Manafonistas

on life, music etc beyond mainstream

2016 16 Jun

Gregor öffnet seinen Plattenschrank (116)

von: Gregor Mundt Filed under: Blog | TB | 8 Comments

Mir war schon vor längerer Zeit aufgefallen, dass die Läden, in denen ich bisher meinen Vorrat an unbespielten CDs auffüllen konnte, den Verkauf eben dieses Artikels eingestellt hatten. Deshalb führte mich mein Weg am letzten Montag in einen dieser großen, von mir weniger geschätzten Medienmärkte (waren sie doch dereinst Schuld an dem Niedergang so vieler kleiner, aber feiner Schallplatten-, Cd- und Hifi-Läden).- Nach längerem Suchen, gab ich auf und fragte einen Angestellten nach den Regalen, in denen bespielbare CDs, CD-Hüllen etc. angeboten würden. Huschte da nicht etwas Mitleid über das Gesicht des Verkäufers, als er dem Kunden mitteilen musste, dass es solche Regale schon seit geraumer Zeit nicht mehr gebe, es sei für diese Produkte keine Nachfrage, kein Markt mehr vorhanden. Hallo? Hab´ ich da etwas verschlafen? Anyway, der Angestellte wollte mich trösten und zeigte mir im letzten Winkel des riesigen Marktes ein kleines Regal, in dem noch eine 25er Spindel mit bespielbaren CDs lag. Ein Plakat verkündete den Ausverkauf dieser CDs, es gab 20% Rabatt. Ich muss wohl ziemlich verwirrt drein geschaut haben, denn der Verkäufer versuchte zu erklären: heute speichere man mit USB-Sticks, die eine enorme Speicherkapazität hätten, deshalb sei es wohl auch bald mit den CD-Playern im Auto vorbei, schon heute wären die neueren Modelle ja bereits mit USB-Schnittstellen ausgerüstet. Smartphone anschließen und fertig … Jetzt wurde es mir doch zu viel. Ich erläuterte dem jungen Mann nun meinerseits die Sachlage. Er möge sich mal vorstellen, dass man in einem Leben zunächst das Spulentonband als Speichermedium erlebt habe, dann die Kassette, dann die Minidisc, dann die DAT-Audio-Tapes und nun soll die Zeit der CD als Speichermedium auch vorbei sein???

Ich wurde den Eindruck nicht los, dass mein Gerede hier niemanden wirklich interessierte. Auf der Heimfahrt dachte ich: mit neun oder zehn Jahren kaufte ich mir ein Grundig TK 14, mein erstes Tonbandgerät (gebraucht, aber immerhin funktionsfähig). Man benötigte dafür 15cm Spulentonbänder, die man tunlichst von BASF oder ähnlichen Markenherstellern kaufte, sonst wurde man gerne mit Bandauflösungserscheinungen bestraft, die neben dem Verlust der Aufnahmen auch noch die Tonköpfe verschmutzten.
 
 
 
DSCN4708
 
 
 
Mein ganzer Stolz: ein unbespieltes, noch originalverpacktes, ungeöffnetes Doppelspielband von BASF.

Ende der siebziger Jahre waren die besten Jahre der guten alten Spulentonbandgeräte vorbei und nun war der Kassettenrecorder angesagt. Nun benötigte man gute Kassetten, Chromdioxid-Kassetten, Ferro-Kassetten verschiedenster Marken, aber auch hier war es wichtig, gute Kassetten zu kaufen (s.o.). Zu haben waren die Größen: 60 Minuten, 90 und 120. Die 120er waren gut für die Aufnahme der zweistündigen Klanghorizonte von Michael Engelbrecht, so man denn ein Gerät besaß, dass automatisch nach 60 Minuten in die umgekehrte Richtung aufnahm … Die weiteren Aufnahmeformate lasse ich jetzt mal weg.

Okay, wer nicht aufnimmt, dem mag es ja egal sein, dieser ständige Wechsel der Aufnahmemedien. Mir aber nicht. Ich halte mehrere Spulentonbandgeräte, Kassettenrecorder, Dat-Player vorrätig und in guter Funktionsfähigkeit, damit ich die Aufnahmen, die ich seit meinem neunten, zehnten Lebensjahr gemacht habe, auch noch hören kann. Aber irgendwie bin ich jetzt ratlos. Heißt meine Kolumne hier in Zukunft „Gregor öffnet seinen USB-Stick“? Oder „Gregor öffnet die cloud“?

Oh Jammerstand!

Übrigens gab vor ein paar Tagen meine gerade erst einmal zweieinhalb Jahre alte Festplatte, die an meinem LOEWE-Fernseher angeschlossen war, ihre Funktion auf. Viele Filme, vor allem zahllose Mitschnitte von Konzerten, für immer weg, einfach so. Na denn, das ist wohl Fortschritt!

This entry was posted on Donnerstag, 16. Juni 2016 and is filed under "Blog". You can follow any responses to this entry with RSS 2.0. Both comments and pings are currently closed.

8 Comments

  1. Martina Weber:

    Bitte behalte den Namen deiner Rubrik bei, Gregor. Ich mag dieses Bild deines Plattenschranks. Ich habe nicht ganz so viele Speicherformate mitgemacht wie du, aber ich nehme Michaels Sendung immer noch auf Audiokassetten auf. Und ich hoffe, dass ich sie noch ein paar Jahrzehnte lang hören kann. Länger müssen sie gar nicht halten. Für mich gehört es einfach zum Ritual, einen Speicherträger zu sehen, zu beschriften und irgendwo hin zu stellen. Das wirkt anders als die digitale Form und es ist präsenter, gerät also auch weniger ins Vergessen.

  2. Gregor:

    Genau, das sehe ich eben auch so. Freut mich sehr, dass du das verstehst.

  3. Uwe Meilchen:

    Ja, das kenne ich auch sehr gut!

    Ich habe mittlerweile auch Schwierigkeiten, im Markt meines Vertrauens Rohlinge fuer meinen Brenner zu finden ! Ich habe noch einen Hifi-Brenner der an die Stereoanlage angeschlossen ist und in Realzeit brennt, diese sogenannten Audio-Rohlinge werden in den Fachmaerkten fast garnicht mehr gefuehrt, und reparabel sind diese Geraete aufgrund fehlender Ersatzteile auch nur noch selten.

    Nie wollte ich ein Smartphone haben, weil unnoetig; nun habe ich eins (ist ’ne lange Geschichte …) und habe festgestellt, dass ich mit meinem SAMSUNG Handy auch vom Radio aufnehmen kann und das Handy dann automatisch eine MP3 Datei „erzeugt“, die man dann archivieren (auf einer Speicherkarte, die dann irgendwann ebenfalls nicht mehr funktioniert) und so weiter. Aber ich gebe Martina recht: auch mir sind die „realen“ Speichermedien, die man in die Hand nehmen und beschriften kann, auch immernoch am liebsten !

    Und Michaels Radionacht morgen frueh nehme ich dann wieder auf DAT auf ! ;-D

  4. Michael Engelbrecht:

    Oh, days of childhood,
    Days of wonder and thrills,
    Days of darkness and desaster

    Survival kit: great music, good friends

  5. Lorenz:

    Ich kann das auch sehr gut nachvollziehen. Ich habe die selben Speicherformate durchlaufen, und dass es nun bald keine CD Rohlinge mehr zukaufen geben soll ist erschreckend. Musikdateien sind fuer mich gesichts- und wertlos. Ich moechte bewusst eine CD einlegen und hoeren und nicht aus einer imaginaeren Liste von zehntausenden Songs dann einen anklicken.

    Das schoene Erlebnis des Stoeberns in einem guten Plattengeschaeft, das Finden einer lange gesuchten oder das Entdecken einer bis dahin noch gar nicht gekannten CD kann durch keinen auch noch so schnellen Download auch nur annaehernd erreicht werden, zumindest auch fuer mich. Da ich glaube, dass wir in der selben Gegend wohnen nehme ich den „EINKLANG“ als zwar hochpreisiges aber wohlsortiertes, feines Fachgeschaeft mal als Beispiel.

    Und ich will ein Cover in der Hand halten, das Booklet durchblaettern oder sogar auffalten, daran riechen koennen. Es gibt so kunstvoll gemachte Covers – sie sind fuer mich genauso Teil des „Gesamtkunstwerks“. Wenn ich ehrlich zu mir bin, habe ich einige Winter&Winter Veroeffentlichungen auch oder sogar mehr wegen dem tollen Coverartwork gekauft …

    Zum Thema Musikkasette: Ich lese gerade zufaellig das Buch „Kassettendeck – Soundtrack einer Generation“ von Jan Drees und Christian Vorbau. Eine Sammlung von teilweise sehr guten und witzigen Essays und und Geschichten ueber die CompactCassette (Mixtapes, „Cassettenvetrieb von Punkmusik in der DDR, usw.).

    Und ab Ende der 80er Jahre habe ich viele Radiophon Sendungen auf S2 Kultur auf eine Seite einer C90 Cassette aufgenommen. Leider war die immer ca. 5min zu kurz! Diese Unikate an Musiklandschaften werde ich glaube ich nie entsorgen.

  6. Uwe Meilchen:

    Habe dann heute Nacht zum ersten Mal Michaels Sendung auch auf dem Handy aufgenommen; nun habe ich (incl. Mitternachtskrimi) eine Mp3 File von 5 Stunden und 55 Minuten. Und mein MP3 Player „erkennt“ die nicht, weil wieder ein neues Format, und zwar MPEG4 …

    Ganz gewiss ist, dass man sich damit Abfinden muss, dass nix fuer die Ewigkeit ist, egal, in welchen Formaten man all seine liebgewonnenen Erinnerungen, Musik(en) etc. verewigt und aufzeichnet, hat vielleicht auch etwas mit „Surrender“ zu tun, dies zu akzeptieren ! ;-D

  7. Michael Engelbrecht:

    Ah, Uwe, schön, dass meine Sendungen eine pädagogischen Nutzen erfüllen :)

  8. Gregor:

    Ja, die Radiophonsendungen von Achim Hebgen, F. Gay etc, die waren schon toll, auch ich habe sie alle noch auf Kassette und dem Problem mit den 90er Kassetten versuchte ich mit den 120er Kassetten beizukommen. Die waren aber so empfindlich, haben so häufig zu Bandsalat geführt, dass auch ich mit abgebrochenen Sendungen leben musste.

    Uwe, für mich geht es nicht um das Thema, des sich damit Abfindens, dass nix für die Ewigkeit ist, egal, in welchen Formaten man all seine liebgewonnenen Erinnerungen abspeichert. Ich bin auch überhaupt nicht technikfeindlich gesonnen. Mich ärgert aber dieses Verarschtwerden von der Industrie. Da tut man so, als käme es auf das Bedürfnis des Kunden an, dabei interessiert der Kunde gar nicht, wir haben auf diesem Gebiet, von dem wir hier sprechen, eine reine Bedarfsweckungswirtschaft.

    Wer wollte denn den Wechsel von der LP zur CD? Niemand, der wurde uns von SONY aufgezwungen und da Sony die wichtigsten Plattenfirmen der Welt aufgekauft hatte, konnte man die LP-Produktion einfach einstellen. Selbst ich, ausgemachter LP-Liebhaber, musste auf CD umsteigen. Und so geht es immer weiter. Zum Glück haben es die Wirtschaftsbosse, was die LP angeht, es doch nicht ganz geschafft.

    Also darum geht es mir: ich mag nicht ständig neue Formate aufgezwungen bekommen. Ich mag bitte weiter bei Einklang in Stuttgart oder bei Beck in München CDs und Platten einkaufen können und diese dann natürlich auch hören können.


Manafonistas | Impressum | Kontakt | Datenschutz