John Cage: Organ²/ASLSP (Teil 1)
Drei Zitate von John Cage:
„Ich verstehe nicht, warum Leute Angst vor neuen Ideen haben, ich habe Angst vor den alten.“
„Die Musik, mit der ich mich beschäftige, muss nicht unbedingt Musik genannt werden. In ihr gibt es nicht, woran man sich erinnern soll. Keine Themen, nur Aktivität von Ton und Stille.“
„Wenn etwas nach zwei Minuten langweilig ist, versuche es vier Minuten lang. Dann sechzehn. Dann zweiunddreißig. Schließlich entdeckt man, dass es überhaupt nicht langweilig ist.“
Heute ziehe ich aus der Abteilung „John Cage“ ein ganz besondere CD aus dem Plattenschrank: Organ²/ASLSP, eine Aufnahme von Christoph Bossert & Hans-Ola Ericsson aus dem Jahre 2005. Mit dieser CD wollen die Musiker auf das John-Cage-Projekt in Halberstadt aufmerksam machen. Von diesem Vorhaben in der kleinen Stadt am Harzrand hörte ich zum ersten Mal über die Beschäftigung mit der Long-Now-Foundation, das war so etwa im Jahr 2000. Die Idee hatte mich von Anfang an gepackt. Von Hans-Ola Ericsson stammt die Überlegung, was denn ASLSP, As slow as possible, überhaupt bedeuten könnte.
Da der Orgelklang theoretisch unendlich lang gehalten werden kann, würde das bedeuten, dass man das Konzert so ausdehnen könnte, so lange aufführen sollte, wie eine Orgel funktionsfähig bleibt, die Lebensdauer der Orgel wurde so zum Zeitmaß. Nun steht gerade in Halberstadt einer der ältesten noch funktionierenden Instrumente, eine 1361 erbaute Faber-Orgel. Im Jahr 2000 wurde der Plan, ASLSP so langsam als möglich zu spielen, in die Tat umgesetzt, also soll das Konzert 639 Jahre aufgeführt werden.
Die Burchardikirche in Halberstadt bot sich an. Um 1050 erbaut, diente sie über 600 Jahre als Zisterzienserkloster. Im 30-jährigen Krieg wurde sie zum Teil zerstört, 1711 wieder aufgebaut und 1810 säkularisiert. 190 Jahre wurde die Kirche als Scheune, Lagerschuppen und Schweinestall genutzt, was man der Kirche im Inneren auch durchaus ansieht.
Mit ASLSP wird nun in Halberstadt ein Orgelstück gespielt, das man gut und gerne auch in 60 bis 70 Minuten spielen, auch auf 14 Stunden ausdehnen kann, wie im Mai 2007 in Stuttgart geschehen. Auf der CD, auf die ich heute hinweisen möchte, hat man als Spielzeit die maximale Speicherkapazität einer Compact Disc gewählt.
Aufführungsort: Die Stadtkirche St.Wenzel in Naumburg an der Saale.
Das Instrument: Zacharias Hildebrandt, 1746.
„Die in vier in sich geschlossenen Aufnahmesitzungen entstandene Fassung von Bossert (Spiel auf den Tasten) und Ericsson (Spiel mit den Registerzügen) hält Klangbilder fest, in der die klanglichen und zeitlichen Dimensionen von mechanischer Orgel, von Tag und Nacht, von Wind und Wetter, von Kirchenraum und umgebender Stadt zusammenfließen.“ (aslsp.org)
Klaus Falka schreibt zu der Aufnahme:
„Kurz nach Aufnahmebeginn von Version IV fällt die elektrische Windmaschine der Orgel wegen eines Defekts aus. Jetzt kommt ein Kalkant zum Einsatz: der Tonmeister. Die Aufnahme wird mit handgeschöpftem Wind fortgesetzt.“
Cage es hätte sicher gefallen, dass auf der Aufnahme nicht nur die Orgel, die Windmaschine und Windbälge zu hören sind, sondern auch Geräusche der Stadt (Verkehrslärm, Autohupen, Kindergeschrei) und der Natur (Regel, Hagel, Donnerschlag).