Als mich Gregs die Tage mit einem Anruf überraschte, meldete ich mich mit „Detektivbüro Stuart MacBride“ – der Kriminalkommissar, mit dem ich ein Zimmer teilte (kein Scherz), grinste sich eins – ich war da gerade in den neuesten Roman des Schotten um DI Logan versunken: der Autor steht für einen detailbesessenen Realismus, er arbeit weniger mit „Klippenhängern“ als mit der ganzen Palette von Grau- und Schwarztönen, durchsetzt mit hartem Humor als Bewältigungsstrategie für den permanenten Umgang mit Überarbeitung, Alltagsabsurditäten, und Abgrundtief-Bösem. Man muss in den Groove dieser Sprache kommen (fiebriges Staccato, abreissende Sätze), um von dem opulenten Werk mitgerissen zu werden. „The Missing and the Dead“ heisst es im Original, zu deutsch, platter, „In Blut verbunden“. Unser „thriller of the month“ ist diesmal ein „true crime“ – Buch aus den USA, die erschütternde Dokumentation einer modernen Sklavengeschichte unter dem Deckmantel sozialer Rehabilitation.
Was die Farbe „noir“ angeht, hat Martin Scorsese 1976 einen seiner Klassiker auf die Leinwand gebracht, „Taxi Driver“: ein Crescendo sich langsam zuspitzenden, urbanen Irrsinns, der von Bernard Herrmanns ungewöhnlichem Soumdtrack bereichert wird. Der langjährige Weggefährte Alfred Hitchcocks spielt mit romantischen Hollywood-Klischees, ehe er subtil ein verstörendes Element nach dem anderen hinzufügt. „Waxworks“ hat nun die ultimative Soundtrack-Ausgabe veröffentlicht. Allerdings masslos überteuert, und schwer erhältlich.
Ihnen ist vielleicht aufgefallen, dass einige sog. „Altmeister“ in diesem Jahr Schlüsselwerke ihres Lebens veröffentlichten – zu David Bowie und Brian Eno stösst nun auch Paul Simon, der einen konzentrierten und fesselnden Liederzyklus vorlegt, in dem Nachdenkliches den Ton angibt – die Gegenwart des Todes folgt einem schon im Auftaktsong „The Werewolf“ auf Schritt und Tritt. Selbst entfesselte Polyrhythmik (wie wir sie von ihm seit „Graceland“ kennen) vermeidet karnevalesken Überschwang. „Stranger To Stranger“ ist eine wahre Überraschung. Kleine Abschweifung.
Ich hatte vor langer Zeit mal ein Doppelalbum der Legendary Pink Dots, in dem es sehr viel zu entdecken gab: eine Stimme, die eine gewisse Verwandtschaft mit Robert Wyatt suggerierte, ein tollkühn aufspielendes Saxofon, jenseits der lächerlich biederen Sax-Beimischungen gediegener Songs von Sting und Konsorten. Diese Branford-Marsalis-Nettigkeiten des gepflegten Jazz sind zum Glück in letzter Zeit ausgehebelt worden, ganz und gar brilliant auf David Bowies Vermächtnis.
Die „Pink Dots“ wurden bevorzugt unter dem Etikett „Psychedelik“ gehandelt – konsequent verweigern sich diese Outsider jedem klassischen Songformat. Fast hatte ich sie vergessen, bis mir aus den Niederlanden ihr neues Album zukam. Eine Abrechnung mit den Mythen des Wassermannzeitalters, eine Abrechnung mit dem naiven Zukuftsoptimismus, den kitschige Musicals a la „Hair“ in irdische Umlaufbahnen schossen.
Als ich das Album „Pages of Aquarius“ hörte, war ich sofort im Bann enormer Klangfantasie: „psychedelische“ Bands gelten ja leicht als Spezialisten dafür, Ideen totzureiten und in ihren eigenen Dröhnungen zu verschwinden: hier wird jede dieser Fallen in Schach gehalten durch ein Füllhorn von Melodien, und, selten genug in diesen Arealen, ausgefuchste Arrangements. Eine kluge Rezension befindet sich im Online-Magazin „The Quietus“.
Eine Erweiterung des Bewusstseins funktioniert nicht nur mit den legendären „Pink Dots“, sondern auch mit den Ressourcen, die chinesische Philosophen Jahrhunderte vor dem Beginn der christlichen Zeitrechnung angezapft und erforscht haben. Edward Slingerland hat dazu ein spannendes Buch geschrieben, und die vielen Wege erforscht, wie Menschen in den „Flow“ kommen, sich tiefentspannt „in the zone“ bewegen, oder aber, aus aller Leichtigkeit herausfallen.
Ein substanzielles Buch über das chinesische Konzept des „Wu-Wei“, das auch hierzulande in einer Übersetzung erschienen ist, leider unter dem platten Titel „Wie wir mehr erreichen, wenn wir weniger wollen“. So eine populistische Binse ist ein schönes Beispiel für fehlendes „Wu-Wei“ (unbedingt will da ein Verlag ganz viele Bücher verkaufen und biedert sich schlaumeiernd an, gerät so automatisch in die Nähe der „self-help“-Schwemme). „Trying Not to Try“ hätte einen feinsinnigeren deutschen Titel verdient gehabt. Lassen Sie sich dadurch nicht täuschen. Anspruchsvoll, lehrreich und sehr unterhaltsam.