Die Schöne Neue Serienwelt eröffnet Perspektiven. Wer den Klang favorisierter Sprachen liebt, findet in der Rezeption unsynchronisierter Originalfassungen Vergnügen und mag sich einmal mehr fragen: Warum erst jetzt und nicht schon früher? Kriminalistische Fälle und existenzielles Fallen, das Geworfensein des Menschen – Zutaten, die in der Mixtur einer gelungenen Erzählung nicht fehlen dürfen. Wir feiern hier ´ne Party und Rosamunde Pilcher ist leider nicht dabei! Auch Fantasy bleibt aussen vor. Blood, sex and crime hingegen, gut verpackt, das macht den edlen Braten schmackhaft.
„Willkommen zur Harald Schmidt Show, mein Name ist Lorne Malvo“, so hätte einst ein deutscher Entertainer sein Publikum begrüsst, frei und fröhlich im Gefolge von Max Frisch: Mein Name sei Gantenbein. In der stilprägenden Ära seines Latenight-Programms nach amerikanischem Muster hatte Schmidt damals den öffentlich-rechtlichen Sendern gehörig eingeheizt. Der Talkmaster wäre mit diesem Trick, sich kurzerhand für einen Anderen auszugeben, der stellvertretend für aktuelles Thema steht, direkt in medias res gegangen.
Wäre jener Schmidt auch heute noch am Drücker, dann hätte er ein Phänomen wohl längst erwähnt, das ähnlich wie einst die Privatsender den Öffentlich-Rechtlichen, heute der gesamten Fernsehlandschaft die Hölle heiss macht: gemeint sind die auf DVD gepressten oder via Streaming bequem ins Haus geholten Qualitätsserien, für unsereins vorzugsweise aus englischsprachigen Ländern und aus Skandinavien.
Und wer verbirgt sich hinter diesem Lorne Malvo nun, dessen Name so maliziös klingt und auch ein wenig lonesome? Es ist einer jener Charaktere aus dem spannenden Serienkosmos, deren Darsteller Abwechslung bieten zu den nationalen Schauspieler-Riegen, die wir schon zur Genüge kennen und die in wechselnden Rollen oftmals nur sich selber spielen. Nun aber Justified, Mad Men, True Detective und Die Brücke: geprüft und für exellent befunden.
Oder die Serie Fargo, deren Vorbild ein Kinofilm gleichnamigen Titels war unter der Regie der Brüder Joel und Ethan Coen, und die in der verschneiten Landschaft Dakotas und Minnesotas bösartige und schwarzhumorig angefärbte Geschichten erzählt: sie schafft den Spannungsbogen zwischen Drama, Thriller, Komödie und zeitgeschichtlicher Lehrstunde. Bonanza here meets Jerry Lewis – mit dem langen Atem epischer Breite, dabei bild- und erzähltechnisch weit über Hollywood hinausgehend.
Und Malvo mittendrin, seines Zeichens Auftragskiller. Er könnte die maligne Variante jenes Steppenwolfes sein, dem Hermann Hesse einst literarisch ein Denkmal setzte und der seitdem als Archetyp des lonesome drifters, des ungebundenen Parias gilt. Im Season One Finale tritt er, soviel sei schon verraten, seinem animalischen Äquivalent leibhaftig gegenüber. Wieviel Böses braucht der Mensch? Sympathy for the devil – will sagen: Empathie für alle, auch für die grösste Sau. Ist ja lediglich Fiktion. Wer es real liebt, für den gilt bis auf Weiteres: Und täglich grüsst die Tagesschau.