Manafonistas

on life, music etc beyond mainstream

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Archives: Januar 2016

Zu gerne haette sie gewusst, wie John Cage die Geraeusche in seinem Inneren empfunden hatte. Zu gerne haette sie Beckett gefragt: wie lange er in der Stagnation haette verharren koennen. Zu gerne waere sie nach 8 Stunden Film ueber das Empire State Building mit all ihren Phantasien dazu zu Andy Warhol gegangen. Auf die White Paintings von Robert Rauschenberg haette sie vermutlich gerne einen roten Pinselstrich gezogen.

 

AESTHETIK DES STILLSTANDS

 

So lautete das Thema einer dreitaegigen Tagung an der Kunstakademie Duesseldorf, an der sie teilgenommen hatte. „Was genau bedeutet Stillstand und wie aeussert sich Stillstand in kuenstlerischen Werken? Welchen Einfluss haben diese Werke auf bestehende Gesellschaftsordnungen?“

 
 

Aus dem Vortrag von Martin Seel: BEWEGTE STILLSTAENDE IM KINO UND ANDERSWO

 

Klar kannte sie den Film „Zabriskie Point“. 1979 war sie dorthin hingereist, um sich die Explosionen, die von Pink Floyd Musik unterlegt waren, noch einmal ins Gedaechtnis zu rufen. Auch sie war damals aufgebrochen, um gegen die bestehenden Gesellschaftsbedingungen zu kaempfen. Jetzt sah sie noch einmal die zerrissenen Gegenstaende durch die Luft fliegen. Kleider- und Fleischfetzen, die wie gemalte surrealistische Werke von Dali aussahen. Aber bewegte sich sonst noch etwas? Nein. Die Revolution blieb aus. Das waren Momente von aesthetischem Stillstand.

Weitere gezeigte Filmbeispiele, die disponiert sind fuer die Darbietung von Stillstandsphasen, waren:

 

  • Face off von John Woo 1977
  • Five Dedicated to Ozu von Abbas Kiarostami 2003
  • Perpetuum Mobile von Nicolas Pereda 2009

 
 

Aus dem Vortrag von Maurizio Lazzarato: LA GRANDE PARESSE COMME ESTHETICO-POLITIQUE

 

Das war immer ihr Wunsch gewesen. Die grosse Faulheit als ethisch-politischer Stillstand. Duchamp hatte sie im letzten Jahrhundert vorgelebt. Die Verweigerung der Arbeit, die Faulheit als Anhalten der Zeit der Produktion. Mit wenig Geld aus einer kleinen Erbschaft lebte er als Faulenzer in den Tag hinein. Er arbeitete hoechstens zwei Stunden am Tag. Seine Readymades sind wohl Produkte seiner Faulheit. Duchamp war nicht politisch aktiv. Er hatte lediglich das Recht auf Faulheit proklamiert. Tauschwert, Eigentum und Arbeit wuerden sich unter diesem Recht aufloesen. Sie nahm sich einen Tag frei. Sie setzte sich an die Nordsee und blickte aufs Watt. Wie traege die Wellen heranrollten und wie stetig sie zurueckgezogen wurden. Nach einer Weile vermochte sie nicht mehr ueber ihre Sehnsuechte nachzudenken. Langsam stellte sich eine schoene Traeumerei ein.

2016 31 Jan

Das Album des Jahres 2016

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Was anderes als Blackstar von David Bowie erscheint kaum möglich. Natürlich spielt der Faktor des Abschiednehmens eine Rolle, wie sonst könnte ein Album, das mit seinen alles andere als gemässigten Jazztexturen (und seiner auch sonstigen Radikalität im Ausdruck) die Billboard-Charts stürmen? Und sich wohl anfangs in ähnlichen Verkaufsregionen bewegen wie sein kommerziellstes, von Nile Rodgers, produziertes Werk? Natürlich ist es nur ein Zufall, dass ich an dem Tag, der nun als sein Todestag gilt, mich hinsetzte und meine Begeisterung in Worte fasste sowie die paar Bowie-Alben Revue passieren liess, die mir am meisten bedeuteten, ein Quartett nun, Low, Heroes, Scary Monsters, und Blackstar. Interessant, im Rückblick von Ian, von frühen Songs zu hören, die mir völlig unbekannt waren. Interessant, in Mojo und Uncut über die „Berliner Jahre“ zu lesen, über die Entstehung der „Scary Monsters“. Bei Bowie ging es ja stets um ein Spiel mit Maskeraden und Identitäten. Dabei ein wie immer geartetes „Ich“ nicht ganz den Fliehkräften auszusetzen, war auch eine Kunst. Und die versammelten Stilelemente:  Bowie wurde u.a. im Soul fündig, in der Ambient Music, im Discosound, und nun auch im Jazz. Nicht der gepflegte, gediegene Jazz, den manche nutzen, um etwas Eleganz und Glanz zu produzieren. Der, der Pforten öffnet. Wie das früher Robert Wyatt gelang (Rock Bottom), Tim Buckley (Starsailor) oder, einmal, Van Morrison (Astral Weeks). Diesen drei Titeln (im nachhinein sprechen sie Bände) kann man nun Blackstar hinzufügen, und wieder ergbt sich ein besonderes Quartett.

2016 31 Jan

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Ich möchte mich nicht mit fremden Federn schmücken. Der pfiffige Titel stammt nicht von mir. Ich habe ihn von einer LP des Ganelin Trios.

 
 
 

 
 
 

Auf dieser Schallplatte gibt es ein Stück, das 1980 bei den Berliner Jazztagen erklungen ist, ein Stück, das ich seinerzeit auf Tonband mitgeschnitten und ein Jahr später als „THE RETURN OF THE PRODIGAL FUN“ auf Vinyl – gekauft bei jazz by post – wiedergefunden habe. Einen besseren Titel kann man nicht dafür finden dachte ich mir, für Free Jazz, wie ich ihn nie zuvor gehört habe, unprätentiös, nicht von der Art schaut her, wir haben die Freiheit mit Schöpflöffeln gefressen, sondern funny, von einer Wirkung wie Ray Anderson’s Alligatoren:

bouncing, vitalissimo, zum Kreischen. Wie schön, wenn Jazz sich nicht wie E-Musik benimmt … (s. „comment 1“)

2016 30 Jan

Fire!: She sleeps, she sleeps

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Den svenske trioen Fire! er sterkt til stede i det nye store nordiske uttrykket som er fortøyd i jazzen, men frigjort fra sjangerens forslitte mønstre. Saksofonisten Mats Gustafsson står i bandets midte med sitt åpne sår av en tone, eller han trekker seg tilbake med lubben bærekraft. Fire! er et band i balanse. Bassist Johan Berthling og trommeslager og lap steel gitarist Andreas Werliin er like sentrale og sterkt fremme i lydbildene som Gustafsson. Det er dette som åpner for trioens mangefasetterte uttrykk. De understreker med repetisjon og lar helt enkle grep besørge særegenhet. Berthlings enslige bass i «She bid a meaningless farewell» fungerer perfekt i så måte. Jeg tror på det jeg hører. Gitarist Oren Ambarchi er med på et spor, mens cellist Leo Svensson Sander bidrar på to. Det tilfører farge. Det siste sporet på albumet, «She penetrates the distant silence. Slowly», fanger bandet i deres eget, i et tilbakelent, styggvakkert motiv som males langsomt frem.5/6.

Aftenposten (NO)

2016 29 Jan

Paul Kantner

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Ich glaube, es war 1996. Eine meiner ersten Erfahrungen mit dem nagelneuen quietschvioletten iMac im fuer mich damals neuen Internet. Ich war auf einer Mailingliste (weiss noch jemand, was das war?) von Fans der Gruppe Jefferson Airplane bzw. Jefferson Starship. Auf dieser Mailingliste war auch Paul Kantner, Gitarrist, Kopf und Herz der Band, die er bis zuletzt am Leben erhielt.

Durch irgendeinen Beitrag von mir kam er dahinter, dass ich aus Deutschland stamme, und schickte mir eine E-Mail mit der Frage, ob ich einen Text singbar ins Deutsche uebersetzen koenne, und zwar diesen – nach meinem Dafuerhalten ein bloedsinniger Text aus einem schwachen Song aus der wohl schwaechsten Phase der Starships. Anyway, ich hab’s gemacht, ich war vom Ergebnis nicht begeistert, aber singbar war er, und Paul war’s anscheinend zufrieden. Vielleicht hat er den Text auch sowieso nicht verstanden. Und mir waere nicht bekannt, dass die Band ihn je gesungen haette.

Gestern ist Paul Kantner mit 74 Jahren verstorben.

Dieses Jahr scheint irgendwie verhext zu sein.

2016 28 Jan

the return of the prodigal fun (1)

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Bei der Autofahrt nach Nürnberg zur Jam Session – sie findet im 14-Tage-Rhythmus statt – sind immer ein paar CDs eingepackt, Jazz natürlich! Klassik eignet sich nicht zum Anhören bei dem Brummen und Rauschen, und mein Freund am Steuer steht sowieso nicht auf Klassik.

Wir fahren fahren fahren auf der Autobahn eine gute Stunde. Das ist eine willkommene Gelegenheit, die eigene CD-Sammlung wieder zu entdecken. Nicht wenige meiner Scheiben rotierten zuletzt vor Jahren oder Jahrzehnten im Player. Am letzten Montag habe ich einen wirklich guten Griff getan:

 
 
 
RayAndersonAlligator
 
 
 

Oh, wir haben gekreischt vor Vergnügen. So, jetzt läuft die Scheibe täglich zur Gemütsergötzung. Das Beste wird sein, ich lasse Ray Anderson und seine Rassel Band zu Wort kommen:

 

 

Dem gibt es nichts hinzuzufügen …

Naja, vielleicht dies: Rosato meint, dass da etwas New-Orleans-Spirit wirkt und webt …

2016 28 Jan

East Side Gallery

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Der unbegradigte Fluss zieht durch die Stadt, wie ein Geschenk. Die Nacht ist raus aus den Bäumen. Sonne glitzert auf Schollen aus Eis, sie lassen sich tragen. Einen Teil der Mauer haben sie als Denkmal stehen gelassen. Graffitis wurden immer wieder übermalt, eine günstige Werbefläche, deshalb wurde die Mauer durch Grenzzäune abgesperrt, die genauso hoch wie die Mauer sind. Touristen pilgern dorthin, sie ziehen ihre Schals enger und erinnern sich oder stellen sich vielleicht vor, wie es einmal war, mit Grenzkontrollen, Zwangsumtausch und einer Klassenfahrt. Plötzlich stand ich im Osten der Stadt, des Landes, eines Kontinents. Ich war gerade 18 geworden, ich hatte ein paar Momente für mich allein, und alle Häuser waren grau und es gab keine Blumen. Ein diffuses Gefühl von Gefahr in einer engen düsteren Straße, die sich versteckte. Autoritäres Gehabe hatte ich immer gehasst, in einem Blick, einem Wort, einer Geste. Das Fotografieren des Grenzgebietes war verboten. Ich hatte ein Foto gemacht.

2016 28 Jan

February, a pleasure!

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Sometimes it is the first light of a cold winter day, sun rays entering the sleeping room, sometimes it is a kiss in the morning, or the last picture of a dream. It may be the first sound of a record, or the first sentence of a thrilling novel. It may be the first time in your life you hear a beautiful record from the 70’s (and you’re asking yourself: why the fuck did it take so long?). Or it is a little philosophical essay full of fine observations that trigger unforeseen thoughts.

„As always“, says Norwegian pianist Jon Balke, „the more you explore and discover, the further you want to go, and things are not so simple anymore. It’s a very interesting process.“ On Feb. 12th, his new solo album Warp will be released, and according to the rules of probability, Gregs, Joey, Rosato and Michael will be listening to that work of excellence on the same weekend.

What begins as a gently exploratory solo piano album gradually acquires an almost hallucinatory aspect. Warp will surely receive great reviews in international music magazines, online and print. The mix of piano and carefully constructed sound images is a peculiar delight. What are the images about? Is it the infamous „cinematic“ element, or much more subliminal?

I digress: in February, you’ll be entering a time capsule here: a collection of antiques & curiosities, of old black and white movies, a late echo of the Rastafari movement in the hills of Jamaica, 50’s noir (an encounter with Richard Widmark), 60’s psychedelia with young Robert Wyatt, 70’s praise of birdsong (Bert Jansch). Further explorations of „minimal winter music“. Time for the unexpected.

2016 28 Jan

Old Paris

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Jacques Rivette ist im Alter von 87 Jahren gestorben. Als Teenager waren die Filme von Claude Chabrol und Francois Truffaut guter Stoff: Chabrol liess die Fassaden des Bürgertums bröckeln, und Truffaut irrte mit Jean Pierre Leaud durch endlose Wirrungen des Eros. Früh in der Studentenzeit wurde aber Jacques Rivette mein ganz persönlcher „Held“ unter den Regisseuren der Nouvelle Vague. Er improvisierte mit seinen Darstellern in einem Paris fernab des kämpferischen Zeitgeists. Liebe, Verschwörung und andere Rätsel wurden zwar selten gelöst, doch stets in eine besondere Aura getaucht: die wunderbaren Hauptdarstellerinnen von „Celine und Julie fahren Boot“ bewegten sich voller Anmut, gleichzeitig im Stolperschritt, durch ihre Stadt: Alltag als Improvisation mit kleinen Geheimnissen. Die Waffe der Rivette’schen Figuren war die Phantasie. John Surman und Barre Phillips spielen in einem anderen Werk (Merry-Go-Round) ihre Filmmusik vor der laufenden Kamera, statt sie später zu laufenden Bildern zu erfinden. Zu den Schlangenlinien des Surman’schen Saxofons huschten die Protagonisten anders durchs Bild, die Musik empfahl ein leicht verändertes Gehen, das mitunter einem Tanz nahe kam. Schon damals war immer von diesem opus magnum zu hören, dass kein Normalsterblicher je zu Gesicht bekommen hatte. „Out 1 – Noli me tangere“ ist 13 Stunden lang. Ganz alter Stoff, jede Menge Verrückte, freies Theater, ein Hauch von Balzac nach dem Mai 68, und eine liebevoll-verrückte Hommage an die „Stadt der Liebe“, selten war ein Blick auf den Alltag und seine kleinen Mysterien so reich an Verzweigungen, so nah an permanenter Träumerei! Julio Cortazar sah sich einst im Quartier Latin jeden Rivette-Film an, der in den Kinos anlief. Und wie fühlte es sich an, sich damals an der Seine rumzutreiben? Man höre dazu Robert Wyatts Lied „Old Europe“. (me)


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