Manafonistas

on life, music etc beyond mainstream

2016 21 Mai

Narrante

von: Michael Engelbrecht Filed under: Blog | TB | 1 Comment

 

 
 
 

Es entsteht hoffentlich nicht, über die Jahre, der Eindruck, aus meinem Autoradio käme immerzu Musik. Ich habe in den letzten sechs Tagen 1478 km zurückgelegt, und dabei stets auf die Momente gewartet, in denen die Lust auf eine der mitgenommenen Compact Discs besonders gross war. Und so kamen diesmal, zwischen dem Rheinland, Strasbourg und Auxerre, meistens nur einmal, dafür immer in voller Länge, folgende Alben in meiner fahrenden (und oft keinen Laut von sich gebenden) Jukebox zum Einsatz: The Traveling Wilburys (sowieso ideale Autobahnurlaubsmusik), Damon Albarn (Everyday Robots, für mich eines der wundervollsten Songalben der letzten Jahre), Carla Bley (Andando el Tiempo), Culture (Two Sevens Clash, ein guter Grund, eine dezente Roots-Reggae-Obsession zu entwickeln!), The Beatles (Revolver). Letzteres lief dann doch drei, viermal am Stück. Und dann – es musste dunkel werden am Himmel, um dafür in die rechte Stimmung zu kommen – ein Album, das kaum einer der ersten hundert Leser dieses Textes kennt (offiziell ist es gestern erschienen), und mich schon am Abend vor der Abreise beim ersten Hören faszinierte. Über „Narrante“, gespielt von den zwei gebürtigen Teheranerinnen Golfam Khayam (Gitarre) und Mona Matbou Riahi (Klarinette), wird noch zu reden sein. Nein, keine iranische Folklore, nein, kein Irano-Jazz, nein, keine Zeitgenössische Klassik. Alle Etiketten schwindeln hier. Im Zwischenwo zuhause. Gehört auf einem Rastplatz. Nieselregen, der Himmel begann fünfzehn Meter über der Erde. Der Wasserfall begann vierzig Meter über mir. Ein paar Tage zuvor. Zeitsprung: am rechten Ortsausgang von Vauchignon findet sich eine steinige Strasse, die zu einem Wanderweg ums Ende der Welt führt („au bout du monde“). Dort entdecke ich den lang ersehnten Wasserfall, reisse mir die Klamotten vom Leib (nur die Sonne ist Zeuge), und stelle mich unter die wilde Dusche. Ein famoses Einstürzen, die Sinne werden durchlüftet. Bei 15 Grad Lufttemperatur bleibt das Wasser unerschütterlich kalt, die Haut rötet sich an den Schultern, und hellwach setze ich die Reise fort. Wasserfallmusik.

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1 Comment

  1. Wolfram Gekeler:

    Das erinnert mich an den Wasserfall von Sillans-la-cascade bei Cotignac, zum Glück recht schwer zu finden. Hier duscht man nicht, sondern badet in dem ausgeschliffenen Bassin. Am Schönsten ist es, auf dem Rücken zu liegen und darüber nachzudenken, ob das Wasser wirklich aus dem Nichts über die Kante schießt. Wenn ein Ort es verdient, verwunschen genannt zu werden, dann dieser.


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