Manafonistas

on life, music etc beyond mainstream

New York, Gaslight Café, 1961. Da versammelt sich das Publikum für Folksongs in einer Zeit, bevor Bob Dylan die Bühne betrat. Der junge Llewyn Davis singt ein Lied vom Gehängtwerden. Erste Versuche, sich als Solist zu behaupten. Sein Partner, mit dem er eine Platte gemacht hat, hat sich von der George Washington Bridge gestürzt. Jemand will Llewyn sprechen, draußen. Der Mann verwickelt ihn in ein Gespräch und schlägt auf ihn ein. Warum wird ein Folksänger verprügelt, so wie es Dave Van Ronk passierte? Das war die Ausgangsfrage, die die Coen Brüder beschäftigte und die zu dem Film „Inside Llewyn Davis“ führte. Auch wenn in diesem Film niemand eine Jeans trägt: Die Schwierigkeiten für junge Künstler sind zeitlos. Es geht darum, die eigene Stimme zu finden, und einen Platz in einem Geschäftszweig. Es geht immer um Geld, das nicht da ist, das die Arbeit aber erst ermöglicht. Da sind die Eltern des verstorbenen Freundes, die Llewyn ab und zu auf ihrem Sofa schlafen lassen. Da ist die heimliche Exfreundin, die jetzt doch heiraten und eine Familie gründen will. Llewyn steht völlig allein da, seine ältere Schwester hält ihn von seinem Neffen fern, sein Vater verliert das Gedächtnis. Die Kunst scheint der einzige Ausweg für ihn, es ist genau das, was er will: seine traurigen songs. Llewyn sucht einen Produzenten, von dem er hofft, dass er ihn aufbaut: Bud Grossman in Chicago. Die Mitfahrgelegenheit mit einem selbstherrlichen alten Jazzmusiker und dessen schüchternem Asistenten, dem man auch die Rolle des Geliebten zutraut, gerät zu einem wunderbaren eigenen Roadmovie-Kurzfilm zum Thema Machtausübung, mit kaurismäkihaften Zügen. Manchmal gerät der Film zu slapstickhaft. Ein schräger Humor, der wahrscheinlich als Gegengewicht zu den existenziellen Themen gedacht ist. Die witzigste musikalische Stelle ist die Aufnahme des Songs eines Raumfahrers „Please, Mr. Kennedy“. Und wenn Sie den hier anhören, achten Sie auf die Veränderung im Gesicht von Llewyn, als er erfährt, wer das Stück geschrieben hat. Try something new, something old. Plötzlich bieten sich im Leben ganz andere Möglichkeiten, auch im eisigen nordamerikanischen Winter. Llewyn aber ignoriert auf der Rückfahrt eine Autobahnausfahrt, die der Weg in ein anderes Leben hätte sein können. Am Ende des Films sind wir wieder am Anfang, aber wir wissen mehr.

 
 
 

 
 
 

 

This entry was posted on Donnerstag, 7. Januar 2016 and is filed under "Blog". You can follow any responses to this entry with RSS 2.0. Both comments and pings are currently closed.

4 Comments

  1. Lajla:

    Ich habe die Biografie von Dave gelesen, ich habe den Film 4x gesehen und natürlich die CD davon.

    So, I explored him.

  2. Martina Weber:

    Ich wusste, dass das ein Film für dich ist :)

  3. Jan Reetze:

    Irgendwie wurde ich nicht warm mit dem Film.

    Sollte ich ihm eine zweite Chance geben?

  4. Michael Engelbrecht:

    Die Coen-Brüder können ja nichts für Rezensionen, in denen die Frau als hysterisch bezeichnet wird. Genauso könnte man Dylan dafür tadeln, dass er der realen Figur hinter der Filmfigur keine Unterstützung zukommen liess.

    Die „Spur der Abtreibungen“ hat auch in diesem Fall zwei Seiten. Wenn man das systemisch sieht, löst sich moralische Entrüstung in ein Spiel voller „heimlicher Deals“ auf, in der dann nicht einer der „Schurke“ ist, der andere das „Opfer“.

    Zudem: Die Schattenseiten sind Schattenseiten und Teil jeder Existenz. Man kann sich den Schatten stellen, den Schatten überspringen. Oder das „Spiel“ von Licht und Schatten endlos weiter treiben. Die Muster, in denen man gefangen ist, haben immer das Potential, ihnen zu entkommen.

    Für mich ein grosser Film. Voller Schräglagen, Slapstick, einsamem Schrecken – und Melancholie. And the wind won’t blow it all away.


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