Manafonistas

on life, music etc beyond mainstream

2015 8 Dez

50.2388000, 11.7188560 / Ramón-Valle-Trio & Martin Tingvall

von: Hans-Dieter Klinger Filed under: Blog | TB | 4 Comments

Textilmuseum

 

Die Zahlen in der Überschrift sind die geographischen Koordinaten des Textilmuseums zu Helmbrechts. Ich bin in Helmbrechts geboren, habe dort die Volksschule besucht und im Heimatkunde-Unterricht gelernt, dass Helmbrechts der Kleiderschrank der Welt sei. Damals war das noch ziemlich zutreffend. Es gab zahlreiche große mechanische Webereien, die wichtigsten Arbeitgeber der Region.

Das Herstellen von Textilien war über die Jahrhunderte ein essentieller Wirtschaftszweig neben der kargen Landwirtschaft in einer waldreichen, klimatisch rauen Gegend. Ursprünglich waren es Hausweber, die auf ihren Handwebstühlen die Tuche produzierten und sie in schweren Körben auf den sog. Webersteigen von ihrem Wohnort in die Städte, nah und fern, zum Tuchhändler trugen. In meiner Kindheit lebte in der Nachbarschaft noch ein Hausweber, den ich oft besuchte. Der Raum war ausgefüllt mit der hölzernen Maschine, nur wenig Platz gab es für einen Zuschauer. Ich war fasziniert von den virtuosen Hand- und Fußbewegungen des Handwerkers, der, einem Percussionisten gleich, polyrhythmisches Getöse herstellte.

In den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts wurden die hier gefertigen Stoffe in mehr als 100 Länder exportiert. Dabei mussten die unterschiedlichsten Ansprüche befriedigt werden, da jedes Volk seine eigenen Gepflogenheiten, Muster und Farben in seinen Tüchern verarbeitet haben wollte.

Zur Blütezeit dieser Textilmanufakturen gab es kein Textilmuseum in Helmbrechts. Museen erinnern an Vergangenes – wie Grabsteine. Die Handweber mussten den mechanischen Webereien weichen. Die großen mechanischen Webereien der Stadt sind nun auch verschwunden, abgerissen, oder ihre Hallen sind anderen Zwecken zugeführt worden. Nur wenige Betriebe waren anpassungsfähig und ein paar pfiffige Newcomer handeln mit Textilwaren – weltweit, dank des Internets.

 

Kulturwelten

 

Fortschreitende Überalterung, immer mehr leer stehende Wohnhäuser, fallende Immobilienpreise sind keine guten Zeichen. Aber man hat sich nicht mit dem Verwelken der Region abfinden wollen. Um die Stadt lebendig zu erhalten, wurde vor ca. 10 Jahren eine Veranstaltungsreihe gestartet. Die Kulturwelten bieten mittlerweile gut 40 Veranstaltungen pro Jahr an. Immer mehr Menschen aus der ganzen Region begeistern sich für sie. Der Initiator und Programmgestalter achtet darauf, die unterschiedlichsten Ansprüche zu befriedigen, die Gepflogenheiten, Muster und Farben differierender Vorlieben zu treffen und dabei das Niveau hoch zu halten mit Jazz, Blues, Rock, Ethno-Musik, Kabarett und mehr.

Am 28. November hörte ich im Textilmuseum das Ramón-Valle-Trio. Tags zuvor trat die Band im Birdland, Neuburg/Donau auf (ein sehr weiter Weg für mich). Brillanter afro-cuban Jazz war zu hören, polyrhythmisches Getöse vom Feinsten und viele, ganz persönliche Geschichten zu den Stücken. Der kleine Raum hat Platz für rund 150 Besucher. Man kommt sich vor wie in einem großen Wohnzimmer.

Am 5. Dezember trat Martin Tingvall auf, Piano solo. Er zeigte enorme Bandbreite – von verträumten lyrischen Stücken bis akrobatisch inszeniertem Blues, bei dem der ganze Flügel bebte, physisch extrem wahrnehmbar in der ersten Reihe.

 

Ramón-Valle-Trio, Kostproben

Ramon Valle Trio compilation live @ the A Trane

 

Textilmuseum Helmbrechts

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4 Comments

  1. Michael Engelbrecht:

    Rosato, die Manafonisten waren ja auch im Teekontor versammelt, bei Keitum. Etliche Monate später trat der Herr Tingvall auf, hier ein Rückblick :

    Ostersonntag, 5. April 2015. 17 Uhr
    „Duo Lang“. Die Geschwister spielen klassische Werke für Violine und Klavier.

    Pfingstsonntag, 24. Mai 2015. 17 Uhr
    „Ramon Valle Trio“. Klavier, Bass, Schlagzeug. Jazzkonzert

    Sonntag, 26. Juli 2015. 17 Uhr
    „Kammermusikfest Sylt 2015“. Eröffnungskonzert

    Sonntag, 6. September 2015. 17 Uhr
    „Simin Tander. Vocal“ mit Klaviertrio. Jazzkonzert

    Sonntag, 4. Oktober 2015. 17 Uhr
    „Martin Ehlers Trio mit Ingolf Burkhardt“. Klaviertrio mit Trompete & Flügelhorn. Jazzkonzert

    Sonntag, 25. Oktober 2015. 17 Uhr
    „Martin Tingvall. Solo“. Lyrischer Jazz am Klavier

    Donnerstags von 18.15 – 20 Uhr
    „Einführung in die Welt des Tees.“ Tee-Seminar und Verkostung
     
    Kartenvorverkauf: Teekontor Keitum.
    Siidik 15. Keitum
    Tel: 04651 – 44 99 290
     
    bestellung@teekontorkeitum.com
    http://www.kontorhauskeitum.de

  2. Lajla:

    Andreas Rebers am 11.12. würde ich gerne sehen.

    (Ich habe erst mal nachgesehen, wo Helmbrechts liegt, bei Hof) :)

  3. Jan Reetze:

    Die Schilderung des Webstuhls erinnert mich an Stockhausens TRANS von 1971.

    In neblig-violettem Licht spielt ein überwiegend verborgenes Orchester, während die ca. alle 20 Sekunden quadrofonisch durch den Raum flitzenden Klänge eines Webstuhls das Stück strukturieren.

    Stockhausen schreibt, er habe das Stück geträumt.

  4. Rosato:

    Andreas Rebers hätte ich auch gerne gesehen – und Nicolai Friedrich …

    Obwohl ich regelmäßig nach Helmbrechts fahre zu meiner hochbetagten Mama, habe ich über die Jahre gar nicht mitbekommen, was da angeboten wird, denn es wird kaum plakatiert.

    Im letzten Jahr musste ich meine Mama zum Augenarzt begleiten. Dort lag ein Programmheftchen der Kulturwelten aus. So wurde ich von meiner Blindheit befreit.

    Man muss rasch zugreifen wenn im Mai das Programm veröffentlicht wird. Die Karten sind – besonders bei den berühmten Attraktionen – schnell vergriffen.


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