In seinen Tagebuchnotizen wies Peter Sloterdijk an einer Stelle darauf hin, wie wichtig es sei, den Modus des Konsums zu meiden. Erich Fromm schrieb dazu psychologisch Epochales. Die Kunst des Liebens und Haben oder Sein: Sozialisationsstoff einer ganzen Generation – eine Art Hermann Hesse der Psychologie. Haben oder Sein beschrieb die Dichotomie zweier grundsätzlich unterschiedlicher Intentionen und war durchaus lohnenswerter Lesestoff. Trotzdem begleitete die Fromm-Lektüre stets ein Gefühl des Unbehagens. War es ein subtiler moralischer Zeigefinger, der da störte? In dem Film Alphabet – Liebe oder Angst ist ein anderer Gegensatz das Thema: Drill oder Spiel. Erzählt wird von den schädlichen Folgen leistungsorientierter, fordernder Erziehung und den Segnungen des Spielens. Einige aussergewöhnliche Menschen zeigen, wie sie diese Erfahrung in ihrem Leben beherzigen. Da ist beispielsweise der Pädagoge Arno Stern, in Kassel geboren, in der Nazizeit nach Frankreich geflohen, der in Paris einen Malort für Kinder gründete; da ist sein Sohn Andre, der nie eine Schule besuchte, ein namhafter Musiker und Gitarrenbauer ist und weltweit Vorträge hält über die Vorzüge eines schulfreien Lebens. Da ist sein kleiner Sohn Antonin. Dann ist da der sympathische Pablo Pineda Ferrer, der wohl erste Universitätsabsolvent mit Downsyndrom, ein diplomierter Psychologe und Pädagoge. Sein Motto: entweder ein Leben in Liebe oder in Angst, man hat die Wahl. Die Betrachtung dieses Filmes hatte etwas Befreiendes. Ich träumte in der folgenden Nacht von einem Baby, mit dem ich innig kommunizierte.
3 Comments
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Lajla:
Clemens Luhmann, der Sohn von Niklas Luhmann gehört auch in die Reihe.
Wo kann man denn diesen Film sehen?
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Jochen:
Die Dokumentation lief 2013 im Kino und kürzlich bei 3Sat.
Auf Youtube (und Netflix) kann man den ganzen Film sehen, es findet sich dort auch weiteres Hintergrundmaterial und es gibt eine Website.
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Lajla Nizinski:
Danke. Guck dir mal die Malerei von C. Luhmann an …