Archives: April 2016
2016 22 Apr
Niagara Falls, yesterday night
Jan Reetze | Filed under: Blog | RSS 2.0 | TB | Comments off
2016 22 Apr
Gregor öffnet seinen Plattenschrank (113)
Gregor Mundt | Filed under: Blog | RSS 2.0 | TB | 1 Comment
Wenn der Tempo mit dem Jukebox-Man kommt …
Die Geschichte glaubt mir ja doch keiner. Egal, ich erzähle sie trotzdem. Ende März war ich mal wieder mit dem Tempo unterwegs: Hochsaison, die Jukeboxen meiner Kunden müssen aus ihrem Winterschlaf geweckt werden, da kann es schon die eine oder andere böse Überraschung geben – als mich eine Nachricht von einem befreundeten Wirt M, der eine traumhafte Kneipe an der Nordsee führt, erreichte. Auf seiner NSM City stimme irgendetwas mit den Anzeigeleuchten nicht (siehe Foto), ich möge vorbeikommen, aber schnell, meinte er. Mist, das Problem dieser Box ist mir wohlbekannt, die Leuchtkette ganz schlecht zu bekommen, noch dazu sündteuer, das schrieb ich ihm. Okay, seine Antwort: „Du kommst bitte trotzdem, um überhaupt mal der Box einen Frühjahrscheck zu verpassen und, damit wir mal ein wenig mehr Zeit haben, bleibst du bitte über Nacht: Überraschung!“
Weiß der Teufel, was mir da bevorstehen sollte, ich hatte Zeit und Lust, also nichts wie hin, an die Nordsee. M hatte seine Wirtschaft noch nicht geöffnet, am 15.04. sollte das Eröffnungsfest starten.
Okay, zuerst die Arbeit: am Abend dann hatte M köstlich gekocht, es gab besten Rotwein. Man stelle sich vor, zu zweit allein im Gastraum, alles für die nahende Saison geputzt, die NSM, außer den Anzeigenleuchten, im Bestzustand; M hatte zur Einweihung der überholten Box Fleetwood Mac, The Doobie Brothers, Chris Andrews und Don McLean gedrückt. Dann bat M mich in ein Zimmer oberhalb der Kneipe, ich wusste gar nicht, dass er dort noch eines hatte und meinte, als wir vor der geheimnisumwitterten Türe standen, da drinnen wäre die Überraschung, aber bitte, ich solle mir doch zunächst mein Zimmer, in dem ich nächtigen sollte, ansehen. Am Ende des Flurs lag das von ihm so genannte Brian Wilson-Gästezimmer. Wo man nur hinschaute, gab es Interessantes zu sehen: hier die große Smile-Box der Beach Boys, dort eine alte Eintrittskarte für ein legendäres Konzert, dann wieder ein Bildband zum Anschauen, bevor einem die Augen zufallen würden. Ein verrückter Kerl, dieser M, und dann noch der Osterhase auf dem Nachttisch, zum nächtlichen Knabbern gedacht.
Dann die Überraschung, M öffnete die Tür zu einem Studio, wie ich es noch nie gesehen habe. Ich hatte Platz zu nehmen, auf einem genau gekennzeichneten Punkt, wegen des optimalen Sounds, dann hieß es Klappe halten und Musik hören. Das mit dem „Klappe halten“ musste selbstredend nicht gesagt werden, tauchte ich doch in einen so himmlischen, nie gehörten, nie geahnten Sound ein, unfassbar, unglaublich, unerhört bzw ungehört: Das Programm das M zusammengestellt hatte:
- Sonny Rollins: Way Out West (Aufnahme 1957, man fasst es nicht! Platte sofort gekauft, riesig!)
- Keith Jarrett: Book of Ways (steht in meinem Plattenschrank, aber nie so auch nur im Ansatz gehört)
- Muddy Waters: Folk Singer (dito)
- Miles Davis: Kind of Blue (Sonderversion als Doppel-45rpm-LP in der Schmuckbox mit großformatigem Textbegleitheft) M musste dann den Riemen des Plattenspielers umlegen, um 45rpm zu bekommen…
- King Crimson: Islands 5:1 surround mix Steven Wilson (sic, die vorletzten Klanghorizonte)
- Talking Heads: Stop Making Sense (blu-ray movie, 5:1) (das hätte D. Mitchell umgehauen)
- Don Cherry and Ed Blackwell: El Corazon
- Caravan: In the land of grey and pink (Platte habe ich sofort bestellt, großartig)
Am späten Abend lud M ins „electric cinema“ ein. Das Studio verwandelte sich in ein Kino der Sonderklasse. Schnurrend senkte sich die Leinwand herab, ein Hochleistungs-Beamer von der Sorte „Preis auf Anfrage“ nahm seine Arbeit auf, der Ton kam natürlich über die Anlage, gesehen wurde It Follows von David Mitchell (anderer Mitchell natürlich!).</p >
Nie hätte ich gedacht, dass man so Musik hören kann, in der Art Filme schauen kann. Was für eine Erfahrung. Ohne Werbung machen zu wollen, hier die Liste der Maschinen, die dieses Hörwunder vollbracht haben: Die Schaltzentrale von Trinnov Amethyst; die Aktivlautsprecher vorne von Manger Audio; hinten zwei Aktivboxen von Abacus (als Surround-Elemente/Basskontrolle); der Plattenspieler: VPI Prime und der Tonabnehmer: Goldnote Machiavelli; Phonovorstufe: Moon 310LP / 320S und der CD, DVD, Audio, Blu-ray, SACD Allesfresser: OPPO BDP 103.
Was sich doch für Schätze über einer normalen Jukebox-Kneipe verbergen. M sei für diese Hörerfahrung herzlichst gedankt.
2016 21 Apr
The real problems on the bright side of life
Manafonistas | Filed under: Blog | RSS 2.0 | TB | Comments off
2016 21 Apr
My 14 favourite album of 2016
Michael Engelbrecht | Filed under: Blog | RSS 2.0 | TB | 1 Comment
1 Brian Eno: The Ship / 2 David Bowie: Blackstar / 3 Jon Balke: Warp / 4 Swans: The Glowing Man (Tresor, Bergisch-Gladbach) / 5 Thomas Köner: Tiento de la Luz / 6 Sturgill Simpson: A Sailor’s Guide To Earth / 7 Matmos: Ultimate Care II / 8 Vijay Iyer & Wadada Leo Smith: A Cosmic Rhythm With Each Stroke / 9 P. J. Harvey: The Hope Six Demolition Project / 10 Tigran Hamasyan: Atmospheres (Erinnerung, Lugano) / 11 Glenn Jones: Fleeting / 12 Tindersticks: The Waiting Room / 13 Kevin Morby: Singing Saw / 14 Lucinda Williams: The Ghosts of Highway 20 / P.S.: It surpasses by far my imagination that there will be another number one or two at the end of the year.
2016 21 Apr
Die Installation eines „running gag“, ausgewählte Konzerte für Vielflieger, und eine persönliche Einladung nach Kristiansand
Michael Engelbrecht | Filed under: Blog | RSS 2.0 | TB | Comments off
15. Juni, The Waiting Room, London: THROWS / 10. Juli, Danforth Music Hall, Toronto: SWANS / 21. Juli, Giardini del Centro Unipol, Bologna: CARLA BLEY TRIO / 3. September, Punktfestival, Kristiansand: THE ELECTRONIC GRIOT. Gut Ding will Weile haben: das Doppelalbum „Atmospheres“ von Tigran Hamasyan (mit Arve Henriksen, Eivind Aarset und Jan Bang) wird am 20. August erscheinen, und das „release“-Konzert beim Punktfestval an dem Tag stattfinden, an dem ich dort meine kleine Radio-Performance im Griot-Gewand veranstalte. Es wird eine spannende Angelegenheit. Ich bestehe natürlich darauf, dass mir zur Lesung Aprikosenlikör gereicht wird. Und Manfred Eicher wird beim „public talk“ auf dem kleinen Podium sitzen.
Das Kaistudio der Elbphilharmonie ist ein Raum für experimentelle Musik, Vorträge und Workshops. Am 6. November ist ab 14.00 Uhr Brian Enos „The Ship“ als begehbare Installation zu erleben. Der Vorverkauf beginnt in einigen Wochen. „The Ship“ wird in meiner Junisendung auf Grund gehen. In der Nahaufnahme geht es dann eine Stunde lang um Enos Konzept von „Surrender“, natürlich mit einem Gospelsong. Warp Records hat sich mit Händen und Füssen gewehrt, dass ich aus „The Ship“ ein Stück meiner Wahl in der Radionacht vom 16. April spiele. Die Nacherzählung dieser fünf Radiostunden habe ich rückwärts gepostet, auf den 17. April. Manafonisten treffen sich im November natürlich in Hamburg, wenn sie gerade in der Nähe sind. Ich habe heute eine Rohfassung des neuen Opus der Swans erhalten. Wow! Es ist nach einmaligem Hören im Tresor verschwunden. „Surrender“ ist da auch ein Thema.
2016 19 Apr
Die Sache mit dem Aprikosencocktail
Manafonistas | Filed under: Blog | RSS 2.0 | TB | Comments off
Eine Begegnung alter Freunde in einem Pariser Cafe. Danach bereitet Jean Paul seine Reise nach Berlin vor, um vor Ort eine neue Richtung der Philosophie zu studieren, die Phänomenologie, die allen in die Irre führenden Geisteskonstruktionen aus dem Weg gehen möchte, indem sie sich auf „Phänomene“ einlässt, statt sie permanent zu hinterfragen. Tatsächlich hat Sartre nach dieser Zeit, nur wenig überspitzt von Sarah Bakewell in ihrem Buch „At The Existenzialist Cafe“ formuliert, Phänomenologie in eine Philosophie der Aprikosen-Cocktails verwandelt – und der Kellner, die sie servierten. Ebenso eine Philosophie der Erwartung, der Müdigkeit, der Erregung, der Leidenschaft für eine begehrte Geliebte, des Thrills eines Fussballspieles, eines Films oder Jazzsongs – eine Philosophie des momentanen Aufleuchtens, wenn zwei Fremde sich unter einer Strassenlaterne begegnen.
Sartre hat Philosophie gemacht aus Vertigo und Voyeurismus, Scham, Sadismus, Revolution, Musik und Sex. Sehr viel Sex. Ist der Existenzialismus die Auflösung des scharfen, auf Systeme trainierten Nachdenkens, in eine rauschhafte oder detailbesessene Studie der Reichhaltigkeit von Empfindungen? Kann Philosophie stimmungsbesessen sein – „mood philosophy“? So etwas schreit geradezu nach einer Mode – demnach könnte der Existenzialismus einmal schrecklich „in“ gewesen sein, dann wieder „down and out“. Nein, „in“ und „out“ sind ganz schlechte Schubladen, die man am besten „in die Tonne haut“. Alles Sinnliche war im übrigen gekoppelt an das Sein und das Nichts, an die Verantwortung, an die unzähligen Arten, sein Ich neu zu erfunden.
Der Geist – kein Widerspruch – lässt sich auch in tiefer Entspannung schärfen: wir empfehlen den Erwerb des auch im Original leicht zu lesenden Buches von Sarah Bakewell – und nach jedem Kapitel intuitiv eine Musik auszuwählen, um die Lektüre nachwirken zu lassen – bei Existenzialismus liegt der Jazz immer nahe, aber wir raten ab von den üblichen Pariser Schätzen – Vorsicht, Nostalgie! – von Sidney Bechet bis Miles Davis. Nach Kapitel 1, „Sir, What a Horror, Existenzialism!“, kann es durchaus erhellend sein, dem neuen, am 6. Mai erscheinenden Album des Carla Bley Trios zu lauschen, „Andando el Tiempo“. (m.e.)
2016 18 Apr
Spiel mit der Wahrnehmung
Michael Engelbrecht | Filed under: Blog | RSS 2.0 | TB | Comments off
2016 18 Apr
Mikado
Jochen Siemer | Filed under: Blog | RSS 2.0 | TB | Tags: acoustic mikados, Zeitreisen | 6 Comments
And when it appeared
It was a flaming book of matches
A hundred and twenty-five spheres
On a parquet floor(D. Sylvian, „125 Spheres“)
Trauma
Weitergehen muss das Narrative und ebenso das Spiel. Ungeachtet jener Mikro- und Makrotraumata von Verlusterfahrungen, die jeden Menschen zu jeder Zeit heimsuchen können, in den Krisengebieten der Welt ebenso wie in jenem individuellem Krisengebiet eines vergänglichen Körpers, gibt es zu alldem das „Trotzalledem“. Cinematografisch verdeutlicht wird solcherlei Gedankenspiel durch kurzweilige Serien wie Dr. House und großartige Filme wie Wim Wenders Das Salz der Erde.
Einst gab es ein TV-Porträt über den Soziologen Helmut Dubiel – einer jener bereichernden Zufallsmomente des alltäglichen Fernsehens. Der Genannte war Professor am Frankfurter Institut für Sozialforschung, dem ja auch Theodor Adorno und Max Horkheimer einmal angehörten. Er erhielt mit sechundvierzig Jahren eine Diagnose, die sein Leben änderte. Das Buch Tief im Hirn kaufte ich mir, weil mich nicht nur seine Krankengeschichte interessierte, sondern auch seine Vita und vor allem: seine sprachliche und kognitive Brillianz.
Zufall
In jungen Jahren befragt, welches seine Vorbilder seien, antwortete der Teenager wie aus der Pistole geschossen: „Max Ernst und die Beatles.“ So spontan und provokativ die Antwort war, genauso triftig war sie für ihn. Ersterer beeinflusste wie kein Zweiter seinen Zugang zur bildenden Kunst: da war die hybride Vielfalt der Stile und Zufallstechniken – und da war Dada. Ein Aufbegehren gegen das Bürgerliche, das war ihm wichtig: nicht Juso-gefärbt proletarisch, sondern freigeistig, aristokratisch, poetisch.
Neulich entwarf ich ein Stück und nannte es „Acoustic Mikado“. Einfach eine Spur aufnehmen, spontan eine zweite oder dritte hinzu – auf das Vorangehende direkt reagieren. Es könnte der Beginn einer spassigen Serie werden. Mikado spielten wir als Kinder schon gerne, da es nicht nur um Geschicklichkeit ging, sondern auch ein Spiel mit dem Zufall war. Hinzu kommt der immerwährende Reiz des recordings, die Konfrontation mit der Aufnahme und dann die Möglichkeit reflexiver Abstandnahme.
Geheimnis
Wiedermal auf nächtlicher Runde, kreuz und quer durch die Stadt schlendernd und lange am Fluss entlang, dabei die Tiefen von Philosophie, Kunst und Lebensweisheit im Gespräch auslotend, fragte ich N, den befreundeten Maler, ob er in seinen Bildern seine innersten Geheimnisse preisgäbe. Ja, aber nur in chiffrierter Form, entgegnete der. Das sprach mir aus dem Herzen, da auch ich keinen Sinn darin sah, Jedermann alles offenzulegen.
Auch in der Literatur fanden sich Spuren Gleichgesinnter. So schrieb der Soziologe Helmut Dubiel in seinem Buch Tief im Hirn, das auf eindrucksvolle Weise seinen Umgang mit Parkinson schildert, er habe immer im Leben Geheimnisse gehabt und bedrohlich für ihn sei, diese nun bedingt durch die Krankheit grösstenteils nicht aufrechterhalten zu können.
„Von dem, was die anderen nicht von mir wissen, lebe ich.“ Diesen Satz von Peter Handke stellte der Philosoph Byung Chul Han seinem bei Matthes & Seitz erschienenen Band Transparenzgesellschaft voran, der wie auch andere seiner Essays die Auswirkungen der digitalen Revolution auf profunde Weise darlegt, ja seziert. Immer wieder zeigt sich, dass diesem Denker Bezüge zu Heidegger und östlichen Sicht- und Lebensweisen wie etwa dem Zen-Buddhismus nicht fremd sind. Es geht auch um die Ästhetik der Abwesenheit.