Es waren Ferien, und wir hörten Paul Bleys wunderbare Pianosoloplatte „Alone Again“. Allerdings ist das schon einige Jahre her, die Erinnerung spielt Streiche, ich weiss noch, wie ich einige Platten des Labels Steeplechase entdeckte, u.a. ein Duo von Paul Bley mit dem berühmtesten Jazzbasissisten Dänemarks. Unser Gespräch ging von Hölzchen auf Stöckchen, und worüber sprechen Männer schon, wenn gerade keine Dramen in Sicht sind, über Reisen, Musik, Fussball umd Wein.
Wir machten es uns also gemütlich, und dann landeten wir bei einem sich launig verzweigenden Wortwechsel über audiophile Tonaufnahmen. Cds oder Vinyl, das war nicht die Frage, heute macht jedes dieser Medien beste Resultate möglich. Nein, die Frage war: was sind eigentlich d i e herausragenden audiophilen Aufnahmen? Wir stellten da eine virtuelle Liste zusammen: eine Blue Note-Platte von Kenny Burrell war dabei, die mit dem Congaspieler, „Way Out West“ von Sonny Rollins,, eine Techno-Scheibe von Robert Hood, „Let The Power Fall“ von Robert Fripp, „Live At Fillmore East“ von den Allmans, „Book Of Ways“ und „Staircase“ von Keith Jarrett (und natürlich etliche andere ECM-Aufnahmen). ECM-Produkte haben übrigens keineswegs den einen seligmachenden „sound next to silence“, in ihren Hallcharakteristika sind sie ziemlich unterschiedlich, und manche Arbeit aus früheren Jahren gefällt mir gar nicht, zu halltrunken kommt das eine oder andere daher, etwa Gary Burtons „Easy As Pie“ (Geschmackssache, klar!). Sicher stand auf dieser Liste aber nicht die völlig überschätzte „Anlagen-Test-Platte“ von den Dire Straits (nicht ihre erste, die mit Abstand beste!), die in jedem nicht ganz geschmackssicheren High-End-Laden potentiellen Kunden angedient wird.
Meine ganz persönliche Referenzaufnahme stammt aus dem Tonstudio Bauer, und ist eine Manfred Eicher-Produktion aus den frühen 80ern: „El Corazon“, von Don Cherry und Ed Blackwell. Stephan Mathieu, der kurzfristig und leidvoll mit David Sylvian zusammen arbeitete, stimmt mir in diesem Punkt voll und ganz zu. Nun bin ich kein grosser Blues-Experte, aber mein Unterkiefer klappte doch kurz nach unten, als Gregs „Folk Singer“ von Muddy Waters auflegte. Eine Aufnahme aus einem kleinen Kabuff Anfang der 60er: atemraubende Dynamik, extremer Realismus, ich kam aus dem Staunen nicht mehr heraus, so einen Klang hatte ich auf einer Bluesplatte noch nie gehört – ein gut gefülltes Glas Rotwein aus dem Weinkeller des Herrn der Jukeboxen rann unsere Kehlen herab, während Muddy Waters‘ Stimme die Räume erzittern liess, sowohl den amerikanischen wie den badischen.
Kennt jemand noch andere Folk- oder Blues-Platten (oder auch ältere Jazzaufnahmen), gerne auf Vinyl, die einen vergleichsweise überragenden Sound haben, zu dem Engländern gerne sagen, er sei „crisp“, „stripped down“ und „crystal clear“?
Rosato nannte mir in dieser Hinsicht einmal „Out Of The Woods“ von Oregon, die einzige Oregon-Platte aus alten Zeiten, die an mir vorbei gegangen ist. Solche Tondokumente gibt es bereits seit den 50er Jahren, sie sind keine Kreation neuer Remaster-Verfahren. Bei JPC kann man sich übrigens Muddy Waters‘ „Folk Singer“ immer noch auf edel zubereiteten Vinyl besorgen (CD geht natürlich auch) – bedanken können Sie sich anschliessend bei Gregs!