Textilmuseum
Die Zahlen in der Überschrift sind die geographischen Koordinaten des Textilmuseums zu Helmbrechts. Ich bin in Helmbrechts geboren, habe dort die Volksschule besucht und im Heimatkunde-Unterricht gelernt, dass Helmbrechts der Kleiderschrank der Welt sei. Damals war das noch ziemlich zutreffend. Es gab zahlreiche große mechanische Webereien, die wichtigsten Arbeitgeber der Region.
Das Herstellen von Textilien war über die Jahrhunderte ein essentieller Wirtschaftszweig neben der kargen Landwirtschaft in einer waldreichen, klimatisch rauen Gegend. Ursprünglich waren es Hausweber, die auf ihren Handwebstühlen die Tuche produzierten und sie in schweren Körben auf den sog. Webersteigen von ihrem Wohnort in die Städte, nah und fern, zum Tuchhändler trugen. In meiner Kindheit lebte in der Nachbarschaft noch ein Hausweber, den ich oft besuchte. Der Raum war ausgefüllt mit der hölzernen Maschine, nur wenig Platz gab es für einen Zuschauer. Ich war fasziniert von den virtuosen Hand- und Fußbewegungen des Handwerkers, der, einem Percussionisten gleich, polyrhythmisches Getöse herstellte.
In den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts wurden die hier gefertigen Stoffe in mehr als 100 Länder exportiert. Dabei mussten die unterschiedlichsten Ansprüche befriedigt werden, da jedes Volk seine eigenen Gepflogenheiten, Muster und Farben in seinen Tüchern verarbeitet haben wollte.
Zur Blütezeit dieser Textilmanufakturen gab es kein Textilmuseum in Helmbrechts. Museen erinnern an Vergangenes – wie Grabsteine. Die Handweber mussten den mechanischen Webereien weichen. Die großen mechanischen Webereien der Stadt sind nun auch verschwunden, abgerissen, oder ihre Hallen sind anderen Zwecken zugeführt worden. Nur wenige Betriebe waren anpassungsfähig und ein paar pfiffige Newcomer handeln mit Textilwaren – weltweit, dank des Internets.
Kulturwelten
Fortschreitende Überalterung, immer mehr leer stehende Wohnhäuser, fallende Immobilienpreise sind keine guten Zeichen. Aber man hat sich nicht mit dem Verwelken der Region abfinden wollen. Um die Stadt lebendig zu erhalten, wurde vor ca. 10 Jahren eine Veranstaltungsreihe gestartet. Die Kulturwelten bieten mittlerweile gut 40 Veranstaltungen pro Jahr an. Immer mehr Menschen aus der ganzen Region begeistern sich für sie. Der Initiator und Programmgestalter achtet darauf, die unterschiedlichsten Ansprüche zu befriedigen, die Gepflogenheiten, Muster und Farben differierender Vorlieben zu treffen und dabei das Niveau hoch zu halten mit Jazz, Blues, Rock, Ethno-Musik, Kabarett und mehr.
Am 28. November hörte ich im Textilmuseum das Ramón-Valle-Trio. Tags zuvor trat die Band im Birdland, Neuburg/Donau auf (ein sehr weiter Weg für mich). Brillanter afro-cuban Jazz war zu hören, polyrhythmisches Getöse vom Feinsten und viele, ganz persönliche Geschichten zu den Stücken. Der kleine Raum hat Platz für rund 150 Besucher. Man kommt sich vor wie in einem großen Wohnzimmer.
Am 5. Dezember trat Martin Tingvall auf, Piano solo. Er zeigte enorme Bandbreite – von verträumten lyrischen Stücken bis akrobatisch inszeniertem Blues, bei dem der ganze Flügel bebte, physisch extrem wahrnehmbar in der ersten Reihe.
Ramón-Valle-Trio, Kostproben
Ramon Valle Trio compilation live @ the A Trane