Manafonistas

on life, music etc beyond mainstream

Dass ich das Buch nicht nach 100 Seiten in den Müll geschmissen habe, liegt daran, dass ich es als Hörbuch in meinem Postkasten vorfand, als Besprechungsexemplar. Und so liess ich mich auf langen Autofahrten von drei Frauenstimmen begleiten, die mir alsbald ähnlich auf die Nerven gingen wie die Story selbst. Hanebüchen von vorne bis hinten. Ich dachte, da kommt noch was, aber da kam nur stets das gleiche, und gewiss kein einziges Überraschungselement. Entwickelt wird alles aus drei weiblichen Erzählperspektiven. Es geht um drei marode Beziehungen, um eine verschwundene Frau, und um eine Alkoholikerin, die ganz langsam aus ihrem Dämmer erwacht, und einem mutmasslichen Verbrechen auf die Spur kommen möchte. Jeder Leser mit einem IQ ab 99 wird nach etwa der Hälfte der Buches den Mörder erkennen, nebenbei ist das Buch unendlich zähflüssig geschrieben, dreht sich endlos um eine Handvoll Erinnerungslücken und zunehmend sich ankeifende Lebenspartner. Wieso ist so ein billig konstruiertes Buch ein Mega-Bestseller? Selbst die Filmrechte sind schon verkauft. Hier werden Rachefantasien ausgelebt, unterdrückte Frauen laufen in dem Roman zu grosser Form auf, und peinigen den Mörder am Schluss noch ganz perfide. Eine Frau ist meistens besoffen, eine traumatisiert, und eine vorrangig naiv. Ein geistesschwaches Machwerk, gegen das die Durbridgekrimis der 60er Jahre wahre Psychoschocker waren. Ich habe Sie gewarnt! P.S.: Gab es etwas vergleichbar Blödsinniges in letzter Zeit im Fernsehen? Ja, den jüngsten „Tatort“ aus Zürich! Der kann da locker mithalten. Der Killer hatte wahrscheinlich fünf Wochen vor dem Spiegel seinen schwitzenden Peter Lorre-Gedächtnis-Blick geübt, und was der Drehbuchschreiber beim Verfassen des Skripts so alles zu sich genommen hat, kann man nur erahnen. P.P.S.: Ach ja, das Buch heisst GIRL ON THE TRAIN, und ist von Paula Hawkins geschrieben worden.

This entry was posted on Mittwoch, 9. September 2015 and is filed under "Blog". You can follow any responses to this entry with RSS 2.0. Both comments and pings are currently closed.

3 Comments

  1. Uwe Meilchen:

    Weiss auch nicht, ob es besonders gut war nun eine Forsetzung zu Stieg Larssons drei Buechern mit Lisbeth Salander und Michael Blomkvist vorzuliegen. – Natuerlich, die drei Buecher, die Larsson selbst geschrieben hatte waren spannende Unterhaltung (vor einem politischen Hintergrund der mit einigen idyllischen Vorurteilen ueber Schweden aufraeumte) und haben sich gut verkauft. – Und aus der Sicht der Verlage schreit der Markt natuerlich nach solcherlei Forsetzungen; selbst „Gone With The Wind“ erfuhr eine solche Neuauflage. Also kaufen, lesen oder boykottieren wie Jussi Adler Olsen es letztens recht drastisch vorschlug ?

  2. Michael Engelbrecht:

    Keine Ahnung. Kenne den Hintergrund und das Buch nicht. Irgendwann las ich, dass Larsson einen nicht geringen Teil des vierten Teils bereits geschrieben hatte: wenn das daran anknüpfen würde, könnte es richtig gut sein, in den Händen eines guten Autors.

    „Gute Unterhaltung“: das lehne ich als Bewertungskategorie ab, für Romane wie die drei von Stieg Larsson. Zu ganz grosser Literatur langte es da nur deshalb nicht, weil der Sprachstil selber nur mittelmässig war.

    Da sitzt du einer beliebten Unterscheidung auf zwischen „ernster“ und „unterhaltender“ Literatur. Als wäre ein Modiano ernste Literatur und ein James Lee Burke-Roman gute Unterhaltung. Falsches Genredenken. Auch in der Literaturwissenschaft gibt es „Herrschaftsdenken“:) Jeder grosse Roman transzendiert das jeweilige „Genre“.

    Boykottaufrufe halte ich nun für das Heuchlerische schlechthin. Da macht sich jemand wichtig, indem er eine womöglich vorhandene Empörung aufgreift und sich dann populistisch ereifert.

    Nö, kein Boykott. Viel zu hochgehängt. Das sichert dem Buch dann noch zusätzliche Aufmerksamkeit. Lieber warte ich auf die Besprechung eines Wahlverwandten, da husche ich über die Zeilen, und ahne, wes Geistes Kind das ist.

  3. Michael Engelbrecht:

    Ich ziehe, was grosse Literatur angeht, übrigens Burke Modiano vor. Modiano schreibt im Grund immer das gleiche Buch. Bei Burke nehmen die Geschichten stets einen anderen epischen Verlauf. Um die Schattenseiten der Existenz dreht es sich bei beiden Autoren, bei ihnen summieren sich gleichermassen Verlustmeldungen, und die Erinnerungen sind voller Löcher. Allerdings sind die Löcher von anderem Kaliber als in dem britischen Käseroman GIRL ON THE TRAIN.


Manafonistas | Impressum | Kontakt | Datenschutz