Manafonistas

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Archives: Oktober 2015

2015 26 Okt.

John Fogerty: Fortunate Son

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Wenn dieser Mann nur nicht ein so verteufelt guter Musiker wäre. Dann könnte man den Inhalt dieses Werkes problemlos in die inzwischen einfalls- und konzeptlos dahintreibende TV-Soap „Nashville“ einfügen. So scheinbar unrealistisch ist das alles. Die zweite Hälfte des Buches ist über weite Strecken blanker Kitsch. Dummerweise nur entspricht vieles von dem, was Fogerty schreibt, den Tatsachen, und da für mich sein musikalisches Werk ziemlich idealtypisch alles repräsentiert, was für mich klassische amerikanische Rockmusik ausmacht, ist mir das Buch nicht egal.

John Fogertys Autobiografie, diese Woche auf Rang 15 der New-York-Times-Nonfiction-Bestsellerliste zu finden, ist eine Achterbahnfahrt. Lassen wir mal außen vor, ob er sie selbst geschrieben hat (ein Ghostwriter ist nicht genannt). Manchmal möchte man das Buch einfach nur zuklappen. Aber ähnlich, wie man bei „Nashville“ dann doch nicht abschaltet, so liest man auch hier weiter.

John Fogerty ist mehr als einmal übel mitgespielt worden. Diese Geschichten sollen hier nicht wiedergegeben werden, es würde zu lange dauern. Nur so viel: Die Band, die mal CCR werden sollte, ließ sich 1967 auf einen Plattenvertrag ein, den kein auch nur halbwegs vernünftiges Management abgeschlossen und den jeder halbwegs vernünftige Richter für nichtig erklärt hätte — wegen objektiver Unerfüllbarkeit. Es gab aber kein vernünftiges Management, es gab keinen vernünftigen Anwalt, Fogerty zog es vor, die Dinge selbst zu regeln, und deswegen hat Fantasy-Boss Saul Zaentz Fogerty in filmreifer Blutsauger-Manier jahrzehntelang systematisch vor sich her treiben können, bis die Geschichte schließlich ins Absurde kippte.

Dies alles wird in dem Buch in wahrhaft epischer Breite geschildert. Dazu gibt es einige eher belanglose Kindheits- und Jugendepisoden sowie einige Andeutungen über die Ehe der Eltern. Wirklich in die Tiefe geht Fogerty dabei aber nie, auch über seine Ehe mit Martha erfahren wir im Prinzip nur, dass es sie gab und dass sie irgendwann geschieden wurde. Das eigentlich Auffällige dabei ist auf der einen Seite John Fogertys bisweilen breitärschige Selbstgefälligkeit, und auf der anderen Seite seine offenkundige Unfähigkeit, sich auch nur für eine einzige Minute in die Position anderer hineinzuversetzen. Anregungen anderer kommen bei ihm nur an, wenn sie seiner Ansicht entsprechen. CCR entspricht zu keinem Zeitpunkt Johns Vorstellung von einer verschworenen Gemeinschaft, aber er erkennt nicht, dass er mit seinem eigenen Verhalten dazu beiträgt. Er erkennt in der entnervten Flucht seines Bruders Tom aus der Band nicht das Alarmsignal, das es ist. Toms folgende Soloalben erklärt er pauschal für schlecht, obwohl er wahrlich Musiker genug ist, um es besser zu wissen (immerhin sind sogar Musiker wie Jerry Garcia oder Merl Saunders daran beteiligt, die sich bestimmt nicht mit jedem abgeben). Seine verbliebenen CCR-Mitstreiter Stu Cook und Doug Clifford, die angesichts seiner ständigen Besserwisserei irgendwann rebellisch werden, hält Fogerty für intrigante Volltrottel, denen er überhaupt erstmal beibringen musste, wie man mit Messer und Gabel isst. Nein, die beiden waren keine Virtuosen und sind auch sonst keine Unschuldsengel, und als sie ihr gruppeninternes Stimmrecht für jeweils 30.000 Dollar an Saul Zaentz verkaufen, trifft ihn das tief — verständlicherweise. Dennoch: Unter normalen Umständen hätten sich diese Konflikte lösen lassen — doch nicht mit John Fogerty. Der überlässt sich lieber seiner zunehmenden Verbitterung und dem Alkohol. Jahrelang spielt seine eigenen Songs nicht mehr, bis ihn dankenswerterweise Bob Dylan auf offener Bühne quasi dazu zwingt („Wenn du es nicht tust, werden später alle glauben, ‚Proud Mary‘ sei von Tina Turner gewesen“).

Und dazu der immer noch ungelöste Konflikt mit Saul Zaentz und Fantasy Records. Am Ende jagt Zaentz Fogerty in den wohl absurdesten Prozess der Popgeschichte, den Fogerty zum Glück gewinnt. Aber woher das alles kommt: Bei Fogerty kommt es nicht an. Was immer seine Mitmenschen auch tun: Wenn es nicht das ist, was er für richtig hält, dann ist sein Urteil gnadenlos, ob es sein Bruder Tom ist, ob es CCR-Bassist Stu Cook ist (auf den er sich besonders eingeschossen zu haben scheint), ob es der Musikjournalist Ralph J. Gleason ist, ob es wer auch immer ist. Er verehrt alte Blues-Heroen, sein Urteil über andere Bands aus der San-Francisco-Szene ist dagegen oft übermäßig hart. Jefferson Airplane und Grateful Dead wirft er vor, sie könnten auf der Bühne nur endloses Genudel, aber keine Songs hervorbringen. Im Fall der Airplanes ist das schlicht falsch, im Fall der Dead scheint er das Konzept der Band nicht verstanden zu haben.

Bis dann endlich Julie die Szene betritt — eine annähernd 20 Jahre jüngere Zufallsbekanntschaft, die Johns große Liebe wird. Aber selbst diese Beziehung gefährdet Fogerty mit Alkohol und erratischem Verhalten. Erst, nachdem Julie das Management ihres Mannes übernimmt und ihr gesamtes Handeln darauf ausrichtet, ihm den Rücken fürs Komponieren und Musizieren freizuhalten, wird eine bis jetzt anscheinend glückliche Ehe daraus. Julie betritt das Buch in Kapitel 15 und schreibt ab dort eigene Textabschnitte, die sie in der 12 CDs umfassenden Hörbuchversion auch selber spricht.

Der Rest des Buches ist dann eitel Sonnenschein.

Fogerty ist, wen wundert’s, kein großer Autor. Aber darauf kommt es bei einem Buch wie diesem nicht an. Wer den Menschen John Fogerty und seine Sicht der Dinge näher kennenlernen möchte, wird aus diesem Buch eine Menge über ihn erfahren — das meiste allerdings zwischen den Zeilen. Die Geschichte der großen Hits, seine musikalischen Vorbilder, seine Liebe zur Countrymusik, seine etwas seltsamen Ansichten zum Thema Politik und Waffenbesitz (er trat mehrfach für die Demokraten auf, scheint aber dennoch zu glauben, dass die US-Regierung nur deshalb im Zaum gehalten werden kann, weil sie weiß, dass das Volk bewaffnet ist — die NRA wird jubeln), das alles ist da und wird durchaus unterhaltsam und gut lesbar geschildert. Die in amerikanischen Star-Biografien sonst unvermeidlichen ellenlangen Krankheitsgeschichten fehlen hier glücklicherweise.

Wer sich allerdings für eine objektivere Darstellung der diversen Sachverhalte um CCR und Fantasy Records interessiert, der scheint mir mit Hank Bordowitz‘ Buch „Bad Moon Rising — The Unauthorized History of Creedence Clearwater Revival“ von 1998 immer noch besser bedient zu sein.

Wenn dieser Mann nur nicht ein so verteufelt guter Musiker wäre.

 

John Fogerty:
Fortunate Son — My Life, My Music
Little, Brown & Co. 2015
ISBN 978-0316244572

2015 26 Okt.

The Complete Concert By The Sea

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Ach, ach, ich war kaum auf der Welt, da verliess Erroll Garner das Bucket Drive Hotel und machte sich auf den Weg zum Soundcheck. Concert By The Sea entstand im September 1955 in Carmel, wo Clint Eastwood später einmal Bürgermeister sein sollte. Ich krabbelte noch im Laufstall rum, war aber schon sehr offen für die Klänge aneineinander schlagender Milchflaschen. „Concert By The Sea“ wurde ein Bestseller. Garner war ein Autodidakt, wie er im Buche steht, und stellte verrückte Dinge an, er hatte bestimmte Sounds auf Lager, die in alten Radios besonders toll klangen. Bitternis hatte keine Chance in seiner Musik, da war er Louis Armstrong nahe. Die Tanzrhythmen in der linken Hand, die rollende, melodische Eleganz in der rechten, wilde Triller, kreuz und quer galoppierende Rhythmen, wunderbar. Als ich im Vorschulalter neben dem Kohleofen Position bezog auf einem roten Kissen, und konzentriert der Musik lauschte, war einmal auch Erroll Garner dabei. Er spielte „Caravan“, das man jetzt erstmals hören kann in der drei CD’s umfassenden Edition seines Konzerts am Pazifischen Ozean. Nach dem Stück kam er wie ein gut versteckter blinder Passagier aus dem Loewe Opta-Radio gekrochen, streckte sich, bis er seine normale Grösse erreicht hatte, und setzte sich neben mich. Er erzählte mir, wie er in jungen Jahren Geld verdient hatte auf einer grossen Kirmes, wenn er im Sommer auf seinem „upright piano“ die Leute mit Evergreens in die Geisterbahn lockte. Hinterher, mit bleichen Gesichtern, erholten sie sich, in dem sie sein Klavier umzingelten und manchmal kleine Juchzer ausstiessen. Er blieb etwa eine Stunde, dann huschte er zurück ins Radio. Ich glaube, meine Begegnung mit Erroll Garner war einer der Gründe dafür, dass ich schon bald alles verschlang, was mir von Mark Twain in die Hände kam. Und Gespenstergeschichten. Und Ragtime Roll Piano Classics.

1) Joanna Newsom: Divers  (‚It is just an illusion we have here on Earth that one moment follows another one, like beads on a string, and that once a moment is gone it is gone forever.’ – K. Vonnegut, Slaughterhouse Five) // 2) Polar Bear: Same As You (es ist 1975, Joe Zawinul hört die Platte von Polar Bear und ist hin und weg)  // 3) Tigran Hamasyan & Yerewan State Choir: Luis Y Luso (existenzieller Stoff, auch für Atheisten und Heiden) // 4) David Torn: Only Sky (Gitarrenplatte des Jahres)  // 5) Matana Roberts: Always (eine Reise durch Südstaatenjahrzehnte mit einem Saxofon; kommt nur per Schiff aus dem New Yorker Hafen, beim Label bestellen)  //  6) Sufjan Stevens: Carrie and Lowell (so traurig, so unkitschig, so erhebend) // 7) Food: This Is Not A Miracle (Electro Jazz, der auf den letzten vier Stücken ein unfassliches Finale inszeniert) // 8) Schneider & Kacirek: Shadow Fragments (post-kraut-masterpiece) // 9) The Mountain Goats: Beat The Champ (so geht Songzyklus)  // 10) The Gurdjieff Ensemble: Komitas (der Sprachlosigkeit empfohlen) // 11) Laurie Anderson: Heart of a Dog  (fantastisches Kopfhörererlebnis, Hypnotherapie a la Milton Erickson) // 12) Keith Jarrett: Creation (hat die Ruhe weg, ohne Intensität zu verlieren)// 13) Africa Express Presents Terry Riley’s „In C“ (Verwandlung ohne Verwässerung) // 14) Robert Forster: Songs To Play (understatement & passion) // 15) Jakob Bro: Gefion (chamber jazz, no walls) // 16) Ballake Sissoko & Vincent Segal: Musique de nuit (the late night passengers named cello on kora, played with the distant hum of the city) 17) No. 17 is a book – you’ll find yourself in rural hinterland, here in R.J. Ellory’s „Mockingbird Songs“, the country radio is on, from Hank to Lucinda the music is spinning through the air, and two protagonists know how to pick  up a guitar: the Whiskey Poet would have a lot of songs to write as the bleak story unfolds 18) No. 18 is a vinyl record from the HARMONIA box: fantastic jamming (to the outer limits) in Forst, Weserbergland, and such mythical places of 70’s pilgrimage like  „Onkel Pö“, and the „Fabrik“. Jan Reetze was there! 19) Kurt Vile: b’lieve i’m goin‘ down (in fact, he’s coming up with an awesome song album – even post-time hippies sometimes jump out of the box without doing the „Murmeltier“)  20) free place for the surprise this year might still come up with

 


 
 
 

Es waren Ferien, und wir hörten Paul Bleys wunderbare Pianosoloplatte „Alone Again“. Allerdings ist das schon einige Jahre her, die Erinnerung spielt Streiche, ich weiss noch, wie ich einige Platten des Labels Steeplechase entdeckte, u.a. ein Duo von Paul Bley mit dem berühmtesten Jazzbasissisten Dänemarks. Unser Gespräch ging von Hölzchen auf Stöckchen, und worüber sprechen Männer schon, wenn gerade keine Dramen in Sicht sind, über Reisen, Musik, Fussball umd Wein.

Wir machten es uns also gemütlich, und dann landeten wir bei einem sich launig verzweigenden Wortwechsel über audiophile Tonaufnahmen. Cds oder Vinyl, das war nicht die Frage, heute macht jedes dieser Medien beste Resultate möglich. Nein, die Frage war: was sind eigentlich d i e herausragenden audiophilen Aufnahmen? Wir stellten da eine virtuelle Liste zusammen: eine Blue Note-Platte von Kenny Burrell war dabei, die mit dem Congaspieler, „Way Out West“ von Sonny Rollins,, eine Techno-Scheibe von Robert Hood, „Let The Power Fall“ von Robert Fripp, „Live At Fillmore East“ von den Allmans, „Book Of Ways“ und „Staircase“ von Keith Jarrett (und natürlich etliche andere ECM-Aufnahmen). ECM-Produkte haben übrigens keineswegs den einen seligmachenden „sound next to silence“, in ihren Hallcharakteristika sind sie ziemlich unterschiedlich, und manche Arbeit aus früheren Jahren gefällt mir gar nicht, zu halltrunken kommt das eine oder andere daher, etwa Gary Burtons „Easy As Pie“ (Geschmackssache, klar!). Sicher stand auf dieser Liste aber nicht die völlig überschätzte „Anlagen-Test-Platte“ von den Dire Straits (nicht ihre erste, die mit Abstand beste!), die in jedem nicht ganz geschmackssicheren High-End-Laden potentiellen Kunden angedient wird.

Meine ganz persönliche Referenzaufnahme stammt aus dem Tonstudio Bauer, und ist eine Manfred Eicher-Produktion aus den frühen 80ern: „El Corazon“, von Don Cherry und Ed Blackwell. Stephan Mathieu, der kurzfristig und leidvoll mit David Sylvian zusammen arbeitete, stimmt mir in diesem Punkt voll und ganz zu. Nun bin ich kein grosser Blues-Experte, aber mein Unterkiefer klappte doch kurz nach unten, als Gregs „Folk Singer“ von Muddy Waters auflegte. Eine Aufnahme aus einem kleinen Kabuff Anfang der 60er: atemraubende Dynamik, extremer Realismus, ich kam aus dem Staunen nicht mehr heraus, so einen Klang hatte ich auf einer Bluesplatte noch nie gehört – ein gut gefülltes Glas Rotwein aus dem Weinkeller des Herrn der Jukeboxen rann unsere Kehlen herab, während Muddy Waters‘ Stimme die Räume erzittern liess, sowohl den amerikanischen wie den badischen.

Kennt jemand noch andere Folk- oder Blues-Platten (oder auch ältere Jazzaufnahmen), gerne auf Vinyl, die einen vergleichsweise überragenden Sound haben, zu dem Engländern gerne sagen, er sei  „crisp“, „stripped down“ und „crystal clear“? 

Rosato nannte mir in dieser Hinsicht einmal „Out Of The Woods“ von Oregon, die einzige Oregon-Platte aus alten Zeiten, die an mir vorbei gegangen ist. Solche Tondokumente gibt es bereits seit den 50er Jahren, sie sind keine Kreation neuer Remaster-Verfahren. Bei JPC kann man sich übrigens Muddy Waters‘ „Folk Singer“ immer noch auf edel zubereiteten Vinyl besorgen (CD geht natürlich auch) – bedanken können Sie sich anschliessend bei Gregs!

2015 25 Okt.

Old treasure hunt never stops

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https://www.dailymotion.com/video/xge8y_beatles-a-day-in-the-life_music

2015 24 Okt.

Wochenende

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Peter Bradshaw ist ja sehr angetan vom neuen Bond-Film, und das, obwohl der Bruch mit den Mustern sich in Grenzen hält. Es ist ein verwundbarer, seelisch angeschlagener Bond, aber Verfolgungsjagden gibt es weiterhin, auch wieder im Schnee, glaube ich. Wer stand damals auf den Skiern, als wir noch Kinder waren? Die Guardian Film Show sehe ich gerne, da habe ich ja auch „Mud“ entdeckt. Derzeit schaue ich Woche für Woche auf meinem Ipad eine Folge von „True Detective 2“ (mit UE Boom Boxen und dem fantastischen Cohen-Song zu Beginn jeder Episode) – diese Staffel wird weitaus kontroverser aufgenommen als der Vorgänger, geht mir aber ähnlich nah. Statt einer raffiniert aufgebauten Geschichte wird hier ein Szenario der Verstörungen und Verluste inszeniert, von Menschen, die den Rand des Nervenzusammenbruchs schon lange überschritten haben und aus gesammelten Traumen Reste würdevollen Verhaltens zusammenklauben. Unaufhaltsam scheinen sie ihrem eigenen Untergang entgegen zu wandeln. Exzellent dabei die noch am meisten den dunklen Mächten widerstehende Taylor Kitsch, deren Vater eine Schlüsselfigur der esoterischen Selbstfindungszirkel der West Coast seit den 80er Jahren abgibt. Es gibt Szenen, die überschreiten die Grenze zur Traumsphäre, und da zeigt sich, dass dem Autor Nic P. bestimmte Bilder aus „Twin Peaks“ immer noch nachgehen. „Alles geht darnieder“ heisst die vierte Folge, in der die Abwesenheit von „action“ auf die Spitze getrieben wird, bis, ja, bis kurz vor Schluss alles, aber auch wirklich alles niedergeht. Sartre sagte einmal, und das weiss ich nur, weil Lars Gustafsson es einmal einem seiner Bücher als Motto vorangestellt hat (der alte Schwede hat mittlerweile sein Heil in der Kaballah entdeckt), dass jedes Leben mit einem Schachmatt ende. Wir arbeiten ein bisschen dagegen an, manchmal mit Blindheit, manchmal mit magischem Denken, manchmal mit Musik. So habe ich gerade das Cafe meines Vertrauens dazu überredet, „The Heavenly Music Corporation“ zu spielen, von Fripp & Eno, aus „No Pussyfooting“ (1973).

2015 24 Okt.

Dear Jochen Siemer,

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what about this one for your blog: Tom Wolfe, in a letter exchange with F. Scott Fitzgerald, talked about books as either “putter-inners” or “taker-outers,” and City on Fire is a putter-inner that does all what these types of books are born to do: boil and pour, as Wolfe also said. So, yes, if you want to criticize City on Fire for not being Hemingway or Carver, you can probably spare the ink, just as it’s probably unnecessary to point out that a peach is not a grape. But if you want to come to City on Fire, as I did, as someone open to putter-inners and taker-outers, if you want to set your metabolism (and your schedule) to a 900+ page novel, you are going to get rewards that remind you what a book only a book can do: characters rich in surprise and complexity, a portrait of a city that resonates with the necessity of cities and New York now and a feel for New York then, the stuff of life (art, meaning, love, disappointment, ambition, aloneness) reflected and refracted off a dozen or so characters to help us see life anew in its electrified possibilities, and a book that embraces American literature, the canon, Hallberg’s literary ancestors in a wondrous ecstasy of influence. This is a book so evidently written in joy and risk and possibility, its overflows are not mistakes that needed an editor but inextricable stuff of what makes this book explode, a city onto itself, with surprise and delight. I like a good taker-outer too. I like more to live in a world with both. I hated every moment when I had to put City on Fire down until I was done. Best wishes from the Big Apple, Gerald Simmons!

2015 23 Okt.

Ein Hundeleben

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Erster Höreindruck: Laurie Anderson macht das, was sie schon immer am besten konnte: Geschichten erzählen.

Heart of a Dog ist der Soundtrack zu ihrem gleichnamigen Film, co-produziert von HBO und Arte, der dieser Tage in ausgewählten US-Kinos erschienen ist. Lolabelle, Laurie Andersons verstorbener klavierspielender Rat Terrier, ist der rote Faden. An diesem entlang meditiert die Künstlerin in 27 durchweg eher kurzen Tracks über den Terroranschlag vom 11. September 2001 (mit dem Laurie, wie überhaupt sehr viele Amerikaner, noch immer nicht durch ist), über den Tod ihrer Mutter, über aktuelle politische Themen, über die Absurditäten des Alltags, und überhaupt über Geburt und Tod und alles, was dazwischen ist.

Es gibt nur wenige gesungene Stücke, dafür viel Text, der über musikalische Hintergründe, Klangcollagen und O-Töne gesprochen wird. Zum Soundtrack gehören Ausschnitte aus Laurie Andersons früherem Programm Homeland, aus den Alben Bright Red und Life on a String sowie aus Landfall, ihrer Zusammenarbeit mit dem Kronos Quartet. Einige der Stücke scheinen Livemitschnitte zu sein.

Das letzte Wort hat Lou Reed, dessen „magnificent spirit“ die Platte auch gewidmet ist.

Late Night Music, zum Zuhören.

2015 23 Okt.

Sechs Marginalien

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1) Durch Zufall entdeckte ich vor Monaten die fantastische Saxofon-Solo-Platte ALWAYS von Matana Roberts, die mir jetzt, von einem Idioten, aus meinem Auto während eines kurzen Tankstellenaufenthalts geklaut wurde (in der entwedeten Tüte waren neben Matana Roberts noch eine Vio-Wasserflasche, ein Nasenspray, und die Süddeutsche Zeitung). Die Harmonia-Box, die mir Groenland Records für meine Weihnachtssendung geschickt hatte, liess der Vollpfosten genauso unangetastet wie den Navigator im Handschuhfach.

2) In der Dezemberausgabe von UNCUT singt der von mir von kleinauf geschätzte Richard Williams ein hohes Lied auf die Beatles 1+-Box mit jeder Menge Filmmaterial und neuen Stereomixen der No. 1-Hits. Den Sensurround-Mix nennt er „excessive“, und meint das nicht abwertend. Dieses Gesamtpaket hat ihn von der Couch gehauen.

3) Es ist nicht so verwegen, meine Top-14 schon so früh zu posten. Nichts, was ich da noch angekündigt finde, scheint eine relle Chance auf meine vorderen Ränge zu haben, ausser vielleicht „Kannons“ von Sunn O)))

4) Ich empfinde True Detective 2 so ungeheuerlich wie True Detective 1, auch wenn die ganz anders gelagerte Story der zweiten Staffel weniger auf „äussere“ Spannung setzt. Alles geht darnieder. Ich gucke sehr wenig Fernsehen, ich gehe kaum ins Kino, und habe die Mutter aller Serien gesehen, „Sons Of Anarchy“. Davon wird vor Weihnachten zu reden sein, unter dem Titel „Dr. Egon Werlich und die Söhne der Anarchie“. Ähnlich herausragend: „Justified“, alle sechs Staffeln, „Fargo“, „The Red Road“, „Black Sails“, „Homeland“, „The Americans“. Wenn möglich, in der Originalsprache sehen.

5) Ich werde öfter gefragt: wie heisst dein Lieblingsthriller des Jahres. Meist mache ich dann ein unschlüssiges Gesicht, nicht so 2015. „Mockingbird Songs“, von R.J. Ellory. Die Zeitreisen von William Shaw ins London der Beatles und Stones anno 1968 sind aber auch grosse Klasse. Und einiges entgeht einem sowieso.

6) Erwähnte ich Harmonia? Eine der Schallplatten der Box enthält erstmals veröffentlichte Tondokumente von Harmonia, live aus der Hamburger Fabrik und Onkel Pö. Bei einem der beiden Auftritte aus den Mittsiebzigern war ein Manafonista dabei, und ich hoffe auf seinen Augenzeugenbericht in meiner Weichnachtssendung.

2015 23 Okt.

Trumscheids Mail

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Guten Tag, ich bin Karl Trumscheid. Ich las hier einen leider wieder verschwundenen Text, in dem ein King Crimson-Konzert in den neunziger Jahren kurz angerissen und in den Himmel gehoben wurde. Da fiel mir mein alter Text zu „THRAK“  ein, und wo es doch in Kürze eine tolle „THRAK-Box“ geben wird. War in den siebziger Jahren nach der LP „RED“ das erste Mal Schluss, schrieb ich da, meldeten sich King Crimson 1981 mit „Discipline“ zurück und hatten enorm am Sound gefeilt. Ohne das wunderschöne Mellotron, dafür mit zwei Gitarristen (Fripp und Adrian Belew), Bass (Tony Levin) und Schlagwerk (Bill Bruford) wurde ein abwechslungsreicher Stil kreiert, der sich durch schöne, melodiöse Songs und rhythmisch vertrackte, extrem virtuose, groovige und am Beat der Achtziger orientierte Kompositionen auszeichnete. Nach zwei weiteren Alben befand der Meister, dass man sich wieder in einer künstlerischen Sackgasse befand und löste seine Truppe auf. 1995 meldete man sich dann mit „THRAK“ wieder. Das Konzept wurde weitestgehend aus den achtziger Jahren übernommen, der Sound wurde nur noch druckvoller, die Melodien (meistens von Belew) noch schöner und die Formen noch vertrackter. Das beeindruckend Neue ist hier, dass die Band aus zwei Gitarristen (Fripp, Belew), zwei Bassisten (Levin und Trey Gunn) und zwei Schlagzeugern (Bruford und Pat Mastelotto) besteht, die sich auf dem Album gegenseitig die musikalischen Bälle zuspielen und wunderbar harmonieren. Das Album ist ein phantastischer Mix aus Songs, polyrhythmischen Kollektivimprovisationen und hartem Gitarrensound, der durch ein solides Bass/Schlagzeug-Fundament gestützt wird. Für KC-Fans ein Muss, für Neueinsteiger, die progressive Musik im modernen Soundgewand suchen, sicherlich sehr empfehlenswert. Für die alten Hasen, die den Klang der Siebziger mit viel Bläsern oder Geige und Mellotron suchen, nicht zu empfehlen, obwohl in jedem Stück der Geist der Siebziger mehr als präsent ist, eben nur anders angezogen. Mit besten Grüssen, K.T.


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