Manafonistas

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2016 19 Apr

Die Sache mit dem Aprikosencocktail

von: Manafonistas Filed under: Blog | TB | Comments off

Eine Begegnung alter Freunde in einem Pariser Cafe. Danach bereitet Jean Paul seine Reise nach Berlin vor, um vor Ort eine neue Richtung der Philosophie zu studieren, die Phänomenologie, die allen in die Irre führenden Geisteskonstruktionen aus dem Weg gehen möchte, indem sie sich auf „Phänomene“ einlässt, statt sie permanent zu hinterfragen. Tatsächlich hat Sartre nach dieser Zeit, nur wenig überspitzt von Sarah Bakewell in ihrem Buch „At The Existenzialist Cafe“ formuliert, Phänomenologie in eine Philosophie der Aprikosen-Cocktails verwandelt – und der Kellner, die sie servierten. Ebenso eine Philosophie der Erwartung, der Müdigkeit, der Erregung, der Leidenschaft für eine begehrte Geliebte, des Thrills eines Fussballspieles, eines Films oder Jazzsongs – eine Philosophie des momentanen Aufleuchtens, wenn zwei Fremde sich unter einer Strassenlaterne begegnen.

Sartre hat Philosophie gemacht aus Vertigo und Voyeurismus, Scham, Sadismus, Revolution, Musik und Sex. Sehr viel Sex. Ist der Existenzialismus die Auflösung des scharfen, auf Systeme trainierten Nachdenkens, in eine rauschhafte oder detailbesessene Studie der Reichhaltigkeit von Empfindungen? Kann Philosophie stimmungsbesessen sein – „mood philosophy“? So etwas schreit geradezu nach einer Mode – demnach könnte der Existenzialismus einmal schrecklich „in“ gewesen sein, dann wieder „down and out“. Nein, „in“ und „out“ sind ganz schlechte Schubladen, die man am besten „in die Tonne haut“. Alles Sinnliche war im übrigen gekoppelt an das Sein und das Nichts, an die Verantwortung, an die unzähligen Arten, sein Ich neu zu erfunden.

Der Geist – kein Widerspruch – lässt sich auch in tiefer Entspannung schärfen: wir empfehlen den Erwerb des auch im Original leicht zu lesenden Buches von Sarah Bakewell – und nach jedem Kapitel intuitiv eine Musik auszuwählen, um die Lektüre nachwirken zu lassen – bei Existenzialismus liegt der Jazz immer nahe, aber wir raten ab von den üblichen Pariser Schätzen – Vorsicht, Nostalgie! – von Sidney Bechet bis Miles Davis. Nach Kapitel 1, „Sir, What a Horror, Existenzialism!“, kann es durchaus erhellend sein, dem neuen, am 6. Mai erscheinenden Album des Carla Bley Trios zu lauschen, „Andando el Tiempo“.  (m.e.)

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