
Can’t talk to you now, I’m in a parade
Diagnosis: schizophrenic
Prognosis: guarded
Medication: Seroquel
Occupation: Street Angel
(Empfehlung: nochmal lesen!) Und warum ich soviel Reggaemusik liebe, ist mir manchmal ein kleines Rätsel, jenseits der experimentellen Werke mag ich nämlich auch die gesammelten „heartfelt songs“ von Bunny Wailer’s BLACKHEART MAN. Zum Beispiel. Ich kannte es bis vor kurzem gar nicht. Ich glaube, es kommt aus den 70ern.
Derzeit reden alle, man kann es den Hype des Monats kennen, von Michael Kiwanuka und seinem retro-experimentellen, na ja, halb experimentellem Retro-Soulalbum LOVE AND HATE. Ehrlich? Ich glaube, es ist wirklich so gut! Danger Mouse haut mich auch nicht oft vom Stuhl, aber hier: chapeau! Das Zauberwort: „Verwundbarkeit“. Das Rezept: den klassischen Sound aufbrechen, und dennoch Lieder lauschen, von denen man das Gefühl hat, sie seien schon immer da gewesen. Sind sie aber nicht. Frank Ocean hat gute Spuren hinterlassen.