Ich möchte mich vorweg bei Radiohoerer bedanken. Ohne seine zuverlässig aktuell gehaltenen Radiotipps würden mir viele Eindrücke entgehen. Ohne seinen Hinweis hätte ich gestern Abend eine wunderbare Sendung bei SWR2 über Alan Lomax versäumt. Für ein paar Tage kann man sie hier nachhören. Auch das Manuskript der Sendung ist dort verfügbar.
Alan Lomax und sein Vater John A. Lomax sind bedeutende Sammler traditioneller Musik, auf diesem Feld gleichrangig mit Béla Bartók und Zoltán Kodály. Lomax dokumentierte die gering geschätzte Musik der unteren Gesellschaftsschichten, verschaffte ihr Respekt und öffnete den Blick auf ein verborgenes, buntes Universum. Christoph Wagner, dem Autor der Sendung, gelingt es, einen Eindruck dieses Universums zu vermitteln.
Lomax begann früh, sich auch politisch zu betätigen. Er war in der Bürgerrechtsbewegung aktiv und trat der Rassendiskriminierung entgegen. Sein politisches Engagement brachte ihn in Schwierigkeiten. Im Zuge der Ermittlungen von Senator McCarthy wurde er kommunistischer Sympathien und subversiver Umtriebe verdächtigt. Das FBI legte eine Akte über ihn an. Lomax setzte sich nach England ab und hielt sich mehrere Jahre in Europa auf.
Ich vermute, dass die Arbeit von John und Alan Lomax großen Einfluss auf die Entwicklung der amerikanischen (populären) Musik hatte. So „entdeckten“ beide in den 1930er Jahren Leadbelly, den sie im Angola State Penitentiary, Louisiana besuchten und Aufnahmen für die Library of Congress anfertigten. Vielleicht ist mancher Worksong, aufgenommen in Gefängnissen der amerikanischen Südstaaten, durch Lomax freigelegt worden, etwa Early in the Morning. Ich erinnere mich an eine Version von Ginger Baker’s Air Force. Brian Eno hat auf MY LIFE IN THE BUSH OF GHOSTS ein Sample aus der Folkways Platte Sea Island Folk Festival: Moving Star Hall Singers and Alan Lomax verwendet – MOONLIGHT IN GLORY. Das war mir bekannt. Was ich nicht wusste:
Heute lassen sich viele junge und ältere Folk-, Rock- und Weltmusiker, auch DJs und Club-Elektroniker, von den archaischen Aufnahmen von Alan Lomax inspirieren. Ob John Paul Jones von Led Zeppelin, Moby, Trombone Shorty oder der jungen Banjospieler Jayme Stone – alle versuchen, den klingenden Schatz, den Lomax einst gehoben hat, für die Musik der Gegenwart fruchtbar zu machen.
(zitiert nach Christoph Wagner)
Nun habe ich aus meiner Alan Lomax Sammlung eines meiner Lieblingsstücke aufgelegt, Duckin’ And Dodgin’. Hmm, Unknown Artist, wunderbar …
The incredible thing is, that when you play this material back to people, it change everything for them. They realise that their stuff and they were just as good as anybody else. Then I found out that what I was really doing and my father was really doing, was giving an avenue to those people to express themselves and tell their side of the story.
(Alan Lomax)